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Später an diesem Abend höre ich die Haustür knallen, was mir zeigt, dass Soonmin von der Arbeit heimgekommen ist. Also laufe ich die Treppe runter und begrüße sie mit einem Lächeln. „Hallo Jimin, wärst du so lieb uns weckst Yoongi? Ich habe Kebab mit." antwortet sie mir und am liebsten würde ich meine Augen verdrehen, aber ich tue was sie sagt und gehe die Treppe wieder hoch.

Da wollte ich extra runter gehen um Yoongi aus dem Weg zu gehen und sie schickt mich hoch um ihn zu wecken. Toll! Nicht.. Ich seufze genervt auf, ehe ich an der Tür klopfe, in der Hoffnung, dass das reicht um ihn wach zu kriegen, aber als ich keine Antwort erhalte, öffne ich schließlich doch die Tür. Yoongi liegt schlafend auf dem Rücken und trägt nur eine Boxershorts. Die Decke ist von seinem Oberkörper gerutscht und mir steigt die Hitze in die Wangen, als ich seine angedeuteten Bauchmuskeln erblicke. Schnell räuspere ich mich und lenke meinen Blick in sein Gesicht. Sein Mund ist leicht geöffnet und seine Augenlider zucken ein wenig, als würde er noch die letzten Momente seines Traumes auskosten. Alles in allem sieht er sehr friedlich aus. Warum kann er nicht immer so sein?

„Yoongi!" rufe ich, aber er reagiert nicht, sondern dreht sich nur auf die Seite, sodass die Decke auch noch seine Oberschenkel entblößt, welche unweigerlich meinen Blick auf sich ziehen. Yoongi schreckt mich aus meinem Starren auf, denn er fängt leise an zu grummeln und schlägt kurz darauf seine Augen auf. Als er realisiert, wie lasziv er sich auf seinem Bett rekelt, gibt er einen erschrockenen Laut von sich und zieht sich blitzschnell die Decke bis zur Nasenspitze, was mich schmunzeln lässt. „Was beobachtest du mich denn, wenn ich schlafe, du Bastard." faucht er mich an und sofort vergeht mir das Schmunzeln wieder. Ich verdrehe die Augen und da ich eine erneute Auseinandersetzung vermeiden will, gebe ich ihm nur knapp Bescheid, dass es Essen gibt, ehe ich das Zimmer wieder verlasse.

So ein Idiot, was kann ich denn dafür, dass er nicht mehr zum schlafen anzieht, denn nicht hingucken konnte man ja nun wirklich nicht. Was mich gerade jedoch mehr beschäftigt ist der Gedanke, dass ich seinen Anblick nicht wirklich schlecht fand.

***

Nachdem wir den überaus delikaten Kebab genossen haben, hat es Soonmin dieses Mal doch geschafft mit uns einen Film zu schauen, da ich mir ja schlecht erneut eine Ausrede einfallen lassen kann. Sie will, dass wir alle etwas zusammen machen, da wir schließlich jetzt für ein Jahr eine Familie sind. Bahh, wenn ich das schon höre.. Yoongi scheint leider auch nicht auf die Idee zu kommen, sich irgendwie zu verdrücken, was bei seinem Gehirn, dass die Größe eines Nic-Nac's hat, auch kein Wunder ist. Oder aber, er will einfach wirklich den Film schauen, wobei ich das eher bezweifele.

Also sitzen wir nun alle auf der Couch und gucken uns einen Film an, von dem ich mir den Titel nicht merken konnte. Ich weiß nur, dass es irgendwas mit ‚einem Jahr' lautet. Oder doch ‚halbes Jahr'? Jedenfalls, nachdem ich die Anwesenheit von dem anstrengenden Typen neben mir ausblenden konnte und mich auf den Film eingelassen habe, merke ich, dass er doch ziemlich toll ist. Es stellt sich heraus, dass eine der Hauptpersonen, welche querschnittsgelähmt ist, sich trotz der Liebe zu einem Mädchen umbringt. Solche Liebesfilme schaue ich furchtbar gerne und würde ich jetzt in Pocheon in meinem Bett liegen und diesen Film schauen, hätte ich geflennt wie ein Baby. Aber hier geht es nicht, weshalb ich mir heimlich die Tränen aus den Augenwinkeln streiche. Als ich einen Blick nach links werfe, sehe ich aber, dass Soonmin auch Tränen in den Augen hat, also bin ich mit meinen Gefühlsduseleien wohl nicht alleine.

Yoongi jedoch schaut emotionslos auf den Fernseher, was anderes habe ich bei diesem Eisblock zwar eigentlich nicht erwartet, aber ich dachte, dass wenigstens so ein Film ihn auch ein wenig berührt. Während ich ihn beobachte regt sich kein Muskel in seinem Gesicht. „Dich juckt das in dem Film aber auch gar nicht, oder?" spreche ich meine Gedanken aus, woraufhin er seinen Kopf zu mir dreht und mich mit einem undefinierbaren Blick anschaut.

Das ist das erste Mal, dass wir uns in die Augen schauen, ohne, dass wir uns in die Haare kriegen und ich habe das Gefühl, seine Augen wollen mir irgendwas sagen. Plötzlich steht er auf und verlässt fluchtartig den Raum, mit der Begründung, dass er uns zwei Heulsusen lieber allein lasse. Merkwürdig.

Fragend schaue ich Soonmin an, die daraufhin nur seufzt. „Yoongi hat auch Gefühle." fängt sie an und ich schnaube ungläubig. „Er zeigt sie bloß nicht gerne und seit einem Jahr ist es sogar für mich selten geworden, dass er sich in meiner Gegenwart öffnet." spricht sie weiter und ich würde doch gerne wissen, was vor einem Jahr denn passiert ist, dass Yoongi anscheinend seit dem nichts anderes mehr als Hass, Wut und Spott empfindet, aber wegen des traurigen Blickes den Soonmin mir danach zuwirft, traue ich mich nicht nachzubohren.

Doch sie ist anscheinend gewillt weiterzusprechen, sodass mein Fragen auch gar nicht mehr nötig ist. „Du hast dich bestimmt gefragt wo.." sie holt einmal tief Luft um sich zu sammeln, „..wo mein Mann ist. Er ist vor einem Jahr gestorben und das hat Yoongi sehr mitgenommen, denn er war nicht einfach nur sein Vater, sondern auch so etwas wie ein bester Freund für ihn."

Mitleidig sehe ich sie an, obwohl Mitleid wohl nicht das ist, was man in solchen Momenten erwartet, also rücke ich näher an sie und nehme sie in den Arm. „Das muss bestimmt schwer für euch sein." spreche ich leise zu ihr, aber sie bleibt nur still und drückt mich noch etwas fester.

Soonmin hat mir in der ersten Zeit, die ich hier war öfter geholfen, als mir lieb war und deswegen gebe ich ihr gerne etwas davon zurück, indem ich ihr in solchen Momenten beistehen kann. Sie ist mir eher eine Freundin, als eine Mutter und ich bewundere, was für eine starke Frau sie doch ist; sie hat vor einem Jahr ihren Mann verloren und meistert trotzdem ihren Alltag. Ich habe sie bis jetzt noch nie schwach gesehen und fühle mich plötzlich etwas albern dafür, dass ich wegen so was Simplen wie ‚ein Jahr woanders leben' schon denke, dass ich Grund dazu hätte aufzugeben. Das ist doch nichts im Vergleich dazu, wenn man einen geliebten Menschen verliert. Zum Glück musste ich das noch nicht erleben.

Kurze Zeit später löst sie sich aus meiner Umarmung, verabschiedet sich für diesen Tag mit einem müden Lächeln von mir und auch ich mache mich auf den Weg in mein Bett.

***

Es ist mitten in der Nacht und trotzdem kann ich nicht schlafen. Die Gedanken halten mich wach, denn das Gespräch von vorhin lässt mich Yoongi mit ganz anderen Augen sehen. Vielleicht ist er gar nicht so ein Arschloch, sondern versucht nur, indem er mich provoziert und scheiße behandelt, seine Trauer zu verarbeiten. Irgendwie tut es mir leid, wie ich ihn behandelt habe, aber das kann ich jetzt leider nicht mehr rückgängig machen.

Wie wäre es, wenn ich meinen Vater verlieren würde? Er ist mir zwar alles andere als ein bester Freund, aber ich wäre trotzdem sehr traurig, wenn er nicht mehr da wäre. Obwohl er mich die letzten Wochen vor meiner Abreise behandelt hat, als wenn ich nicht mehr sein Sohn wäre, ist er doch immer noch mein Vater und ich liebe ihn. Ich kann seine Reaktion noch immer kein Stück nachvollziehen, klar ist es erst mal ein Schock, wenn sich der eigene Sohn plötzlich outet, aber ihn so zu verachten, ist dann doch ein bisschen zu krass. Und trotzdem würde ich gerade nichts lieber tun, als ihm wie früher in die Arme zu springen und ihm zu sagen, dass ich trotz allem froh bin, dass er mein Vater ist.

words: 1310

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