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"Hey Jimi- Oh mein Gott, was ist denn mit dir passiert?" ruft Frau Kim entsetzt, als ich mich nach meiner Flucht spontan dazu entschieden habe zu Jin zu gehen und nun völlig außer Atem vom Rennen, verschwitzt und noch immer mit Tränen in den Augen vor der Haustür von Familie Kim stehe. Ich versuche Jin's Mutter, so gut es geht, ohne durch meine Schluchzer, die immer noch meinen Körper durchschütteln, unterbrochen zu werden, deutlich zu machen, dass ich einfach nur zu Jin will.

Sie schaut mich immer noch mit offenen Mund an und schickt mich nur nach oben. Verübeln kann ich es ihr nicht, schließlich begegnet man nicht allen Tagen einem heulenden Jungen. Ich will auch gar nicht wissen, wie scheiße ich wirklich aussehe.

Ich stürme die Treppen hoch und ohne zu klopfen reiße ich die Tür von Jin's Zimmer auf. "Mum, wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du klopfen sollst?" empört dreht sich Jin, der bis eben noch auf dem Bett, mit dem Handy in der Hand gelegen hat, um, aber als er mich aufgelöst und mit klappernden Zähnen im Türrahmen stehen sieht, springt er ohne weiteres auf und nimmt mich nur in den Arm.

Dafür liebe ich meinen besten Freund; er versucht nicht sofort mich auszuquetschen, sondern hält einfach mal die Klappe. Langsam schließt er die Tür und bewegt sich, immer noch mit mir im Arm, zum Bettende, wo wir uns beide niederlassen. Er streicht mir beruhigend über den Rücken und tatsächlich wirkt diese Geste, da ich zumindest aufhöre zu schluchzen.

Es tut gut, mal wieder eine richtige Umarmung genießen zu dürfen. Die Letzte hatte ich von meinen Bruder am jenem Abend. Meine Eltern versuchen ihn seitdem von mir fernzuhalten, was zum unserem Leidwesen funktioniert. Wir sehen uns zwar jeden Tag, was ja auch so gut wie unvermeidlich ist, aber immer wenn ich ihm durch die Haare wuscheln oder ihm meine brüderliche Zuneigung schenken will, kommt entweder ein böser Blick von meinen Eltern oder meine Mutter denkt sich irgendeinen Grund aus um Jihyun von mir wegzuschicken, wie zum Beispiel nach Post zu schauen oder eine fehlende Soße für das Essen auf den Tisch zu stellen.

Als ich mich etwas beruhigt habe, schenke ich Jin einen entschuldigenden Blick, da ich auf Grund meiner Tränen einen nassen Fleck auf seinem Pulli hinterlassen habe.

"Jimin, magst du mir erzählen, was los ist?" fragt er mich, während er sich nach seinem Nachttisch ausstreckt um mir von dort ein Taschentuch zu reichen. Nachdem ich meine Nase geschnaubt habe und noch ein letztes Mal geschnieft habe, erzähle ich ihm schließlich, was mich so durcheinander gebracht hat.

Eigentlich ist es selten, dass ich weine und auch selten, dass ich meine Gefühle so zeige, denn mir ist das im Nachhinein immer peinlich so in Tränen ausgebrochen zu sein, aber Jin kann ich vertrauen und nach einer so langen Freundschaft brauche ich mich vor ihm auch nicht mehr schämen.

Während ich ihm also von der Situation seit letztem Freitag berichte, streicht er mir immer wieder beruhigend über den Rücken, was mich erfolgreich davon abhält erneut in Tränen auszubrechen. "..und jetzt wollen sie mich für ein Jahr weit weg von hier schicken. Jin, was soll ich denn irgendwo anders, ohne dich, in einer völlig neuen Umgebung? Ach hätte ich meinen Eltern doch nie was davon erzählt." Verzweifelt vergrabe ich meinen Kopf in meinen Händen und reibe mir mit den Handballen über meine verheulten Augen.

"Nix da, hätte hätte Fahrradkette. Oder Hakuna Matata. Es ist zwar echt mies, doch das wird schon wieder. Aber Respekt, dass du dich getraut hast, das deinen Eltern zu erzählen. Das grenzt ja schon am Selbstmord. Hoffentlich beruhigen die sich wieder, ich will dich nämlich auch ungern gehen lassen." redet Jin wild drauf los, und bringt mich sogar leicht zum schmunzeln.

Nach einer erneuten Umarmung von meinem besten Freund entschließen wir uns dann ein wenig zu zocken, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Schließlich haben wir auch nur noch eine Woche zusammen, doch daran habe ich meine Gedanken im Moment schon genug verschwendet.

Zu Hause komme ich selten in den Genuss, mich mit irgendwelchen elektrischen Geräten, mit Ausnahme von meinem Handy, zu beschäftigen, da es mir und meinen Bruder nicht erlaubt ist mehr als zwei Stunden am Tag mit solch einem 'Krimskrams', wie mein Vater meinen Laptop & Co. gerne bezeichnet, zu verbringen. Dabei ist doch er derjenige, der jeden Abend vorm Fernseher sitzt und sich den Schrott, der heutzutage im Fernsehen läuft, reinzieht.

***

Spät am Abend verabschiede ich mich schließlich von Jin's Eltern und gehe mit Jin zusammen durch die Haustür, da er darauf bestanden hat mich nach Hause zu bringen. Ich zitiere: "Wer weiß schon, was dich in deinem jetzigen Zustand alles wegschnappen könnte, mein Mochi." Ich sag ja; er verhält sich wie eine Mutter.

Als wir dort sind, verabschiedet er sich nochmal mit einer Umarmung, statt eines Handschlags und, nachdem er mir ein aufmunterndes Lächeln zugeworfen hat, verschwindet er in der nächsten Seitenstraße.

Leise öffne ich die Tür, schleiche mich nach oben, was dieses mal super und ohne Stolpern funktioniert, da meine Mutter und mein Vater vor dem Fernseher sitzen, welcher laut durch die untere Etage schallt, und begebe mich in mein Zimmer. Nachdem ich meine Zähne geputzt habe und mir mein Schlafanzug angezogen habe, lasse ich mich in mein Bett fallen und kuschele mich in meine Kissen.

Langsam lasse ich den Tag im Kopf nochmal Revue passieren und könnte schon wieder heulen, wenn ich daran denke, dass ich ja in einer Woche schon hier weg muss.

Als ich kurz vorm einschlafen bin, höre ich aber schwere Schritte auf der Treppe und kurz darauf meine Zimmertür, die sich leise öffnet. Ich reagiere darauf nicht, denn ich habe natürlich keine Lust mir eine weitere Moralpredigt von meinen Eltern anhören zu müssen, aber zu meiner Überraschung ist es nur meine Mutter, die sich zu mir an die Bettkante setzt und anfängt, leicht über meine Wange zu streicheln.

Als sie anfängt, leise zu reden, unterbricht sie ihre Streicheleinheiten nicht: "Ach Jimin-Schatz, wir wollen doch nur das Beste für dich." Ich versuche ein empörtes Schnauben zu unterdrücken, doch der nächste Satz treibt mir die Tränen in die Augen. "Ich hab dich sehr lieb. Vergiss das nicht." flüstert sie und gibt mir daraufhin einen Kuss auf meinen Haarschopf.

Am liebsten würde ich aufspringen und mich an sie klammern, als sie aufsteht, um mein Zimmer zu verlassen, aber das lässt mein Stolz nicht zu und so warte ich einfach nur bis sie die Tür hinter sich geschlossen hat um dann meine Tränen stumm frei zu lassen, die jedes Mal mit einem kleinen 'Plopp' auf mein Kopfkissen tropfen, wie Regentropfen, die auf die Erde fallen und dort im Boden versinken.

words: 1117

just one yearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt