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"Du bist so ein Arschloch",zischte ich. Mein Kopf wurde ruckartig zur Seite geschleudert, als die Handfläche meines Vaters auf meine Wange traf. "Reiß dich zusammen!",schrie er. Ich rannte in mein Zimmer und sperrt hinter mir zu. Gerade als ich das Schloss hörte, wie es sich in den Türrahmen schob, drückte mein Vater von außen den Griff nach unten und rüttelte daran. "Komm raus!",schrie er. "Lass gut sein",hörte ich die hohe Stimme seiner Freundin. Mit ihr komme ich gut klar. Sie ist nett und viel zu gut für meinen Vater, obwohl sie sich am Anfang wie ein Flittchen benommen hatte. "Ich rede mit ihm",meinte sie.

Nur wegen ihr hat mein Vater das Sorgerecht bekommen. Peter und Sebi hatten alles versucht. Als schon erwachsene Geschwister hatten sie zwar große Chancen, aber mein Vater bekam immer das, was er wollte. "Manuel, lässt du mich bitte herein?",fragte sie sanft. "Ist er weg?",fragte ich ängstlich. "Ja",meinte sie nur. Ich schloss naiv auf und starrte sofort in sein Gesicht. Sie hatte mich noch nie angelogen. "Pack deine Sachen!",befahl er streng. "Warum?",erwiderte ich mutig. "Pack!"

Ich gehorchte, denn es blieb mir nichts anderes ürbig. Ich hätte höchstens noch einem Schlag bekommen können. "Sie fährt dich in ein Internat",meinte er nur, als ich ins Auto seiner Freundin einstieg. Ich hatte meine wenigen Sachen in eine große Reisetasche gepackt. Mein Vater hatte mir sämtliche Spiele verboten, die mir meine Mutter gekauft hatte, er hatte mir Andenken aus Urlauben, Besuchen in Frezeitparks oder an andere Familienmitglieder verboten. Ich hatte nur noch ein Foto von meiner Mutter, Peter, Sebi und mir, das ich versteckt hatte.

"Aber meine Freunde!",schrie ich, "Ich habe mich noch nicht von ihnen verabschiedet. Ich kann doch jetzt nicht einfach gehen! Vater!" Ich war schon wieder den Tränen nahe. Meine Hand zitterte. Er drehte sich um und ging wieder ins Haus. "Nein, du musst mich zu ihnen fahren! Ich kann nicht einfach so gehen!",rief ich aufgregt und wollte mich abschnallen und aus dem Auto springen, aber da fuhr sie schon los und ich hatte zu große Angst, was passieren könnte, wenn ich mich jetzt abschnallte.

"Ich habe ihm das mit dem Internat eingeredet. Ich konnte es nicht ertragen, wie er dich geschlagen hat",gestand sie im Auto. "Danke, schätze ich",erwiderte ich unbeeindruckt. "Dort wird es dir besser gehen. Du brauchst nur noch drei Jahre dort verbringen, dann kannst du zu Peter und Sebastian oder irgendwo anders hin. Ich versuche dir so viel Geld wie möglich beiseite zu legen. Ich habe dir auch ein Konto eingerichtet. Aber nimm das Geld nur im Notfall. Wenn wir angekommen sind gebe ich dir alles nötige.  Sachen wie Laptop oder zweite Bettwäsche und so weiter bekommst du morgen. Ich packe wirklich alles nötige ein und komme dann morgen Abend ",erklärte sie. Das ging mir alles zu schnell. Es fühlte sich an wie eine Flucht.

Ich versuchte das Thema zu wechseln, damit ich das gesagt durchdenken konnte. "Warum bist du eigentlich bei ihm? Er behandelt dich doch auch nicht gut",fragte ich. "Liebe",war ihre einfache Antwort. "Ich liebe ihn über alles auf der Welt. Zwar nehme ich es ihm übel, wenn er dich schlägt, aber ich liebe ihn und dann verzeihe ich ihm alles." Sie sah konzentriert auf die Straße. Wir bogen gerade in eine Autobahn ein. "Wie lange müssen wir fahren?",fragte ich. "Noch zwei Stunden." Zwei Stunden in meiner persönlichen Hölle... Unbewusst verstärkte ich meinen Griff, um die Halterung an der Tür. "Und wie war das? Du hast mir ein Konto erstellt?" "Ja, die bekommst deine Karte, wenn wir da sind. Ich versuche so viel Geld wie möglich darauf zu überweisen. Ich will, dass es dir gut geht." "Warum tust du das?",fragte ich. "Ich weiß, wie es dir geht und ich will nicht, dass du das gleiche durchleben musst wie ich. Sei froh, dass du kein Mädchen bist, denn dann hätte dich dein Vater schon längst vergewaltigt." Erschrocken sah ich sie an. "Woher willst du das wissen?",fragte ich. "Er hat es mir gesagt."

Anschließend stellte sie den Radio an, was das indirekte Zeichen dafür war, dass sie nicht weiter reden wollte. Ich lehnte meinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe. Draußen zogen dunkle Wolken über den Himmel. Es waren wenige Autos auf der Schnellstraße, was mich beruhigte. Seit dem Unfall vor einem Monat wurde ich immer nervös, wenn die Straßen voll waren. Immer, wenn man an einer Kreuzung oder Abzweigung vorbeifährt, zuckte ich automatisch zusammen. Meine Handfläche hatten immer begonnen zu schwitzen und ich versuchte panisch den Überblick zu bekommen.

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"Die Schule wird schön, Manuel",meinte sie irgendwann, als Nachrichten kamen. "Ohne meinen Freunden ist gar nichts schön",jammerte ich. "Du wirst Neue finden." "Sie werden es mir nie verzeihen, wenn ich so plötzlich abhaue. "Dann ruf sie doch jetzt an. Es ist Sonntag, da sollten die meisten um 12 Uhr auf sein",meinte sie. Ich nickte nur und zog mein Handy aus der Hosentasche. Zitternd wählte ich die Nummer von Taddl, wie wir ihn nannten, und hielt meine Telefon ans Ohr.

"Jo, Manu, was geht?",fragte er. "Naja, nicht viel",begann ich. "Brauchst du wieder Hilfe bei Mathe?",fragte Taddl lachend. "Das wär schön",seufzte ich. "Was? Warum?",fragte Taddl besorgt. "Ich werde am Montag nicht in die Schule kommen",beichete ich ihm. "Machst du blau?",fragte er. "Nein, ich...ich",stotterte ich, "Ich- also mein Vater- ich." Ich überlegte kurz. "Bist du bei Ardy, Taddl?",fragte ich ihn. "Jo." "Hört er zu?" "Ne, warte ich stell auf laut",meinte Taddl.

"Hey Manu",begrüßte mich Ardy. "Hey",hauchte ich. Ich atmete nochmal kurz tief durch. "Ardy, Taddl, ich werde morgen nicht in die Schule kommen, weil-" "Weil du keinen Bock hast?",unterbrach mich Ardy. "Alter, Ardy. Lass ihn doch ausreden!",befahl Taddl lachend. Ich lachte nur gezwungen mit. "Nein, ich gehe nicht mehr auf die Schule",sagte ich es schnell.

"Was?!",riefen die beiden gleichzeitig. "Hä?",fragte Ardy. "Das ist nicht dein Ernst",rief Taddl. "Doch, ich werde auf ein Internat gehen." "Manu, aber warum hast du uns das nicht schon früher gesagt?",fragte Taddl. "Dann hätten wir uns noch ein paar schöne Tage gemacht, dir einen klar gemacht und gefeiert bis zum geht nicht mehr." "Weil ich es erst heute erfahren hab. Tut mir leid, Jungs",seufzte ich. "Hey kein Problem. Hat ja dein Vater so beschlossen und wenn du es auch erst heute erfahren hast, geht es dir ja genauso wie uns",meinte Ardy. Taddl sagte nichts mehr. "Ja ähm, dann Tschüss Leute",verabschiedete ich mich, "ich muss noch Lissy anrufen." "Tschau",meinten beide. Taddl klang dabei wenig erfreut.

Bei Lissy erzählte ich es erst ganz zum Schluss, nachdem sie mir von ihrem Date mit einem Jungen erzählt hatte. Sie klang dabei so glücklich, dass ich es ihr gar nicht erzählen wollte. "Was?!",hatte sie gerufen, "Aber ich brauch dich doch noch. Du bist mein bester Freund. Wohl gemerkt der einzige. Du kannst mich doch jetzt nicht alleine lassen!" "Aber du hast doch noch Taddl und Ardy. Versprich auf sie aufzupassen!" "Man, Manu!" Ich wusste nicht, wie oft ich mich entschuldigt hatte bis Lissy das Thema wieder wechselte und von ihrem Referat sprach  das sie am Montag halten sollte.

"Naja, wenigstens eine Person weniger, die im Publikum sitzt. Ich ruf dich morgen früh an, damit du mich beruhigen kannst. Tschüss",meinte sie zum Schluss. Ich lachte nur und erwiderte eine leises "bis morgen".

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(1238 Wörter)
So btw: Die Freundin des Vaters sowie der Vater als auch die Mutter von Manu werden nie einen Namen bekommen, sonst müsste ich mir noch mehr Namen merken

When your dreams all fail...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt