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Montag war ein langweiliger, ereignisloser Tag. Nachdem wir unseren Stundenplan abgearbeitet hatten, aßen wir zu Mittag und machten unsere Hausaufgaben. Genau wie am Dienstag. Ich saß am Tisch und aß meine Nudeln zu Mittag. Beim Anblick welchen Spaß Patrick am Nachbartisch hatte, verging mir der Appetit. Ich konnte ihn gleich wieder vergessen, er war unerreichbar. Wie sollte so jemand wie ich, der Tag ein, Tag aus stumm dasitzt, nichts sagt und generell schüchtern ist, Anschluss zu jemandem finden, der immer im Mittelpunkt steht, das genießt und sowieso der Star der Schule ist? Ich stützte meinen Kopf auf meine flache Hand und beobachtete ihn. Patricks Haare glänznten im Sonnenlicht, die duch die bodentiefen Fenster schien. Es bildeten sich leichte Grübchen, als er lachte. Seine Augen strahlten pure Freude aus. Er hatte genau das, wonach ich mich sehnt. Sich selbst und ein beschwerloses Leben.

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"Manu, kommst du heute wieder ins Training?",fragte Stegi auf dem Weg zu den Klassenräumen, wo wor unsere Hausaufgaben machen mussten. "Ähm..ja",antwortete ich leise. "Schön",meinte er noch und lächelte mich an. Ich zuckte nur kurz mit den Mundwinkeln.  "Nur so zur Info, danach machen wir eine Party. Wenn du kommen willst..",er ließ den Satz offen, da sich jeder denken konnte wie er endete. Ich nickte nur. Partys waren ja schön und gut, aber nur mit Taddl und Ardy. Ohne ihnen machte es keinen Spaß. Das ständige in den Club schleichen war mit ihnen einfach am lustigsten. Ardys Mutter war Inhaberin Zweier. Da konnten wir ab und zu mal hinein. Die anderen Male waren wir ohne ihre Kenntnis tanzen gegangen.

Damals war ich auch schon nicht der Typ dafür, auf der Tanzfläche herumtanzen. Ich saß lieber an der Bar und sah anderen zu. Das war auch der Grund, warum ich meine Jungfräulichkeit noch hatte und Taddl zum Beispiel nicht mehr. Bisher hatte ich ein mal einen Rausch. Daheim saß ich dann lange vorm Klo und kotzte mir die Seele aus dem Leib. Meine Brüder lachten mich aus und meine Mutter war nicht begeistert. Trotzdem überließ sie mir die Entscheidung, ob ich das nochmal riskieren wollte. Allerdings hätte sie mir dann kein neues T-shirt gebracht, weil das alte meinen Mageninhalt abbekommen hatte, oder ein Glas Wasser und Kopfschmerztabletten. Seitdem tranken nur noch Taddl und Ardy, aber auch sie hielten sich in Grenzen. "Ihr seid so dumm!",hatte Lissy gerufen, als ich es ihr erzählt hatte. "Das ist doch Gift!" Ardy und Taddl schauten schuldbewusst zu Boden, da Lissy sehr sehr wütend werden konnte. Ich hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt, damit sie sich beruhigte. "Ihr seid so unverantwortlich!"

Dadurch war sie tatsächlich eine bessere Mutter, als unsere echten Mütter zusammen. Und irgendwie ist sie das immer noch. Sie bewahrt uns vor Dummheiten. Ohne sie hätte ich ausprobiert, wie es ist zu rauchen. Damals war ein Junkie auf mich zugekommen. Er bot mir etwas grasähnliches an. Ich überlegte zu lange, obwohl Lissy neben mir gestanden hatte. Als sie meinen interessierten Blick gesehen hatte, meinte sie:"Du hast sie doch nicht mehr alle!" Und zog mich an meinem Ärmel weiter.

"Kapierst du diese Aufgaben?",fragte mich Dado. Er deutete auf das Buch. Ich sah es mir an und wusste sofort die Lösung. Bei meiner alten Schule waren wir ein wenig schneller, weshalb ich mich zur Zeit recht leicht tat mit dem Stoff. Ich erklärte sie Dado schnell. "Ach man, Mathe ist zur Zeit nicht meins",seufzte er. "Das wird wieder besser",versicherte ich ihm. Nach den Hausaufgaben packte ich meine Sachen für das Training und ging zu der Umkleidekabine. Ich war der erste,  was mir nur Recht war, und zog mich um. Schon nach kurzer Zeit kamen Tim und Stegi.

"Hey",begrüßten sie mich gleichzeitig. "Hi",murmelte ich und fummelte an meinen Schuhen herum. "Und kommst du heute?",fragte Tim. "Wahrscheinlich",meinte ich. "Eigentlich musst du. Wir haben am Samstag unser erstes Turnier. Das ist sowas wie Tradition",bemerkte Stegi. "Alle kommen. Die Mannschaft und deren Freunde. Von uns aus kannst du auch Maurice mitbringen." Ich zuckte nur mit den Schultern und setzte mich auf die Bank. Langsam kamen immer mehr Leute in die Umkleidekabine. Alex, Sebastian, Felix und Patrick gingen nacheinander durch die Tür, zogen sich um und rannten wieder raus. Ich schrieb derweil Lissy und versuchte so unauffällig wie möglich ein Foto von Patrick zu machen,  um es ihr zu schicken.

"Hübsch, wirklich hübsch",meinte sie daraufhin. Ich kicherte leise vor mich hin und starrte die ganze Zeit auf das Foto. Ja, er war unglaublich hübsch. "Du musst doch jetzt ins Training",schrieb Lissy. Schnell schrieb ich ihr ein "Stimmt" zurück und sprang auf, während ich nach meiner Wasserflasche griff. Rechtzeitig kam ich am Platz an. Der Trainer kam gerade auf alle zu und rief sie zusammen. "Ihr wisst es ja. Am Wochenende gibt es ein Turnier. Und zwar auch gegen unseren Erzfeind. Das bedeutet, ihr konzentriert euch auf das Spiel. Aufstellung wie immer, Alex, Manu auf der Bank.", wir nickten," Und jetzt will ich ein schönes Training sehen. Tim, fang an!"

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"Gutes Training, Manu",lobte Alex danach. Er selbst hatte sich vor kurzem am Fuß verletzt und spielte deswegen noch nicht mit vollem Einsatz mit, aber auch er hatte sich tapfer geschlagen. Da ich nicht wusste, ob und sie ich darauf antworten sollte, lächelte ich ihn bloß an und trank einen Schluck aus meiner Flasche. "Kommst du heute auch?",fragte er noch. Ich nickte. "Cool, dann sehen wir uns später!" Und schon lief er zu Felix. Im Gegensatz zu Tim und Stegi waren sie so Klischee-beste Freunde. Sie ärgerten sich, spaßten miteinander, flirteten auch, aber eben nur zum amüsieren. Sie stritten praktisch nie. Stegi dagegen himmelte Tim an und dieser schien ihn auch sehr sehr gern zu mögen.

"Ja, okay, ich bin verliebt. Und jetzt",zischte Patrick hinter mir ein wenig zu laut. Ich ging langsamer, um sie besser zu verstehen. "Er hat eine Freundin!" "Ja, ich weiß." Patrick klang niedergeschlagen. "Du hast nie eine Chance." "Aber wenn ich es nicht versuche..." "Rede dir keinen Unfug ein. Außerdem: Weißt du überhaupt, ob er es wert ist?" "Ja, natürlich. Du kennst ihn!" "Vielleicht ist er ja voll das Arschloch!" "Wirklich?" Patrick nahm Sebastians Aussage nicht ernst. "Hm, vielleicht nicht. Hast ja Recht. Erzähl mal, wie du ihn siehst." "Das kann ich nicht",meinte Patrick kleinlaut. Sie liefen an mir vorbei und dann waren sie aus meiner Hörweite.

Ein Schauer lief über meinen Rücken. Er war verliebt. Und zwar nicht in mich. Wie auch? Das hatte mir den ganzen Abend vermiest. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte.

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(1094 Wörter)

When your dreams all fail...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt