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Am Tag vor unserer Abreise hatte Palle ein enges Aktivitätenprogramm für uns. "Ich muss mich ablenken",sagte er, als er mich abholte und in die Küche brachte. Dort war eine Köchin, normalerweise standen 5-7 Leute darin, die unser Essen kochten, aber in den Ferien waren wenige Schüler hier. "Hallo Sonja",begrüßte Patrick diese,"Können wir hier wiedermal Waffeln machen?" "Aber natürlich. Ich habe schon darauf gewartet, dass du kommst. Musst du wieder zu deinen Eltern?",fragte sie mitleidig. "Ja, leider, aber diesemal nehme ich Manu mit. Mal sehen, ob es was ändert",meinte er lächlend. "Ah, Manuel",sagte sie mehr zu sich selbst. "Na dann, Manuel. Herzlich willkommdn in der Küche." "Danke",murmelte ich.

"Also hier haben wir Eier, Mehl, Zucker, Vanillezucker, Backpulver und Milch",sagte Patrick, "Als erstes müssen wir 125 Gramm Zucker abwiegen und die drei Eier reinschlagen",teilte er mir mit. "Machst du den Zucker",fragte ich. "Gut, viel Glück bei den Eiern." Er lächelte mich an. Vorsichtig schlug ich es am Rand der Arbeitsplatte auf undbrach das Ei dann über der Schüssel auf. Keine einzige Schale war drin. Das ist mir noch nie passiert. Nach den anderen zwei Eiern warf Patrick den Zucker hinein. "Ich will ja nichts sagen, aber wenn du jetzt eine Mehlschlacht anfängst, wäre das ziemlich klischeehaft",meinte ich und sah zweifelnd zu seiner hand, die er gerade in der Tüte versenkte. "Wag es nicht",versuchte ich es nochmal. "Ist doch nur Spaß",lachte Patrick und nahm seine Hand heraus. Ich atmete erleichtert aus, bis Patrick seine mehlige Hand an meine Brust legte und sie abwischte. "Das musste jetzt sein?",fragte ich ihn aufgebracht und betrachtete, soweit es ging, meinen schwarzen Pulli, der jetzt einen weißen Abdrucl hatte. "Du könntest dich rächen",erwiederte Patrick

"Im Gegensatz zu anderen hier bin ich nicht kindisch",schnaubte ich. "Was? Ich und kindisch?",rief Palle gespielt beleidigt. "Na gut",meinte ich nur und griff hinter seinem Rücken in die Mehltüte. "Du bist langweilig",bemerkte Palle. Warum merkte er das nicht? Das weiße Pulver lag in meiner Hand, welche ich langsam aus der Tüte nahm. Es raschelte kurz und ich zog die Hand schnell zurück und versenkte den Inhalt meiner Hand in seinem Nacken. "Manu!",rief Patrick erschrocken. Ich lächelte fies. "Wärst du kein Halbwaise wäre ich dir wirklich beleidigt." Ich ignorierte den Halbsatz mit dem Halbwaisen und lachte.

"Ich helfe dir kurz",meinte ich und schüttelte seinen Pulli aus und wischte das Mehl weg. "Danke, das wäre nicht nötig gewesen",erwiederte Palle. "Doch, war es",beharrte ich. "Wir müssen die Waffeln noch fertig machen",meinte Palle.

°°°
Mit frischen Waffeln auf einem Teller machten wir uns auf den Weg in sein Zimmer. Er hatte drei Filme hergerichtet, die wir uns ansahen. Die letzten Tage wechselten wir ständig zwischen Filme schauen, zocken und draußen Basketball spielen. Er brauchte die Ablenkung, denn wenn er diese nicht hatte, war er am nächsten morgen unausgeschlafen und übermüdet. "Schaust du oft Filme?",fragte Palle, während er eine DvD einlegte. "Nicht andauernd, aber schon oft. Auch mit Tadd...Taddeus und Adrian...und Lissy",erklärte ich. Und meiner Mutter. "Also auch oft mit Freunden",schloss Palle daraus. "Mehr oder weniger, ja",meinte ich. Palle startete den Film und wir lehnten uns gemeinsam gegen die Wand. Palle hatte einen Laptop vor uns aufgestellt.

Mitten unter dem Film begann Palle mit einer meiner Strähnen zu spielen. Es fühlte sich unheimlich schön an. Seine Berührungen waren sanft. "Was machst du da?", fragte ich irritiert. "Oh tut mir leid",stotterte Palle. "Kein Problem",meinte ich daraufhin. Er könnte ewig weitermachen, aber das konnte ich ihm ja nicht sagen.
"Darf ich deine Haare mal flechten?",fragte er. "Also ähm",stotterte ich. Das hatte meine Mutter immer gemacht. Ich hatte Angst wieder vor ihm in Tränen auszubrechen. Ich war ein Junge. Ich durfte nicht weinen!

"Das",fing ich an, "Das...meine Mutter...das hatte meine Mutter immer gemacht." Ich sah auf Palles Bauch. Ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen. "Alles okay?",fragte er. Ich verdrückte mir die Tränen. Meine Mutter hatte mir immer genauso zärtlich durch die Haare gestrichen. Sie hatte mich in den Arm genommen, wenn ich Albträume hatte, sie hatte mit mir gebacken...

Plötzlich fühlte ich Patricks Finger an meinem Kiefer. Er verstärkte seinen Griff und drückte meinen Kopf hoch. Ich wusste das meine Augen glasig waren. Ich drückte die Zähne aufeinander und sah ihn ernst an. "Sie hatte dich lieb, Manu",flüsterte er, "Dich kann man nur lieb haben." Das letzte sagte er so leise, dass ich es kaum verstand. Ich strich mir eine Strähne hinters Ohr. "Woher willst du das wissen?",fragte ich und tat so als hätte ich das vorherige nicht gehört.  "Weil es immer so ist."

°°°
Der Tag der Abfahrt kam immer näher. Es waren nur noch drei Stunden bis Mitternacht. Patrick ließ mich in Sebastians Bett schlafen, weil er meinte, er bräuchte jemanden in seiner Nähe. "Gute Nacht, Manu",flüsterte er und drehte sich zur Wand um. Ich blickte quer durch Zimmer an seinen Rücken. Statt auch einzuschlafen, schlatete ich mein Handy an und sah, dass mein Vater mir via WhatsApp geschrieben hatte. Ich solle mal nach Hause kommen, stand in der Nachricht. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich einen Freund auf eine Hochzeit begleiten werde und, dass ich nicht heimkommen will. Soll er mich doch schlagen.

Als ich ein leises Schnarchen vernahm, sah ich auf. Patrick lag auf dem Rücken. Ein Arm lag über seiner Brust, den anderen streckte er über den Bettrand hinaus. Kurz zuckte er. Sein Gesicht wurde vom Mondlicht angestrahlt. Er sah niedlich aus, wenn er schlief. Er zuckte nochmal, schrie heiser auf und schlug die Augen auf. Ich stand schnell aus und war in schnellen Schritten bei ihm. Ich setzte mich vor das Bett auf den Boden und strich ihm über die Schulter. "Das war nur ein Traum, Palle",flüsterte ich. Patrick hatte sich aufgerichtet. "Ich hasse meine Familie",murmelte er. "Leg dich wieder hin und versuch einzuschlafen",rier ich ihm. Ich wollte wieder aufstehen und gehen, aber hielt mich fest. "Bleib bei mir",wisperte er.

Ich lächelte ihn an. Er machte neben sich Platz und ich schlüpfte unter seinen Bettdecke. "Danke Manu",flüsterte er, drückte seinen Kopf gegen meine Brust und schloss seine Augen. Er war schnell eingeschlafen. Mit der Bitte, dass ohne Morgenlatte aufwachte, schloss ich meine Augen, bergeub meine Nase in seinen Haaren und schwebte ins Land der Träume.

When your dreams all fail...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt