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Heute war wiedermal Taschen packen angesagt. Wir mussten zu unseren Familien fahren und ich war wahrscheinlich einer der wenigen, die sich nicht darauf freuten. "Hey Manu",begrüßte mich Palle schwer atmend. "Bist du gerade einen Marathon gelaufen oder was?",fragte ich belustigt und sah zu ihm auf. "Ich brauch jemanden zu dem ich übers Wochenende kann. Meine Familie ist im Urlaub und meine Freunde daheim mögen mich nicht mehr seit ich dich ihnen vorgezogen habe und alle anderen, die ich gefragt habe, haben irgendetwas mit der Familie geplant, wo ich nicht mitkann oder nicht mit will." Er sah mich flehend an. "Ähm",machte ich überfordert. "Bitte." Seine braunen Augen zogen mich in ihren Bann. "Ich denke schon. Wenn nicht, dann kann man dich sicher bei meinen Freunden unterbringen."

Er bedankte sich ausdrücklich und versprach das irgendwann irgendwie auszugleichen, woraufhin ich meinte, dass es doch selbstverständlich wäre. "Dass du irgendwann einmal stirbst ist selbstverständlich, aber dich als besten Freund zu haben. Nein, das ist keinenfalls selbstverständlich",sagte er dann. Ich war ein wenig perplex. "Danke",murnelte ich. "Wann wirst du abgeholt?",fragte er. "Der Zug geht in einer Stunde. Ich bin in 10 Minuten bei dir im Zimmer",erklärte ich. "Ok, ich beeile mich",erwiderte er stirnrunzelnd.

Nach ein bisschen mehr als den besagten 10 Minuten stand ich bei ihm im Zimmer. Er zog gerade den Reißverschluss seines großen Rucksackes zu und schulterte ihn. "Ich bin bereit",meinte er und wir gingen zu zweit zu Mark, um uns abzumelden und uns auf den Weg zum Bahnhof zu machen. "Warum wirst du nicht abgeholt?",fragte Palle nachdenklich. "Warum sollte ich abgeholt werden, wenn der Zug direkt vor meiner Haustür hält?",fragte ich zurück. "Weil das jeder so macht." Ich erhöhte das Schritttempo. "Tja, meine Familie ist eben nicht jeder",stellte ich fest. "Ich weiß ja nichtmal viel über deine Familie. Deine Mum ist tot und mehr?",fragte er. "Mein Papa trinkt...viel. Und er hat eine Freundin, die viel zu gut für ihn ist, aber sie verlässt ihn nicht. Kein Plan warum nicht und von meinen Brüdern habe ich sicher schonmal erzählt",stelle ich meine Familie vor. "Kannst du nochmal von deinen Brüdern erzählen?

"Ähm na gut",stimmte ich verwirrt zu, "meine Brüder wohnen beide, so weit ich weiß in Berlin, studieren und haben beide inzwischen eine Freundin. Sie sind 23 und 21 Jahre alt, also haben sie 6 und 8 Jahre Abstand zu mir. Das liegt daran, weil wir Halbrüder sind. Also der 21-jährige, Peter, ist vom gleichen Vater und Sebastian ist von einem anderen. Aber mir ist das egal. Beide Väter haben die Erziehung verkackt. Wo liegt da groß der Unterschied?"
Er sah mich mitleidig an. "Du tust mir echt leid",meinte er nach einer Pause. Ich nickte nur. "Muss es nicht. Ich bin es nicht anders gewöhnt",meinte ich nur. "Aber hast du denn nie gewundert, warum die Eltern deiner Freunde netter waren als deine?",fragte er. "Klar hab ich das, aber irgendwann ist mir aufgefallen, dass es einfach an der Familienkonstellation liegt. Mein Vater kennt Sebastian nicht als Sohn an, obwohl Mama uns immer so erzogen hat. Vorallem als ich auf die Welt kam. Mein Vater hat ihn immer die Drecksarbeit machen lassen und da hab ich gemerkt, dass es mir im Vergleich noch ziemlich gut geht."

Palle schwieg. "Na gut, ähm..Ich weiß, dass du nicht jedem über deine Familie etwas erzählst und ich weiß das zu schätzen. Ich..Ich kann dir im Gegensatz dazu aich etwas von mir erzählen, das kaum jemand weiß",meinte er stotternd. Was war gerade passiert? Hatte ich tatsächlich Patrick über meine Familie aufgeklärt? Ich mag ihn ja wirklich, wirklich gerne. "Im Zug dann?",fragte ich, weil wir am Bahnhof angekommen waren. "Ja klar",murmelte er. Ich kaufte uns beiden ein Ticket. "Wie viel hat das gekostet", fragte er und kramte nach seinem Geldbeutel, den er kurz darauf in der Hand hielt. "Nicht viel",meinte ich nur und drückte es ihm in die Hand. "Willst du das Geld nicht haben?",fragte er. "Nein, passt schon. Ich hab genug",erwiderte ich und lächelte ihn an.

"Na gut, deine Entscheidung",beschloss Palle und ging zu der Bäckerei am Bahnhof. Ich folgte ihm und hörte, wie er zwei Brezen bestellte. "Kostet zwar nicht so viel, aber was solls",erklärte er und hielt mir eine hin. Ich nahm sie dankend an. Sie war noch warm und wärmte durch die Papiertüte meine von der Novemberluft kalten Fingern. "Der Zug ist schon da. Wollen wir los?",fragte ich. Palle nickte. "Warum holt dich dein Vater nicht von dem Internat ab?",fragte Pat erneut. "Das sagte ich doch schon. Wir wohnen in der Nähe des Bahnhofs und die Züge fahren praktisch im Stundentakt",erklärte ich. "Bist du sicher, dass das der einzige Grund ist?",fragte er. In mir sammelte sich die Wut. Warum musste er noch tiefer in meine Wunden greifen. Ich hatte ihm schon alles gesagt. "Er interessiert sich eben nicht für mich und will nur dieses beschissene Kindergeld für sich, damit er sich Alkohol kaufen kann",zischte ich und beschleunigte mein Schritttempo. Palle musste ein paar Schritte laufen, um mich wieder einzuholen. "Bist du von irgendwem bezahlt worden, dass du meinen Psychater spielst oder was?" Meine Stimme war voller Wut. Mein Herz klopfte und ich hatte die Zähne aufeinandergebissen. Das war schon eher ich. Denn wenn man mich auf meine Familie anspricht, werde ich oft zickig und...wütend. "Tut mir leid",flüsterte er.

Da war wieder der Palle, dem ich nie beleidigt sein könnte. Allein dieses 'Tut mir leid' in seiner Stimmlage, die er annahm, wenn er wusste, dass er im Unrecht war, war zu niedlich. "Nein mir tut es leid. Sprich einfach meine Familie nie wieder an",schlug ich vor. "Na gut",gab er sich geschlagen. Schweigend gingen wir zum Zug und stiegen ein. "Wie wär's mit dem Vierer?",fragte Palle und deutete auf einen Platz. Das Abteil war noch leer, was nicht verwunderlich war, denn wir hatten noch 10 Minuten bis der Zug fuhr. Ich nickte und setzte mich hin. Palle setzte sich mir gegenüber hin und sah mich an. "Ist wirklich alles okay?",fragte er. "Ja, klar. Warum nicht?",fragte ich zurück. Er zuckte nur mit den Schultern. "Du siehst so traurig aus",meinte er. "Das ist die Aufregung",erwiderte ich. In Wahrheit war es allerdings der Fakt, dass viele einfach eine bessere Familie hatten und ich tatsächlich eifersüchtig auf das Leben anderer war. Und das war keine schöne Charaktereigenschaft.

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Ich habs wiedermal verpennt, aber ich schreibe gerade wieder vor und brauche nur noch 3 Kapitel. Und ich weiß ja nicht, ob es jemand wissen will, aber es wird...ok Ich sag's nicht xD es wird legendär...nicht.
You will see...

When your dreams all fail...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt