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"Und was macht der Spießer hier?",fragte ein Junge mit einem typischen Undercut und blondierten Haaren. Ich hörte wie Patrick neben mir tief einatmete. Ich realiesierte erst zu spät, was er sagte. "Erstens ist Manu kein Spießer",verteidigte mich Palle, "und zweitens ist er mein Fake-Freund." Der Blondie sah ihn stirnrunzelnd an. "Dein Fake-Freund?" "Ja." "Aha." Seine Stimme klang desinteressiert oder eher abstoßend. "Alter, lass ihn doch",verteidigte ein Mädchen Patrick. Der blonde Junge gab einen verachtenden Laut von sich und wendete sich ab.

"Mich freut es, das du dich mal wieder blicken lässt",meinte das Mädchen. "So ein Schwuchtel",hörte ich einen der anderem rufen. Ich fühlte mich unwohl und das zeigte ich scheinbar auch, denn Patrick nahm meine Hand und drückte sie sachte. "Seit wann bist du so Schwulenfeindlich?",fragte er wütend. "Seit so ein kleiner Knirps uns den Freund zum saufen wegnimmt",meinte dieser. "Können wir gehen?",fragte ich leise. "Klar",flüsterte Palle und zog mich schnell hinter sich her, weg vom Spielplatz.

"Tut mir leid",entschuldigte Palle sich. Seine braunen Augen glänzten dabei und er sah unbeschreiblich knuffig aus. Ich musste ein wenig Lächeln, aber verdrückte es mir schnell wieder. "Was ist so lustig?",fragte er. "Ach nichts, ich musste nur...ich...musste mur daran denken, als ich meinen Freunden jemand anderes vorgestellt habe",log ich. "Na gut",meinte er schulterzuckend. "Und das ist kein Problem",meinte ich noch. "Echt?" Ich nickte. "Ich höre das oft",erklärte ich. "Was?! Warum? Du bist doch gar nicht schwul",wand Palle ein. Ich habe Scheiße gebaut.

"Nein, das nicht. Also...hm..anscheinend sehe ich so aus",erfand ich. "Ach so." "Ich kann deinen Touristenführer spielen. Jeder, der mal in Hamburg war, sollte den Fischmarkt gesehen haben. Und die Elbphilharmonie",schwärmte er. "Klar, aber können wir davor irgendwas essen?",fragte ich grinsend. Er lachte kurz auf, hielt sich den Bauch und sagte:"Ja, ich habe auch schon wieder Hunger."

"In der Nähe gibt es eine gute Pizzeria, die kaum jemand kennt",schlug er vor. "Okay, gern. Aber ich habe halt kein Geld dabei",gestand ich. "Ach, ich zahle. Das ist doch kein Problem." "Ich gebs dir auch wieder zurück",versprach ich. "Das muss nicht sein, Manu",wiedersprach er mir. Wir bogen in eine große Seitenstraße ein, wo sich ein kleiner Supermarkt befand. "An der nächsten rechts und wir sind da",meinte Palle. Er hatte Recht. Das Restaurant sah von außen einladend aus, aber es saßen kaum Leute draußen, obwohl das Wetter ziemlich schön war.

"Patrick!",begrüßte einer der Kellner uns," schön, dass du wieder da bist. Wen hast du denn mitgebracht?" "Das ist Manuel",sagte er stolz und griff nach meiner Hand. "Ein tolles Paar seid ihr",grinste er, "setzt euch doch." Wir setzten uns an einen Tisch, abseits von der Straße. Ich griff nach der Speisekarte und blätterte ein wenig durch. "Und was nimmst du?",fragte Palle. "Margarita",meinte ich. "Warum Margarita. Nimmst du das immer?" Ich nickte, während ich mir die Nudelgerichte durchlas. "Du könntest doch auch mal etwas neues probieren?" "Ich habe sehr viele Allergien",erklärte ich ihm, "nachgewiesen sind nur Apfel und Kirsche, aber ich habe Angst einfach mal etwas zu essen und dann wie ein Kugelfisch aufzuschwellen."

"Ach so",er sah mich mitleidig an, "Willst du nicht Allergietests machen?" "Dafür bräuchte ich einen Erziehungsberechtigten. Mein Vater wird das mit Sicherheit nicht tun",erklärte ich. "Das ist blöd." Blöd, ja... "Ich würde dich aber auch noch als Kugelfisch mögen",nuschelte Palle. Ich sah von der Karte auf, mein Herz klopfte und ich atmete eimmal tief ein. Patrick wurde rot, aber lächelte mich an. Ich lächelte einfach zurück und tat dann so als würde etwas sehr wichtiges in der Speisekarte stehen. "Darf ich euch schonmal etwas zu trinken bringen?",fragte der Kellner. "Ähm ja. Ein Wasser bitte",bestellte Palle. Ich sah ihn überfordert an und brachte nur ein "das gleiche" heraus.

"Hattest du schonmal..einen Freund?",fragte ich, als der Kellner ging. "Ja, kurz. Sehr kurz, aber ich will nicht darüber reden",meinte Palle. Ich merkte, wie unangenehm ihm dieses Thema war. "Ach so",erwiederte ich. "Ich weiß noch, wie wir hierhergezogen sind",begann er. "Am ersten Tag konnten wir noch nichts kochen und wir kannten uns hier kaum aus, also sind wir einfach durch die Straßen gegangen, bis wir diese Pizzeria gefunden hatten. Und seitdem sind wir zu keiner anderen Pizzeria gegangen. Ich hatte hier auch schonmal einen Ferienjob und werde in den Sommerferien wieder hier arbeiten. Es ist toll hier." Ich nickte verstehend.

"Hattest du einen Ort, wo du dich wohlhefühlt hast?" Er sah mich interessiert an. "Bei Lissy",murmelte ich. Seine Miene verhärtete sich und er sah sich um. "Ach ja",sagte er schließlich, "Warum denn?" Es klang provokanter als es sollte. "Zuhause war es nicht schön. Mein Vater ist kein Vater. Bei Taddeus und Adrian ebenfalls. Nur Lissy hatte eine wirklich nette Mutter und einen verständnisvollen Vater, der kaum zuhause war. Sie waren soetwas wie meine Ersatzfamilie. Bevor meine Mutter starb, mochte ich mein Zimmer wahrscheinlich noch lieber. Dort war ich alleine. Viele Menschen machen mich müde und sind anstrengend."

"Wir haben beide ziemlich verkorkste Eltern",fasst Palle zusammen. Ich konnte ihm nur zustimmen. "Deswegen sind wir im Internat. Weil wir zuhause nicht gebraucht werden",ergänzte ich. Scheinbar hatte ich damit einen wunden Punkt getroffen. "Ja",nuschelte Patrick mit brüchiger Stimme, "Kinder sind eben nicht für jeden etwas."

When your dreams all fail...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt