Alle schauten mich erschrocken an. „Sorry", murmelte ich auch wenn es mir alles andere als leid tat. Vielleicht hörten sie jetzt endlich auf mich anzustarren. Es funktionierte. Newt und Milla führten ihr Gespräch weiter, was meistens „Ich liebe dich" und ein paar Küsse beinhaltete, während ich und Emelie eine hitzige Debatte über Frau Fischer begannen. Emelie glaubte immer noch fest an das Gute in ihr, während ich wegen ihrer Strenge gefühlt schon graue Haare bekommen hatte. „Na ja... sie meint es doch nur gut", war Emelies häufigstes Argument. „Sie ist die einzige Lehrerin, die es für nötig hält, zehn Millionen Strafarbeiten pro Schulstunde zu vergeben. Und du weißt, dass ich aus Erfahrung spreche. Dich liebst sie." „Ist gar nicht wahr!", protestierte sie. „Och nee. Ich muss in Erdkunde noch mein Referat über Ignis halten.", erinnerte sich Milla. „Warum müssen wir so was eigentlich wissen, wenn wir Terra eh nie verlassen werden?", jammerte sie. Milla wollte nach ihrem Schulabschluss sich den Heilerinnen anschließen, die unten in der Stadt wohnten. Die Stadt trug den gleichen Namen wie unsere Schule, Supay, doch keiner nannte sie so. Dort wohnten alle anderen Blütenmenschen, die die Schule abgeschlossen hatten. Ich schaute sehnsüchtig Richtung Berge, die sich hinter dem See erstreckten. Noch eineinhalb Jahre, dann durften wir das Schulgelände verlassen und in die Stadt ziehen oder sich hier zum Lehrer ausbilden lassen. Ich fragte mich, wie groß Terra wohl war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass ein endloser Dschungel uns Jenseits des eingegrenzten Gebiet erwartete. „Was meinst du was wohl hinter dem Bergen liegt?", wollte ich verträumt wissen und starrte auf die Berggipfel. Milla zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Ist doch auch egal." „Wie kann dir so was egal sein?", bohrte ich neugierig nach. „Warum sollte ich das wissen müssen? Solange ich meine Nase in Bücher stecken kann, habe ich genügend Welten für ein ganzes Leben." Ich konnte es nicht fassen. Klar, ich hatte mich mit meinem Schicksal abgefunden. Aber meine Sehnsucht konnte man nicht einfach ausschalten.
Ich verkniff mir einen weiteren Kommentar. Millas Meinungen zu Dingen waren unerschütterlich. Und eigentlich hatte sie auch irgendwie Recht. Wozu sollte man immer nach größerem streben, wenn man mit dem glücklich sein konnte, was man hatte? Milla verstand dies nicht. Und auch ich sollte es bei den derzeitigen Zuständen belassen. Seufzend riss ich meinen Blick von den schneebedeckten Gipfeln, die in Sternenlicht zu leuchten schienen. Es war gut so. Ich hatte tolle Freunde, ein Dach über den Kopf, und bald auch eine anständige Schulausbildung. Meine Noten in Biologie hatten sich erheblich verbessert, seit wir die Flora und Fauna von Ignis, der Welt des Feuers, durchnahmen. Endlich hatten wir etwas über die sieben Welten gelernt, welche wir gerade in Erdkunde durchnahmen. Ignis, die Welt des Feuers. Dort waren Drachen und Reptilien zuhause, die sich in der Gegenwart von Vulkanen pudelwohl fühlten. Dann gab es noch Aqua, Welt des Wassers. Nixen, die mehr Fisch als Mensch waren, bevölkerten dort das endlose Meer. Über die anderen Welten, Aer, Lux, Obscuritas, Tempus und schließlich in der Welt, in der wir wohnten, Terra, hatten wir im Unterricht noch nichts erfahren. Trotz allem schienen langsam alle Fächer das Thema sieben Welten aufzugreifen. Angefangen mit Biologie, wo wir Drachen von Ignis und die Meerjungfrauen von Aqua durch genommen hatten und jetzt Ignis behandelten. In Erdkunde hatten wir mit Allgemeinwissen begonnen. Und in Geschichte würden wir mit dem Thema frühestens am Mittwoch beginnen, da wir morgen noch eine Arbeit über die Demokratie im alten Griechenland schreiben würden. Ich seufzte bei den Gedanken.
Die „normalen" Themen in der Schule verhalfen mir nicht gerade zu Bestleistungen. „Morgen ist Montag.", sagte Milla und holte mich damit zurück ins hier und jetzt. „Ich glaube wir sollten zurück gehen."
„Erinnere mich bitte nicht daran dass ich morgen die Geschichtsarbeit verkacken werde!", jammerte Newt. Da war ich ganz Millas Meinung. Die kunterbunte Uhr über den Esstisch zeigte zehn Uhr an. „Milla hat recht, Newt. Schau dir den Stoff einfach nochmal vor dem Schlafen gehen an. Das wird schon.", meinte ich beschwichtigend und klopfte ihm sachte auf die Schulter. Ich stand auf. „Lass das Zeug noch in die Spülmaschine packen und dann von hier verschwinden.", entgegnete Milla und erhob sich ebenfalls. „Hast du kein sich von selber säuberndes Geschirr erschaffen?", seufzte Newt. „Nein.", grinste ich. „Bei der nächsten Gelegenheit können wir es ja ergänzen."
„Wir haben es ja gleich, mein Herzblatt.", tröstete Emelie. „„Nur ich darf ihn so nennen.", protestierte Milla gespielt beleidigt und verschränkte zur Demonstration die Arme vor der Brust. Wir mussten alle wieder grinsen. Ich half Emelie die Teller einzusammeln. Wir stapelten sie aufeinander und steckten sie in die Spülmaschine. Schließlich machten wir uns auf den Weg nach Hause. Milla hatte keinen Bock mehr zu Schwimmen, weshalb Emelie sie flog. Im Gegensatz zu ihr wollte ich endlich ins Wasser. Ich zog mir meinen Bikini wieder an. Ich nahm Anlauf und sprang vom Deck. Ich durchbrach die Wasseroberfläche. Eisiges Wasser umfing mich. Meine Haare stellten sich auf und trotzdem öffnete ich die Augen. Ich sah nichts als schwarze Dunkelheit. Die Kälte brannte sich in meine Augen und auf meiner Brust schien ein Stein zu liegen weshalb ich auftauchte. Vorhin war die Luft noch angenehm warm gewesen doch jetzt war sie für mich kälter als das Wasser. Schnell tauchte ich wieder unter und schwamm Newt hinterher Richtung Ufer.
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Die Magie der Rose
FantasySeit Rose den Tod ihrer Familie mitansehen musste, ist nichts mehr wie zuvor. Als sie dann plötzlich Wünsche erfüllen kann, wird sie in eine Welt gerissen, in der nichts ist, wie es scheint. Und dann ist da auch noch Jo, der Rose in den Bann zieht. ...