32.0 Zweiunddreißig (Teil 1)

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Meine Lungen weiteten sich blitzschnell. Ich lag meinem Bett. „Ich liege in meinem Bett!", rief ich überglücklich. Erst zwei Sekunden später wurde mir klar, wie hirnverbrannt das war. Zu meinem Glück konnten die anderen außer Milla kein Deutsch. „What is going on?", hörte ich Ivy nuscheln. „Nothing!", rief ich schnell. „Nothing." „Okay.", brummte sie und ich hörte wie sie sich umdrehte. Als es wieder still war, stand Milla auf und bedeutete mir, ihr aufs Klo zu folgen.

„Hast du ihn?"

„Ja."

Sie quietschte leise und umarmte mich. „Du bist super." „Ja, jetzt wo ich tue was ihr sagt." Ich hob halb ernst, halb belustigt die Augenbrauen. Sie seufzte. „Du bist trotzdem toll." „Ich wäre fast gestorben.", wand ich ein. „Du bist noch toller. Du musst mir alles erzählen. Aber nicht jetzt." Sie löste sich von mir. „Du solltest jetzt endlich schlafen." Das war das Stichwort. „Gute Nacht.", murmelte ich. Ich lächelte müde. An unnötigen Gesprächen nahm ich immer wieder gern teil. Nicht. „Gute Nacht."

Ich konnte gar nicht beschreiben wie glücklich ich darüber war ins Bett fallen zu können, ohne mir über irgendetwas Sorgen machen zu müssen. Einfach nur schlafen.

-

Ich schlief lange. Sehr lange. Als ich zum ersten Mal wieder die Augen öffnete, leuchtete die Sonne ins Zimmer und alle anderen Betten waren leer. Ich fühlte mich als wäre ich gerade aus einer Dusche gestiegen. Glücklich tastete ich nach dem Kabel, das ich zurecht geschnitten hatte und holte arbor unter meinem Kopfkissen hervor. Erst jetzt fiel mir ein, dass arbor kein Loch besaß und ich auch keins hineinbohren wollte. Doch als ich wieder auf das Blatt sah, prangte ein kleines Loch im Stiel. Ich musste schmunzeln. Dieses Ding war offensichtlich alles andere als nur ein Blatt. Ich schob das Kabel durch die Öse und band es mir hinterm Kopf zusammen. Frohen Mutes sprang ich aus dem Bett und machte mich fertig und schlenderte zur Mensa.

Die anderen waren dort nicht zu sehen, was aber kein Wunder war, da die übertreiben laut tickende Uhr an der Wand schon halb elf zeigte. Ich hatte Glück, dass das Buffet noch offen war. Mir fiel wieder Jo ein. Auch wenn mein Stolz mich davon abhielt, an seiner Tür zu klopfen, wurde meine Neugierde und Sorge immer größer. Was wenn er beim Außendienst gewesen war und geschnappt worden war? Was, wenn ich in ein paar Stunden wieder zwischen Jos Leben und der Welt entscheiden musste? Thomas hatte mir gestern erzählt, dass in Kalifornien wieder Waldbrände ausgebrochen waren, die Bäume in Rio den Janeiro von einem unbekannten, gefräßigen Pilz befallen worden waren und die Sahara sich unnatürlich schnell ausbreitete. Und das alles nur innerhalb von etwas mehr als zwei Wochen. Und vor fast genau zwei Wochen hatte ich arbor befreit. Wir hatten das im Unterricht gelernt. Wenn das alles nicht zusammenhing, würde ich einen Besen fressen. Reflexartig legte ich meine Hand auf meine Brust, dort wo ich das kalte Metall von arbor spüren konnte. So viel Aufregung nur wegen einem kleinen Blatt das große Katastrophen hervorrufen konnte.

Nach dem Frühstück war ich direkt zum Zimmer der Jungs gelaufen. Ich holte tief Luft und klopfte an. Newt öffnete. Seine Haare standen in alle Richtungen, was ihn jünger aussehen ließ. „Hi.", fing ich an. Er schluckte. „Hast du Jo gesehen?", fragten wie aus einem Mund. Doch mir war ganz und gar nicht zum Lachen. „Was ist passiert? Wo ist er? Der Außendienst...verdammt ich habe es gewusst!" Wütend trat ich gegen die Tür. „Ich..." „Komm erstmal rein." Ich folgte ihm hinein in das Chaos was sich Zimmer nannte und wäre fast gegen den Kühlschrank gelaufen, der mitten im Weg stand. Ich schob ihn beiseite. „Also, was ist passiert?", wollte ich resolut wissen. Newt fuhr sich durchs Haar. „Ich weiß es nicht. Es wollte mit dir ausgehen." Er legte seine Hand auf eines der Stockbetten. „Er wollte dich abholen, doch er kam nicht zurück." Mein Herz hüpfte kurz in die Luft. „Er hat mich nicht abgeholt. Ich...ich dachte er hat mich versetzt, weshalb ich nicht nachgeschaut habe." Ich fuhr mir durch die Haare. Was hatte mein Stolz nun wieder angerichtet. „Dich versetzen. Klar.", meinte er ironisch. „Er ist total verschossen in dich." Mir stieg die Hitze in die Wangen. Ich freute mich, das zu hören, aber wenn ihm was geschehen war, half uns das auch nicht weiter. Oder doch! Schlagartig fiel mir Grace ein. Ich hatte den anderen gesagt, dass ich ihr nicht vertraute. Ich wollte sie mit Orangensaft begießen! „Scheiße, Scheiße, Scheiße.", fluchte ich hemmungslos. Da war alles meine Schuld! Ich musste sofort mit Grace sprechen. „Was ist?" „Ich...ich kann dir das jetzt nicht erklären. Ich muss sofort zu Grace. Wo ist ihr Zimmer?" „Grace? Warum?" „Wenn ich es dir sage, wirst du auch als männliches Dornröschen enden. Es geht es nicht. Ich muss sofort weg." „Warte." Er packte mein Handgelenk. „Bitte tu nicht schon wieder etwas dummes, ja?" Ich nickte. Dieses Mal würde ich geschickter vorgehen müssen. Ich würde nie mehr den Fehler machen, ohne Plan loszustürmen. Ich brauchte ein Druckmittel. Doch was hatte ich schon gegen sie in der Hand? „Ich komme mit." „Was? Nein! Das geht nicht!" Er atmete hörbar tief ein. „Du kannst mit ihr allein sprechen. Aber ich werde hier garantiert hier rumsitzen und nichts tun!" „Okay, okay. So machen wirs." Ich wollte gerade wieder losstürmen, als er mich immer noch nicht losließ. „Noch was." Er flüsterte. „Hast du eigentlich arbor?" Ich nickte und hob kurz das Kabel, was an meinen Hals gebunden war. Er nickte nur und wir liefen aus dem Zimmer.

Die Magie der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt