22 Zweiundzwanzig

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„Ich weiß." Ich wollte jetzt nicht darüber reden. „Das nächste Mal..." „Es wird kein nächstes Mal geben.", unterbrach ich sie. „Damit hast du hoffentlich recht. Sie schob das Kinn vor. „Es geht los."
Wir waren vor der Lagerhalle gelandet. Ein Windhauch verriet mir, dass Emelie schon auf dem Weg zur Luke war. Auch Newt und Emelie kletterten die Eisenleiter der Fleur hinunter. Ich sah, wie Milla durch den schmalen Türspalt schlüpfte, den Emelie für die beiden offen gehalten hatte. Da ich ein Kaugummi kaute, konnte ich sie hören.

„Scheiße ist das groß.", fluchte Newt. „Das kriegen wir schon hin.", meinte Emelie. „Milla die haben Überraschungskameras. Versteck dich!", rief Newt. Ich hörte, wie Milla davonrannte. Ich sah wie die Tür der Lagerhalle aufglitt und Milla zur Fleur sprintete. Wie ein Affe hangelte sie sich die Sprossen hinauf. Mein Herz schlug schneller. Hoffentlich würde sie niemand bemerken! Ich hörte eine Zeit lang nur rauschen, dann fiel mein Blick auf zwei schwebende Rucksäcke und mindestens zwei Dutzend Taschen. Emelie war in null Komma nichts auf dem Deck gelandet und hatte ihre Sachen abgestellt. „Bringst ihr sie rein?" Ich nickte. Während Emelie die nächste Ladung holte, trugen Milla und ich die Vorräte hinein. Die Träger schnitten mir in den Rücken. Milla keuchte auch. Ich hörte es poltern. „Scheiße!", hörte ich Newt brüllen. „Wie sollen wir dieses ganze Zeug nur hier raus bekommen?"

„Was machen wir denn jetzt?", stöhnte sie. „Wir kriegen das Zeug ja nie innerhalb von einer Nacht auf die Fleur! " „Wir sind ja morgen hoffentlich weg."
„Hoffentlich." Sie ächzte. „Was haben die da reingemacht-Ziegensteine?" „Gut möglich. Was weiß ich was Jo noch alles mitnehmen will." Ich drehte mich zu ihr um. „Milla?" Sie streifte die Taschen ab. „Wir verschwenden Zeit." Sie warf die Hände in die Luft. Wir sollten den anderen helfen. Wir sollten machen dass wir hier wegkommen. Wir ziehen uns einfach Kapuzen auf." Ich zögerte. Ich fühlt mich schon die ganze Zeit unnötig. Aber was wenn mich jemand erkannte? Ihre dunklen Augen waren wie zwei schwarze Löcher. .„Willst du sie wirklich im Stich lassen?", anklagend starrte sie mich an. „Das letzte Mal als du nicht auf mich gehört hast..." „Schon gut.", unterbrach ich sie mich brüchiger Stimme. „Du hast ja recht."
Nein! Ihr macht jetzt keine Dummheiten!" protestierte Jo in meinen Kopf. „Haltet euch an den Plan!" „Scheiß auf den Plan!", fauchte ich. Ich würde nicht schon wieder etwas dummes machen und andere dafür bezahlen lassen. „Komm, wir ziehen uns schnell um." Sie verschwand nach drinnen, ich hastete hinterher.

Ich schlüpfte schnell in meine Jeans und einen Hoodie. Ich nahm einen Schal und wickelte in mir um das Gesicht, dass man nur noch meine Augen erkennen konnte. Milla wartete schon auf den Deck. „Können wir endlich?", fragte sie. Plötzlich tauchte Jo hinter mir auf. „Lasst dass- ihr bringt nur euch und andere in Gefahr!" „Nein.", erwiderte Milla, sie hatte mich schon zu Leiter gezogen. „Geh zurück auf deinen Posten.", zischte Milla. „Nein!" Plötzlich poltere es wieder. Es hörte sich an, als würde viele sehr großer Gegenstand zu Boden fallen. „Newt!", kreischte Emelie, sodass mir fast die Ohren abefielen. Das war unser unsichtbares Zeichen, um zu gehen. Ich wollte gerade die Leiter hinabsteigen, als Jo nach meiner Hand grapschte. „Fass mich nicht an!", fauchte ich. „Wir schaffen das schon allein." Er ließ es sein und starrte uns perplex hinterher, unschlüssig, was er tun sollte. Es war, als würde er zu Stein erstarren. Mir war das egal. Wir mussten Newt helfen. „Was ist passiert?", wollte ich von Emelie wissen. „Newt, er...ist auf einen Stapel voller Kartons gestanden, um einen der oberen zu holen. Aber jetzt..." Ich hörte sie ächzen. „...ist er abgestürzt und unter tausend Kartons begraben." Ihre Sorge schwang in ihrer Stimme mit wie ein Lied. „Er antwortet nicht. Verdammt ist das schwer..." „Wir sind schon unterwegs. „Was? Nein! Das ist viel zu gefährlich! Ich krieg das schon hin. Ist ganz leicht." Sie atmete zittrig ein. „Nein! Rede keinen Stuss. Newt braucht unsere Hilfe.", rief Milla entschlossen. „Also schön. Beeilt euch." Mittlerweile waren wir schon am Eingang angelangt. „Machst du uns auf? fragte Milla. „Klar." Wenig später öffnete sich die Tür. Wir rannten, so leise wir konnten durch die Halle, immer darauf bedacht, so unauffällig wie möglich zu sein. Unsere Schrille hallten laut an den Wänden wider. Ein Glück, dass uns niemand hören konnte. Mein Blick fiel auf einen Kartonstapel, der umgekippt war. Die Kartons waren ungefähr so groß wie Waschmaschinen. „Newt? Kannst du mich hören?" Ich versuchte, einen Karton beiseite zu schieben. „Könnt ihr mir bitte helfen?" „Klar." Zu dritt schafften wir es, den Karton zur Seite zu schieben. „"Newt!",, brüllte Milla. „Wo bist du?". Ich hörte ein Flüstern. „Emel..." „Ich schaute die anderen an. „Habt ihr das auch gehört?" Die beiden nickten und Milla drämgelte sich vor mich. „Newt? Newt! Wo bist du?", verzweifelt versuchte sie einen Karton anzuheben. Wir kamen ihr zur Hilfe. „Hier ist Newts Kaugummi. Deswegen kann er uns nicht hören." Milla deutete auf den Boden. Sie spuckte ihr Kaugummi aus. „Newt?" „Ich bin hier.", hauchte er kaum hörbar. Jetzt wussten wir wo er sich befand. Wir wühlten uns hastig durch die Kartons.
Endlich. Meine Arme schmerzten als Emelie und ich den letzten Karton anhoben und Milla Newt darunter hevor zog. Der Karton war auf seine Brust gerutscht und er war ganz blau angelaufen. „Oh, Newt." , seufzte Milla. Emelie ließ den Karton so plötzlich fallen, dass ich ihn nicht mehr halten konnte und er auf mein Bein fiel. Ich stieß einen Schrei aus und fiel hin. „Was soll das?", rief ich und starrte Emelie verwirrt an, die sich sichtbar gemacht hatte. Sie lächelte, und ich bemerkte, dass sich kein Licht in ihren Augen brach. „Nein!" Ich keuchte und versuchte Mein Bein unter dem Karton hervorzuziehen, doch Emelie setzte sich auf ihn. Ein stechender Schmerz fuhr durch mein Bein. Mein Blick fiel auf Milla, die Newt bereits geheilt hatte, beide mit Augen, die eine Kälte ausstrahlen, die mich frösteln ließ. „Bewege dich nicht, ich bin gleich da.", dröhnte Gorn in meinen Kopf. Mein Tattoo brannte. Mein Puls raste mir davon und mein Bein brachte mich fast um. Ich hätte auf der Fleur bleiben sollen, dort wo ich sicher gewesen wäre. Aber nein, ich musste ja direkt ins Messer laufen. Gorn hatte mich in die Falle laufen lassen, und jetzt war ich unfähig mich zu bewegen. Meine Tränendrüse machte sich bemerkbar. Dann fiel mir Jo ein. „Jo", flüsterte ich. „Bitte, antworte mir." Mein Inneres sträubte sich dagegen diesen Namen auszusprechen, aber er war meine Einzige Chance. Warum war er nicht gekommen? Bitte lass ihn nicht auch... „Joseph ist auch in meiner Gewalt.", dröhnte es in meinen Kopf. Das Eingangstor öffnete sich. Gorn und Jo betraten die Lagerhalle. „Holt sie da raus.", befahl er meinen Freunden. Emelie erhob sich vom Karton und griff mir unter die Arme, während Milla und Newt den Karton anhoben. Vor Schmerzen gelähmt zog mich Emelie auf die Beine. Ich versuchte nicht vor Schmerz laut aufzuschreien. „Keine Sorge, es ist gleich vorbei.", sagte Milla und berührte mein Bein. Ihre Handflächen wurden heiß, und die Wärme ging in mein Bein über. Ein wenig später konnte ich mein Bein wieder bewegen ohne Schmerzen zu empfinden. Emelie ließ mich los und ich machte ein paar wackelige Schritte auf Gorn zu. „Dir ist klar das jeder Fluchtversuch zwecklos ist? Eine falsche Bewegung und jemand hat ein Messer in Hals stecken." Ich nickte zittrig. Was sollte ich jetzt tun? Ich musste mir etwas einfallen lassen, aber nicht jetzt, nicht in dieser prekären Situation. Niedergeschlagen folgte ich Gorn mit den anderen nach draußen. Er weiß von der Fleur, schoss es mir durch den Kopf. Er hatte sie durch Jos oder Millas Augen gesehen. Wir waren verloren. Ich musste irgendwas unternehmen. Mein Blick fiel auf Jo. Ich hätte auf ihn hören sollen. Mal wieder hatte ich der falschen Vertraut. Deswegen waren ihre Augen so dunkel gewesen. Ich sah, wie Jo zitterte. Ich runzelte die Stirn. Gorn blieb stehen und starrte ihn an. Er hatte die Lippen aufeinander gepresst und sah aus, als würde er gleich explodieren. Plötzlich entspannte sich Jos Körper... Gorn erstarrte und Emelie, Newt und Milla erwachten aus ihrer Trance."Ina...", keuchte er und stolperte. Er hatte Gorn abgelenkt und so den Bann der anderen gebrochen. „Lauft!", schrie Jo. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich nahm meine Füße in die Hand, die anderen stürmten hinterher. „Zur Fleur!", brüllte Newt. Wir sprinteten aus der Lagerhalle und stürmten zur Leiter. Emelie war schon vorausgeflogen, um die Fleur wegzufliegen. Ich, Newt und Milla hingen noch an der Leiter, als die Fleur nach oben stieg. Ich klemmte mein Kaugummi in den Mundwinkel.„Was ist mit Jo?", rief ich. „Der kann zur Hölle fahren.", entgegnete Milla trocken. Ich kaute weiter. „Aber er hat und gerettet. Emelie, hörst du mich?" „Ja, Rose, aber er schafft es nicht mehr." „Können wir nicht irgendwas tun?" Auch wenn Newt mich nicht hören konnte, erwiderte er bitter: „Er hat deine Familie getötet, Rose, er hat es verdient." Ich schloss meinen Mund wieder. Ja, er hatte es verdient, aber... ich biss mir auf die Unterlippe. Hatte ich nicht vorhin die Rose aus dem Fenster geworfen? Die anderen stiegen die Leiter hinauf und ich war gezwungen, es auch zu tun. Ich war hin- und her gerissen. Wenn wir auf ihn warten würden, müsste es ja nicht gleich heißen dass ich ihn mochte. Schließlich hatte er den Plan entworfen. Klar war er gewaltig in die Hose gegangen, aber hatte uns geleitet. Ich kaute mein Kaugummi weiter. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich nur auf Jo. Ich hörte wie er keuchte. „Lasst mich zurück-es ist besser so." „Jo?" „Rose?" Ich hörte ihn wieder keuchen. „Pass auf dich auf." Ich hörte es poltern, dann war Stille. „Jo?" Ich seufzte innerlich. Dann spuckte ich das Kaugummi auf das immer kleiner werdende Dach der Supay.

Die Magie der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt