33 Dreiunddreißig

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Es ruckelte. Ich spürte, wie mein Kopf gegen etwas Hartes schlug. Meine Sinne kamen langsam wieder zurück und ich hörte den heulenden Motor eines Autos. Meine Hände waren in etwas kaltem eingeschlossen und als ich meine Augenlider hob, bemerkte ich Handschellen, die mir jemand umgelegt hatte. Mein Kopf ruhte auf einer kühlen Fensterscheibe. Die Müdigkeit zog sich so schnell zurück, wie sie gekommen war. Ich befand mich auf der Rückbank eines Autos, das mit einem Gitter und dunklen Umhang von vorderen abgetrennt war. ICh hob die Hände und zu meinen Schrecken musste ich feststellen, dass arbor weg war. Mein Blick fiel auf Jo, dessen Kopf müde am verdunkelten Fenster lehnte. Er sah zwar erschöpft, aber unversehrt aus. Egal was mit uns geschehen würde, fürs Erste war ich froh, dass sein Körper unversehrt war. Er trug ebenfalls Handschellen und mit wurde die Aussichtslosigkeit der Situation bewusst. Ich brauchte eine Weile, bis ich wieder wusste, wie ich meine Stimme benutzte. „Jo.", flüsterte ich leise. Er hob den Kopf und sah mich an. Ich sah die Spuren von Tränen in seinen Augen. Trotzdem lächelte er, als er mich sah. „Hallo kleine Knospe." Wir sahen uns intensiv in die Augen und keiner von uns wusste, was er sagen sollte. Dennoch wussten wir, was der andere fühlte. Wir spürten, dass es zu Ende ging. Mir war egal was Newt dazu gebracht hatte, mich anzugreifen, aber klar war, dass er nicht er selbst gewesen war.

„Es geht zu Ende, Rose."

„Was?" Ich spürte, dass er etwas wusste, was ich nicht wusste, dass er etwas zu sagen hatte, was mir nicht gefallen würde. „Was auch immer es ist, warte." Ich rückte so nah zu ihm, wie es möglich war und lehnte meine Stirn an seine. „Wir schaffen das. Wir kommen hier raus." Sein trauriger Blick sorgte dafür, dass Angst in meinen Blutkreislauf tropfte.

„Nein.", hauchte er sodass nur ich ihn verstehen konnte. „Es sind alle weg. Emelie, Titus und Milla befinden sich unter einem Schlafzauber gefesselt in irgendeinem Raum in irgendeinem Haus hier in Inti. Und Newt, dem ist bestimmt das gleiche passiert." „Was hat er mit uns vor?" Ich bemühte mich, leise zu sprechen doch meine Stimme kippte.

„Es ist anders als wir dachten. Als Victoria mich lebend gesehen hat, ist Gorn so einiges klar geworden." „Wer ist Victoria?" „Nicht so laut. Sie fährt das Auto und arbeitet für Gorn. Sie kann sich verwandeln. Hat dich in Gestalt von Newt ins Auto getragen und sich zurückverwandelt. Was ist passiert?" Ich machte den Mund auf, doch es fiel mir schwer mich zu erinnern. „Ich war kochen. Zusammen mit Newt. Und dann wollte Thomas..." Ich stockte. Es war die ganze Zeit Thomas gewesen. Grace hatte keine leeren Worte gesprochen. Sie hatte uns beschützen wollen. Und ich hatte ihr misstraut. Thomas. Der nette, großzügige und manchmal etwas zu neugierige Kerl war die ganze Zeit eine Frau gewesen, die uns hinters Licht geführt hatte. Ich hätte vorsichtiger sein sollen. „ES war Thomas. Sie war Thomas." „Gorn ist klüger als wir dachten. Aber wie haben sie herausgefunden, wo wir sind?" Mir fiel schlagartig die alte Dame ein, die arbor bewundert hatte. Was, wenn sie gar keine alte Dame gewesen war? Mich schauderte es. Alles passte ins Bild. Jo legte seine kalte Hand an meine Wange, so gut es eben mit Handschellen ging. „Wir sind am Ende." Ich schüttelte energisch den Kopf. „Nein, sind wir nicht, Wir kommen hier raus. Wir haben bis jetzt immer eine Lösung gefunden. Ich muss schlafen, dann komme ich an arbor heran und kann uns befreien.", flüsterte ich leise. „Nein, das geht nicht, bis du eingeschlafen bist, sind wir da, und dann ist es zu spät." „Was denn, was weißt du, was ich nicht weiß, was macht dich so traurig?" Er öffnete den Mund, schloss ihn aber dann kurzerhand wieder und bettete seine Hände zurück auf seinen Schoß. Ich schnaubte. „Wenn du es mir nicht sagst, wird es wohl nicht so wichtig sein. Wir haben sowieso keine Zeit hier herumzusitzen." Ich versuchte so leise wie möglich zu sprechen und lehnte mich nach vorne, sodass ich seinen Ohr ganz nahe war. Dann hauchte ich: „Bei der nächsten Ampel springen wir aus dem Auto." „Nein. Er senkte seinen Kopf. „Das bringt doch nichts." „Was sollen wir sonst tun?" Er ergab sich. „Na gut. Schlimmer kann es ja nicht mehr werden." Ich zog die Augenbrauem zusammen. „Lass uns stark sein." Ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu verschwenden, küsste ich ihn. Zeit war nun viel zu kostbar, als sie mit Zweifeln zu verschwenden. Für einen kleinen Augenblick schaffte ich es meine tiefgreifende Angst in den Hintergrund rücken zu lassen. Und dann war es auch wieder vorbei. Mit erhitzten Wangen rutschte ich zurück auf meinen Platz. Nun starrte ich mit pochenden Herzen angestrengt aus dem Fenster und versuchte. Wir waren immer noch in Inti und ich wunderte mich, wie groß diese Stadt war. Mir ging auf, dass ein Polizeiauto die perfekte Tarnung war. Denn bestimmt an allen paar Straßenecken fuhren Wagen Streife. Ob man uns ernstnehmen würde? Sahen wir wie Verbrecher aus? Ich schluckte und versuchte mich wieder auf die Straße zu konzentrieren. Ungefähr fünfzig Meter vor uns sprang eine Ampel auf rot. Als der Wagen schließlich ruckartig stehenblieb, weil sich vor uns eine Schlange gebildet hatte. Ich formte meine Lippen zu einem einzigen Wort. Jetzt. Dann räusperte ich mich und drückte gleichzeitig auf dem roten Knopf des Gurtes. Ich ließ den Gurt vorsichtig einschnappen, aber so, dass es leise war. Jos Gurt klickte. „Halt!" Eine schneidende Stimme ertönte. Victoria. Während Jo schockiert innehielt, war das mein Stichwort und ich drückte die Türklinke und kletterte so schnell ich konnte aus dem Auto. Ich schaffte es auf den Gehweg und sah mich nach Jo um. Er krabbelte über die Sitze und versuchte, aus der selben Tür auszusteigen wie ich. Auf der anderen Seite fuhren nämlich die Autos schnell an uns vorbei. „Keine. Bewegung.", sagte Victoria langsam und richtete mit einem Klickgeräusch einen glänzenden Revolver auf Jo. Er jedoch ingnorierte das völlig und stieg aus dem Auto. „Lauf!", brüllte er mir zu, doch ich blieb stocksteif stehen. Victoria war nämlich auch ausgestiegen und hielt Jo vor den Ganzen Fußgängern die Waffe unter die Nase. „Das würden sie nicht wagen.", spottete er. „Gorn braucht mich." Das erste Wort betonte er extra laut und die Passanten zogen mit bleichen Gesichtern scharf sie Luft ein. Ein Auto hupte, doch niemand tat etwas. Ein junger Mann fing an die Szene zu filmen, statt die Polizei zu rufen. Hatten die Leute den schonmal etwas von Zivilcourage gehört? „Feigling!", spuckte ich ihm das Wort entgegen. Die hatten doch keine Ahnung. Wir mussten weglaufen, bevor Victoria auf die Idee kam, die Fußgänger als Geisel zu benutzen. Ihr weißblondes Haar wehte im Wind. Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb. (Ein Dialog über irgendwas wollte ich hier noch schreiben) Für einen Augenblick an wagte sich niemand auch nur mit der Wimper zu zucken. Jo und mein Blick traf sich. Er hob die Augenbrauen. Was wollte er mir sagen. Victoria hob ungeduldig die Waffe weiter nach oben. Plötzlich rannte Jo los. Er preschte durch durch die Menge und auch ich fing an zu laufen. Es war schwierig mit Handschellen das Gleichgewicht zu halten. Ich kam nicht weit. Ein Schuss löste sich. Ich blieb erschrocken stehen. Ich sah niemanden am Boden liegen, kein Blut. Sie hatte einen Warnschuss abgegeben. Sie hätte längst einem Passanten die Waffe an die Schläfe halten können. Sie war nicht so skrupellos wie Gorn. Das war unsere Chance. Ich drehte mich nicht mehr um und sprintete los. Wir bogen um die Ecke und schlängelten uns durch hupende Autos die im Stau standen. Ich fühlte mich wie in einem meiner Träume gefangen. Ich hatte schon oft geträumt, verfolgt zu werden und durch die Gassen zu schlittern. Doch es war nie an die Wirklichkeit herangekommen. Mit gefesselten Händen war ich viel zu langsam und Victoria viel zu schnell. Sie war nur zwei Meter von mir entfernt, die geladene Waffe auf den Boden gerichtet. Ich keuchte. Und lief weiter.

Die Magie der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt