Siebenundzwanzig (Teil 1)

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„Aufstehen ihr Kanalratten!"

Die Tage verschwammen zu einer bunten Masse aus schmerzenden Füßen, Tränen, Küssen und Glücksgefühlen. Ich wusste nicht wie lange wir noch unterwegs waren, aber ich hoffte, dass wir nie ankommen würden. Auch wenn ich Oma und Natalie vermisste, wollte ich nicht schon wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert werden. Meine Wunden waren gerade dabei zu heilen. Die Welt schien ein Stück einfacher zu sein. Doch als ich die ersten Bäume sah, wusste ich, dass die Reise nun ein Ende finden würde. Laut der Karte von Terra standen auf der Ebene von Laram keine Bäume. Aber der Waldrand nahte und ich wusste, dass wir die wilden Weiten erreicht hatten.

„Wir haben es geschafft!", jubelte Emelie und sauste in schwindelerregende Höhen. „Endlich!", stöhnte Newt. „Wir sind super!", rief Milla. „Wir haben die wilden Weiten erreicht.", sagte Jo. „Es ist vorbei.", flüsterte ich.

Zur Feier des Tages machten wir im Schatten der Bäume Rast und feierten den Erfolg damit, unsere Muskelkater zu ärgern. „Zwölf verdammte Tage waren wir unterwegs.", brummte Newt und lehnte sich an einen Baum. „Ich habe jede Stunde gezählt." Angst machte sich in mir breit. Was wäre, wenn wir in ein Meer flogen? Oder in eine Wüste? Und wie würden wir überhaupt zu Oma kommen, so ganz ohne Geld und Papiere? Ich griff nach meinem Medaillon und drückte es fest. Ich konnte nur hoffen, dass die Natur uns wohlgesinnt war. Die Natur! Das war es! Arbor war unsere Rettung! „Leute...", fing ich an und riss aufgeregt an Gras auszurupfen. „Ich habe eine Idee." Ich holte arbor aus meiner Hosentasche und legte es auf meine Handfläche. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in irgendeinem Ozean landen, richtig?" „Richtig.", bestätigte Jo. „Aber wir haben arbor, richtig? Vielleicht können wir damit genau zu dem Ort reisen, an dem wir wollen.", schlussfolgerte ich. Milla schob ihr Unterkiefer nach vorn. „Tja, das ist ein bisschen weit hergeholt, aber..." „Es könnte funktionieren!", nahm Emelie Milla die Worte aus dem Mund und hüpfte aufgeregt auf und ab. „Ich weiß nicht.", grummelte Newt. „Ein Versuch ist es wert.", sagte ich. „Jetzt müssen wir nur noch warten bis es dunkel wird."

Und wir warteten. Es machte mich wahnsinnig, nur herumzusitzen und nichts zu tun. Ich war aufgeregt. Ich spielte mit meinem Medaillon. Wenn alles glatt lief, würde ich Oma die Erinnerungen wiedergeben können. Ich würde ihnen meine neuen Freunde vorstellen. Und die Sache mit Jo? Die würde ich erstmals nicht erwähnen. Ich hatte das Gefühl, die Sonne würde auf einer Schnecke reiten. Ich zählte die Felsen. Dann die Bäume, die ich sehen konnte. Ich teilte die Arten der Bäume in Kategorien auf: belaubt, belaubt mit riesigen Blättern. Belaubt mit spitzen Blättern und mit runden Blättern, Nadelbäume. Und die Sonne war immer noch nicht untergegangen. Wir aßen Käsekuchen, Milla gab Newt eine Rückenmassage und ich lehnte mich an Jo. Ich starrte auf Newts Uhr. Tick. Tack. Tick. Tack.

Endlich. Die Sonne fiel. Dann ging es ganz schnell. Ich hätte schwören können, Ich hatte nur einmal die Augen zu gemacht und es war plötzlich finster gewesen. Vielleicht war ich auch eingeschlafen. Ich strecke mich. Die anderen nahmen ihre Rucksäcke schon auf die Rücken. „Sollen wir die Schwimmwesten aufpusten?", fragte Milla. „Unbedingt.", beharrte Jo und kramte in einer Tasche. „Muss das wirklich sein?", jammerte Newt. „Mit dem Kühlschrank auf dem Rücken gehe ich sowieso unter." „Nicht, wenn du ihn im Notfall ausziehst.", sagte ich und musste grinsen. „Aber..." „Keine Diskussion. Du bist mir wichtiger als dieser olle Kühlschrank.", stoppte Milla seine Jammertirade und drückte ihm die Schwimmweste in die Hand. „Wenn alles schief geht, will ich nicht dass du ertrinkst." „Ey, ist ja schon gut.", brummte er und stülpte sich das Ding über den Kopf. Ich tat es ihm gleich und pustete es auf. Wir wünschten uns Glück und kämpften uns durch das Dickicht.

Wir versuchten so gerade wie möglich zu laufen und schlängelten uns durch die Bäume. Ich merkte, wie die Umgebung leicht verschwamm, als würde sie sich verflüssigen. Ich presste arbor in meine Handfläche und stellte mir mein kleines Dorf vor. Die Kirche, das Rathaus, die Bushaltestelle, der Bäcker, Natalies Haus und schließlich auch unseres. Bitte lass es funktionieren,betete ich stumm. Bitte, bitte, bitte. Arbor fing an zu glühen und ich grinste vor Erleichterung. "Es funktioniert!", rief ich erfreut und legte einen Zahn zu. Die Welt verschwamm vor unseren Augen und es war, als würden sich die Bäume teilen, um uns vorbei zu lassen. "Schneller!", presste ich hervor. Arbor verbrannte mir fast die Hand, während ich verzweifelt versuchte zu rennen und gleichzeitig an zuhause zu denken. Ich stellte mir Oma vor, wie sie Blaubeermuffins backte. Wir waren immer in der Stadt einkaufen gewesen und hatten die Blaubeeren frisch von Markt geholt... Ich konnte den Wald nur noch schememhaft wahrnehmen. Ein Baum flog uns entgegen. Ich schrie Emelie zu, sie sollte ihm aus weichen. Ich übersah eine Wurzel und fiel...ich kniff die Augen zusammen. Harter Stein kam mir entgegen. Ich öffnete die Augen. Ich hatte mir die Knie am...Asphalt aufgeschürft! Newt, Mills, Emelie und Jo lagen neben mir, keuchten und schauten sich erstaunt um „Krass.", murmelte Newt und stand auf. Emelie hüpfte aufgeregt im Kreis. Ich konnte es nicht fassen. Wir waren auf dem Marktplatz gelandet, an dem ich zuletzt gedacht hatte. Es war zwar nicht unser Dorf, aber wir hatten unheimlich viel Glück gehabt. Mir war es für den Moment egal dass die Leute uns seltsam an starrten. Ich konnte nicht anders und stieß einen Freudenschrei aus.

Die Magie der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt