25.5 Fünfundzwanzig (Teil 2)

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Wir brachen wieder auf. Wir liefen immer weiter, und machten ab und zu Rast. Irgendwann wurde das Gras kürzer und der Boden stieg an. Die Sonne stand schon tief am Himmel, als wir aus der Senke heraus kamen und im knietiefen Gras einen blutroten Sonnenuntergang bewunderten. Wir blieben kurz stehen. Nun breitete sich eine Eben vor uns aus, die mich an Herr der Ringe erinnerte. Ab und zu gab es schroffe Felsen, die einsam in die Höhe ragten. Sonst wurde die Ebene von Gras bedeckt, das oftmals so kurz war wie in unserem Garten. Es war idyllisch. Es sah aus wie gemalt.„Das ist voll romantisch.", schwärmte Milla und küsste Newt. Meine Lippen kräuselten sich. Nach allem, was wir durch gemacht hatten, war das doch ein Neuanfang. Wir würden die Supay endlich hinter uns lassen. Schuldbewusst musste ich an Jasmin und Jo denken. Sie würden das nie zu Gesicht bekommen. Ich seufzte. Die Welt drehte sich trotzdem weiter. Ich musste loslassen. Ich atmete tief ein und wieder aus. Dann machte ich einen Schritt nach vorne.

Wir hatten im Schutz eines Felsens unser Lager aufgeschlagen. Zwei Zelte. Eines war für zwei, das andere für drei Personen. Milla und Newt schliefen im kleineren und Emelie und ich im größeren. Es war stockfinster, wir wagten es nicht, ein Feuer anzuzünden. Wir hatten sowieso kein Holz, das wir benutzen können. Ich drehte ich einmal in meinen Schlafsack um und starrte genervt den Kühlschrank an, der gegen meine Hüfte gedrückt hatte. Ich hatte die Arschkarte gezogen. Ich konnte einfach nicht einschlafen. Es würde sowieso nicht regnen, aber Newt hatte darauf bestanden, die Zelte aufzubauen um dem Kühlschrank zu schützen. Mir war schon klar, dass unser Leben mehr oder weniger davon abhing, Aber er würde doch auch eine trockene Nacht draußen überleben! Es war meine Strafe dafür, dass ich Bäumen hatte umstürzen lassen um uns zu retten. Klar war das nicht die klügste Aktion gewesen, aber ich bezweifelte, dass wir ohne sie jetzt nicht hier wären. Ich wollte jedoch nicht dagegen protestieren, da er eh schon sauer auf mich war. Als ich es schließlich nicht mehr aushielt, nahm ich meinen Schlafsack und meine Isomatte mit nach draußen und legte mich vor den Zelteingang. Ein starker Wind wehte und ich zog mir den Schlafsack über den Kopf. Auch wenn es kälter war, schlief ich schnell ein.

Ich stöhnte. Irgendwas hatte mich geweckt. Ich öffnete ein Auge und linste nach draußen. Der Wind heulte wie ein trotziges Kind und die Zelte ächzten im Takt dazu. Alles war normal. Ich wollte gerade wieder einschlafen, als ich etwas heulen hörte. Und es war definitiv nicht der Wind! Ich erwachte aus meiner Dösigkeit und blieb angespannt vor Schreck liegen. Ich wollte gerade ins Zelt flüchten, als ich im Licht des Mondes einen Haufen von Schatten erspähte. Sie kamen auf mich zu und ich konnte gerade noch verhindern, dass ich laut losquietschte. Wegen diesem blöden Kühlschrank lag ich jetzt hier ungeschützt herum. Als sie näher kamen, erkannte ich, dass es Wölfe waren. Heilige Scheiße! Ich wollte erst nach arbor tasten, das sich irgendwo im meinem Schlafsack befand, als mir klar wurde, dass es klüger war ruhig zu bleiben und sich nicht zu bewegen. Wölfe waren zwar scheue Tiere und mieden Menschen, aber diese hatten bestimmt noch nie einen gerochen. Außerdem waren es keine Wölfe von der Erde. Sie waren bestimmt wilder und gefährlicher. Ich wollte nicht wissen, was passierte, wenn ich sie angriff. Also hielt ich die Luft an und wartete. Sie kamen näher uns liefen am Zelt vorbei. Sie waren jetzt so nahe, dass ich sie hätte streicheln können. Ich hätte schwören können, dass ihr Fell grünlich schimmerte. Schließlich zogen sie ab. Ich atmete auf. Ein paar Nachzügler liefen noch an mir vorbei, die mich aber mich weiter beachteten. Doch dann hob der eine Wolf den Kopf und beugte sich über mich Ich hielt wieder die Luft an. Bitte, tu mir nichts. Er riss sein Maul auf. Ich presste mich ans Zelt und schloss die Augen. Dann spürte ich eine feuchte Zunge, die mir einmal quer über das Gesicht leckte. Iih! Als ich dachte, er würde mich jetzt wirklich fressen, lief er einfach weiter. Das war doch nicht sein Ernst. Als die Wölfe außer Sichtweite waren, schlich ich zurück ins Zelt und holte mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Emelie wachte vom quietschen der Tür auf. „Was machst du da?", lallte sie benommen. „Nicht wichtig. Erzähle es dir morgen." Sie richtete sich blitzschnell auf. „Was. Ist. Passiert.", fragte sie ernst, auch wenn es sich eher wie ein Befehl anhörte. Ich seufzte. Da draußen streifen Wölfe rum und einer hat mich angeleckt. „Er hat dich...was machst du überhaupt da draußen?!" „Der Kühlschrank hat sich breit gemacht.", erklärte ich trocken. „Deswegen bin ich nach draußen und Wölfe sind vorbei spaziert. Sie sind jetzt aber weg." „Ich mach Newt kalt." Emelie zog wütend die Nase kraus. „Die Wölfe waren grün.", erzählte ich um den alles noch das Sahnehäubchen aufzusetzen. Emelie machte große Augen. „Jedenfalls...ich gehe mir jetzt das Gesicht waschen." Sie schmunzelte. „Na dann gute Nacht." „Gute Nacht." Ich ging nach draußen. Ohne die Lichtverschmutzung gab es viel mehr Sterne. Sie erinnerten mich an die Nacht am See. Nein. Ich durfte nicht daran denken. Ich goss mir das Wasser (was ich extra warm gemacht hatte) über den Kopf. Ich wollte gar nicht wissen, was für Bakterien sich im Maul des Wolfes getummelt hatten. Ich taufte ihn in Gedanken Felix. So hatte Natalies Hase geheißen, der mir mal ins Gesicht gepinkelt hatte. Seitdem hatte ich immer einen Sicherheitsabstand von zwei Metern zwischen mir und ihm gebracht. Ich schrubbte mir das Gesicht und trocknete es am meinem T-Shirt ab. Es war eklig dass wir kein Handtuch hatten, von einer Dusche ganz zu schweigen. Ich konnte nur hoffen, dass wir bald wieder auf der Erde waren. Seufzend und stinkend kuschelte ich mich zurück in meinen Schlafsack. Endlich konnte ich in Ruhe schlafen.

Die Sonne ging auf. Bevor ich überhaupt mit dem großen Zeh zucken konnte, tauchte Newt auf und befahl uns aufzustehen. Ich vergrub meinen Kopf im Kissen. Ich hatte kaum geschlafen. Aber er hatte ja recht, wir mussten so viel Land wie möglich gewinnen. Als Milla und zuletzt auch Emelie aus dem Zelt schaute, stand ich auch auf, damit sie nicht über mich stolperte. Meine Haare waren immer noch feucht und waren ein einziges Vogelnest. Asche, Staub und Sonstigen Dreck zierte nun mein Haupt. Warum musste auch ausgerechnet das Bad abbrennen? Ich kämmte sie provisorisch mir meine Fingern und Band sie mit meinem Haargummi zurück. Alles in meinem Mund fühlte sich pelzig an. Ich hatte seit vorgestern Abend die Zähne nicht mehr geputzt. Wie hatten die das nur im Mittelalter ausgehalten? Wenigstens hatten wir Klopapier. Während ich meine Isomatte und meinen Schlafsack einrollte, trugen Newt und Emelie den Kühlschrank nach draußen. Ein wenig später, nachdem sich alle mehr oder weniger frisch gemacht hatten und wir die Zelte und alles andere wieder verstaut hatten, setzten wir uns zusammen um zu frühstücken. Ich beschloss mich wegen des Kühlschranks zu beschweren. Ich hatte keine Lust mich irgendwann von grünen Wölfen fressen zu lassen. „Du, Newt...", sprach ich es vorsichtig an, doch wurde gleich unterbrochen. „Rose musste wegen dem Kühlschrank draußen schlafen und wurde von einem Wolf abgeleckt." Ich biss mir auf die Unterlippe. Warum musste sie mir immer ins Wort fallen? Newt verzog angeekelt das Gesicht. „Das ist alles deine Schuld!", rief sie aufgebracht? „Meine Schuld? Ey, und was wäre gewesen, wenn es geregnet hätte? Dann hätten wir jetzt nichts mehr zu essen." Emelie verzog das Gesicht. „So schnell geht dein geliebter Kühlschrank auch nicht kaputt." „Äh, und was hättest du gemacht, wenn der Wind den Kühlschrank gegen die Felswand geblasen hätte? Wenn er von Steine getroffen würde?" „Rose hätte sonst was passieren können!" „Ach ja?" „Sie hätte von den Wölfen GEFRESSEN werden können: Aber das ist ja VÖLLIG EGAL wenn es um den KÜHLSCHRANK geht." „Wölfe fressen keine Menschen." Ich räusperte mich verhalten. Warum musste Emelie sich auch überall einmischen? Ich hatte keine Lust, dass das eskaliert. „Ähm...", machte ich vorsichtig. „Das waren aber keine NORMALEN Wölfe." „Ach ja?" „Leute..." „Sie waren GRÜN!" Ich wünschte Jo wäre jetzt hier. Ohne ihn wäre das alles nicht so eskaliert. Ich schaute Milla hilflos an, die desinteressiert ihre Fingernägel säuberte. Dann musste ich wohl ran. Ich holte tief Luft. „Ach ja? Und was hat das mit..." „HALTET DIE KLAPPE!!!", brüllte ich.

Beide drehten sich entgeistert zu mir um. „Was?", entgegnete ich genervt. Als sie nichts sagten, meinte ich: „Können wir dem Kühlschrank das nächste Mal einfach nach draußen stellen, wenn schönes Wetter ist?" Newt stöhnte. „Also schön." Er stellte seinen Teller in den Kühlschrank. „Ihr Mädels seid so anstrengend. Ich wünschte, Jo wäre jetzt hier." Nach Erwähnung dieses Namens legte sich eine bedrückende Stille auf unsere Gruppe. „Ich auch." Milla stand auf. „Er hätte verhindert, dass ihr euch gegenseitig die Kehlen zerfetzt. „ Newt stand auf. „Lass uns aufbrechen."

Wir liefen schon eine ganze Weile. Der Boden stieg an, dann sank er wieder. Die Sonne hielt endlich ein Nickerchen und versteckte sich hinter ein paar Wolken. Hinter meinem Oh blieb es ruhig. Ich lief neben Newt. Er starrte betrübt zu Boden. „Vermisst du Jo?", fragte er mich plötzlich. Ich nickte. Sein Blick fiel auf mich. „Es tut mir leid, dass ich in letzter Zeit so...anstrengend war." Ich hob überrascht die Augenbrauen. „Du bist nicht der Einzige, bei dem die Nerven blank liegen." Er nestelte an seiner Uhr. „Du bist immer so ruhig. Wie schaffst du das?" Ich schnaubte ungläubig. „Ich bin doch nicht ruhig." „Doch." Dachte er das wirklich von mir? Ich war eine wandelnde Tränendrüse. „Ich heule doch die ganze Zeit.", meinte ich etwas verlegen. „Ja, aber das fällt eh nicht so auf." Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte ich jetzt sagen? „Wenn ich das nächste Mal aus der Haut fahre, stupse mich einfach an, okay?" „Okay." Etwas irritiert kickte ich einen Stein aus dem Weg. „Vermisst du Jo?", entgegnete ich schließlich. Die zwei waren zwar beste Freunde gewesen, aber... „Scheiße, ja.", stieß er hervor. „Er war mein bester Freund. Er hat uns gerettet. Ja, er hat Mist gebaut...ja...sehr, sehr großen Mist, der Misthaufen könnte bis zum Mond reichen, aber..." „Ist schon gut.", unterbrach ich ihn. „Er hat es für euch getan. Er..." Ich musste schon wieder heulen. Warum machte ich mir darüber noch Gedanken? Er war tot. Ich würde ihn nie wiedersehen. „Er war ein toller Mensch.", beendete Newt den Satz für mich. Dann legte er seinen Arm über meine Schulter und zog mich zu ihm heran. „Es tut mir Leid dass ich so ein Arsch war. Du hast dein bestes gegeben. Mehr kann ich nicht verlangen." Ein warmes Gefühl machte sich in meiner Brust breit. Ich hätte schwören können, dass sich die Rose in meinem Medaillon anfing sich etwas zu erholen. „Der Kühlschrank muss heute draußen schlafen. Ich habe kein Bock mehr auf dich wütend zu sein." Ich musste lächeln. „Verziehen."

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Kann sein das es etwas chaotisch ist^^
Hab es nicht nochmal durchgelesen...

Die Magie der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt