30 Dreißig (Teil 2)

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Die Bibliothek war zwar um einiges kleiner als die der Supay und bestand aus nur einem großen Raum, besaß aber ein größeres Regal, was Krimis betraf. In der Supay gab es nur eine Handvoll Krimis, die ich in einen Rutsch durchhatte. Ich schnappte mir das nächstbeste Taschenbuch und drehte es um um den Klappentext zu überfliegen. Das klang nach einem Happy End. Ausgeliehen. Ich legte es auf den Stapel der Bücher, die ich ausleihen wollte. Als meine Familie gestorben war, hatte ich angefangen, vor allem Krimis gelesen. Wenn ein Fall gelöst wurde, hatte es mir das Gefühl gegeben, dem Mörder ein Stück näher gerückt zu sein. Damals hatte ich mit immer einen Mann mit langem Bart vorgestellt, der wie ein Schatten von Zimmer zu Zimmer huschte. Das ein kleiner Junge dahinter gesteckt hatte, hatte ich mir nicht mal im Traum vorgestellt. Ich schluckte und begutachtete meinen Stapel. Mit neun Büchern war ich für die nächsten zwei Wochen versorgt. „Bist du fertig?", fragte ich Milla, die sich in einer Komödie verloren hatte. „Hm? Ja, ja ich denke wir können gehen." Sie legte das Buch auf ihren Stapel, der ungefähr dieselbe Größe hatte wie meiner. Ich schnappte mir meinen Stapel und wir liefen zum Bibliothekar, der unsere Bücher einscannte und uns Ausleihkarten aushändigte. Wir nahmen sie an uns und trugen unsere neuen Schätze nachhause.

Ich half Milla dabei, ihr Bett zu beziehen, damit es schneller ging und dann machten wir es uns gemütlich und lasen unsere Bücher. Agent Duncan hatte gerade einen wichtigen Hinweis entdeckt, als die Tür aufging. Ein Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren und Nasenpiercing kam in das Zimmer gestürmt und schmetterte ihren Lederrucksack mitten auf dem Boden und wollte gerade wieder kehrt machen, als sie uns entdeckte. „Oh hallo. Ihr müsst also Rose und Milla sein.", rief sie auf Englisch und streckte Milla die Hand hin. „Und du bist Ivy?" Etwas verdutzt nahm sie ihre Hand, die sie prompt schüttelte. „Ja das bin ich. Du hast ja mein Lieblingsshirt an!", rief sie wieder und Milla zog den Kopf ein. „Ah...tut mir leid...ich..." „Das ist kein Problem. Es ist nur lustig, er jemand anderen tragen zu sehen." Sie musterte Milla, als wäre sie die lebendig gewordene Mona Lisa. Das T-Shirt war schwarz und enganliegend mit der weißen Aufschrift: „It's better to arrive late than to arrive hungry" „Steht dir." Und mit diesen Worten drehte sie sich so schnell zu mir um, dass ich Angst hatte, sie würde hinfallen. Sie streckte auch mir die Hand hin. „Wenn du Milla bist, musst...Ich meine wenn du Rose bist, dann muss sie...egal vergiss es. Ich bin Ivy." „Hi." Sie drückte meine Hand fest und schüttelte sie. Ihre Hand war feucht und heiß wie Lava. „Ihr seid die, die aus der Supay geflohen sind, nicht?" „Ja.", meinte ich und wusste nicht, ob sie das positiv oder negativ meinte. „Das ist voll aufregend! Wollt ihr mit mir und Lei zu Mittag essen?" Ich schaute zu Milla, die unschlüssig ihre Fingernägel begutachtete. Sie hob den Kopf. „Wir können ja alles zusammen essen.", schlug sie vor. „Also mit unseren Freunden noch..." Ivy nickte und ich biss mir auf die Unterlippe. Mein Bauch sagte mir, dass das Mittagessen ganz schön anstrengend werden würde.

Ivy ließ ihr Tablett so auf den Tisch fallen, dass es klirrte und plumpste auf den Stuhl neben mir. Ich nahm meine Gabel zwischen die Finger, um meine Nervosität zu überspielen. Am liebsten hätte ich wieder die Füße in die Hand genommen und wäre weggerannt. Grace saß mir direkt gegenüber, Emelie neben ihr, beide mit mörderischen Blick. Und bei beiden hatte ich keine Ahnung, was ich ändern sollte, damit sie damit aufhörten. Jo und ich hatten die Hände unter dem Tisch verschränkt. Wenn er glaubte, dass ich nicht hinsah, musterte er mich mit einem seiner undefinierbaren Blicke, die mir eine Gänsehaut über die Arme jagten. Die einzigen, die sich normal benahmen, waren Newt und Milla, die knutschend nebeneinander saßen. Um mich abzulenken, schnitt ich meinen Pfannkuchen auf und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Ich bemerkte Titus und winkte ihn zu uns. Er zog den Kopf ein und tat so, als hätte er mich nicht gesehen. Enttäuscht sah ich ihm dabei zu, wie er sich sein Tablett schnappte und sich allein an einen Tisch setzte. Ich stupste Jo an die Seite. „Titus sitzt da ganz allein und will nicht zu uns rüberkommen.", wisperte ich. „Vielleicht sind wir zu abschreckend.", witzelte er. „Oder er wartet auf jemanden." Ich warf einen letzten Blick auf Titus, bevor ich zu essen anfing. „Er verhält sich seltsam.", widersprach ich. „Du kennst ihn doch gar nicht.", mischte sich Grace ein. „Vielleicht will er einfach nur seine Ruhe." Sie strich sich eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ich beherrschte mich, um nicht mit den Zähnen zu knirschen. Sie hatte ja recht. Aber...egal. Mein leerer Magen meldete sich und ich fing an zu essen. „Du hälst die Gabel falsch." Grace zeigte mit ihrem Messer anklagend auf meine Hand und fuchtelte damit herum, als wollte sie damit mich zerschneiden. „Messer, Gabel, Schere Licht, sind für kleine Kinder nichts." , erwiderte ich trocken und steckte mit so gelassen wie möglich ein Stück Pfannkuchen in den Mund. Grace lächelte boshaft. Mit Entsetzen starrte ich auf mein Essen, dass in Sekundenschnelle von einem Grünen Flaum überdeckt wurde. Der Pfannkuchen wurde plötzlich bitter. Schnell spuckte ich den verschimmelten Pfannkuchen in eine Serviette. Milla stupste mich mit ihrem kleinen Finger an und der eklige Geschmack in meinem Mund verschwand. „Danke." Immer noch etwas aus der Fassung starrte ich meinen Teller an. „Was hast du eigentlich gegen mich?", wollte ich wissen und schaffte nur mit Mühe den Zorn in meiner Stimme zurückzuhalten. Sie zeigte mir nur ihre schneeweißen Zähne und biss genüsslich in ihren Pfannkuchen. „Was soll das?", empörte sich nun auch Jo und ballte seine Hände zu Fäusten. „Sie hat dir nichts getan." „Ich hol mir einen neuen Pfannkuchen.", murmelte ich und stand mit meinem Tablett auf.

Die Magie der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt