24.0 Vierundzwanzig (Teil 1)

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Jemand rüttelte mich wach. „Aufwachen!" Ich hob die Lider. Die Hitze des Feuers hatte meine Haut erhitzt, und ich fühlte mich als hätte ich Fieber. „Was ist?", krächzte ich. „Das Feuer hat sich ausgebreitet. Wir müssen weiter zurück." 

„Ach du grüne Neune", entfuhr es Milla, die auch geschlafen hatte. „Lasst mich das kurz abchecken.", sagte Emelie und schoss in die Höhe. Wir starrten schweigend auf die ächzenden Bäume, die das Feuer verschlang. Wir hatten einen Waldbrand ausgelöst. Was konnte denn noch schiefgehen? Ich würde mich nicht wundern, wenn wir gleich von Killerinsekten gestochen würden. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Es war hier einfach unfassbar heiß. Die Luft schien zu glühen. Das Blätterdach raschelte. Emelie kam zurück. Ihr Gesicht war rußverschmiert. „Wir sind an einem Waldrand. Das Feuer breitet sich dort besser aus. Wenn wir weiter in die Richtung laufen, kommen wir irgendwann an einen Bach, der uns vielleicht etwas Schutz bietet." Ich nickte. Ich wollte einfach nur noch weg von der Hitze. „Hoffentlich ist die Fleur nicht komplett zerstört.", seufzte Newt.

Wir flohen vor der glühenden Hitze und liefen immer tiefer in den Wald hinein. Man konnte ihn mit dem Regenwald der Erde vergleichen. Je weiter wir und von der Fleur entfernten, desto feuchter wurde die Luft. Ich hatte das Gefühl über einen dampfenden Wassertopf gehalten zu werden. Überall raschelte und krabbelte es. Ich betrachtete fasziniert Blüten, die so groß waren wie Teller. Sie hatten eine grelle pinke Farbe, die einen die Augen tränen ließ. Vögel flüchteten vor dem Feuer, alle Tiere trieb es in die Richtung in die wir liefen. Es war schwierig voranzukommen, doch Newt ließ Efeu wachsen, der sich um die Sträucher schlängelte, sodass ein schmaler Trampelpfad entstand. Endlich erreichten wir den Bach. Er war ungefähr einen Meter breit. Nicht das, was wir erhofft haben, aber immerhin besser als gar nichts. Die Äste der mächtigen Bäume berührten sich. Ich bezweifelte dass der Bach das Feuer aufhalten konnte. Aber da es im Wald sehr feucht war, breitete sich das Feuer nur sehr langsam aus. Wir sprangen auf die andere Seite und wir setzten uns auf eine dicke Wurzel eines Baumes. Jetzt hieß es abwarten. Milla lehnte sich an die Wurzel, Newt saß hinter ihr und begann ihre Haare zu flechten. „Was machst du da?", beschwerte sich Milla. „Ich..ich flechte dir die Haare." Sie verdrehte die Augen. „Das sehe ich." Sie schlang ihre Arme um ihre Beine, wehrte sich aber nicht. Ich musste lächeln. Die zwei waren so süß zusammen. Wenigstens hatten die beiden sich gefunden. Das Warten machte uns alle wahnsinnig. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und ließ auf und ab, während Emelie alle paar Minuten in die Höhe flog um sich das Desaster anzusehen. Genaugenommen war es kein Desaster. Gorn war wahrscheinlich tot. Die Supay würde wahrscheinlich auch ohne Gorn funktionieren, Das Dorf würde sich weiter um die Schule kümmern. Ich hatte es in den ganzen Trubel fast vergessen. Ich hätte mir das Dorf gerne mal angeschaut. Ich sah Emelies blonden Schopf wieder in Blätterdach verschwinden. Ich stand tief in ihrer Schuld. Wir alle taten das. Die letzte Nacht war einer der schlimmsten meines Lebens gewesen. Ich vermisste Jo so sehr. Und von Jasmin wollte ich gar nicht anfangen. Bevor sich meine Gedanken wieder im Kreis drehten, versuchte ich über etwas anderes nachzudenken. Mir fiel arbor wieder ein. Ich hatte keine Ahnung, was arbor alles konnte. Wie hatte ich ihn benutzt? Warum war meine Gabe davon abhängig? Und was bedeuteten all die Träume? Es waren keine normalen gewesen. Ich konnte mich gut an sie erinnern. Woran das wohl lag? An Magie, was denn sonst, beantwortete ich mir die rhetorische Frage. Als kleines Kind hatte ich unter Magie immer pinke Glitzerfeen vorgestellt, die Ballkleider herbeizauberten. Ich hatte immer nach Elfen im Garten gesucht, gehofft irgendwo ein bisschen Magie zu finden. Ich hatte gehofft eine Prinzessin oder Meerjungfrau zu werden. So einfach war das aber leider nicht. Warum musste eigentlich immer alles so kompliziert sein?

Jetzt fragte ich mich ob die Welt ohne Magie nicht einfacher wäre. Ich hatte genug Fantasybücher gelesen, um das zu wissen. In der Realität gab es keine größenwahnsinnige Zauberer, die die Möglichkeit hatten die Weltherrschaft an sich zu reißen. Leider hatte ich das Gefühl, selber in einem zu stecken. In einen skurrilen und grausamen noch dazu. Was war nur aus meinem langweiligen Leben geworden? Missmutig betrachtete ich die braune Brühe die Emelie Bach genannt hatte. Ich war keine Heldin. Ich hatte alles verbockt. Ich war nicht mutig oder schlagfertig genug dafür. Ich setzte mich ans Ufer. Hoffentlich waren dort keine Schlangen drinnen. Ich hatte Durst. Ich konnte nur beten, dass unser magischer Kühlschrank den Absturz überlebt hatte. Ich hatte keine Ahnung an wen oder was ich glauben sollte, aber als meine Familie starb, hatte ich mir immer vorgestellt wie sie in meinen Herzen sitzen. Ich stellte mir vor wie Jo dazu stieß...nein, dieses Szenario wollte ich mir lieber mich ausmalen. Das Gefühl, sie immer noch bei mir zu haben, tröstete mich. Aber was brachte das uns, wenn wir nichts mehr zu essen hatten? Ich wollte nicht verhungern oder verdursten. Hoffentlich waren die wilden Weiten nicht mehr allzu weit entfernt. Aber dann gab es kein zurück mehr. Was, wenn wir im Atlantik landeten? Ich hatte das Gefühl, tausend Ameisen krochen mir über den Rücken. Jo hatte recht. Wir hätten uns für alles ausrüsten sollen. Ob wir (noch benutzbare) Schwimmwesten auf der Fleur hatten? Moment... Die Fleur war eine Yacht. Wenn die Magie ihr übriges getan hatte, mussten wir doch irgendwo Schwimmwesten auftreiben können. Und was, wenn wir in einer Wüste landeten? Ich schlug mir innerlich gegen die Stirn. Das würde alles nur passieren, wenn wir nicht verhungern würden und wenn wir den Weg finden würden. Wer hätte gedacht, dass unser Leben mal von einem Kühlschrank abhängen würde. Wie sollten wir den überhaupt transportieren? Ich seufzte. Wenn ich meine alte Gabe noch hätte, wäre alles viel einfacher. Newt könnte Apfelbäume wachsen lassen. Frustriert setzte ich mich neben Milla. Ich durfte nicht so viel über unsere Zukunft nachdenken, das machte mir nur noch mehr Angst. Wir sollten irgendwas produktives tun. Konnte es nicht regnen? Wir saßen hier herum und warteten auf ein Wunder. Emelie kam zurück. Ihr Gesicht war rußverschmiert. „Wir können uns nicht mehr wie Tiere herum scheuchen lassen. Ich habe einen Weg gefunden, wie wir zur Fleur kommen." „Ist das nicht zu früh?", wollte Newt wissen. „Nein. Wenn wir noch länger warten, hat sich das Feuer so weit ausgebreitet, dass wir nicht mehr zur Fleur kommen. Außerdem ist die Umgebung schon völlig ausgebrannt. „Lass es uns versuchen.", sagte ich. Ich stand auf. Milla gab nach. „Also schön. Aber wenn wir als Grillhähnchen enden, bist du schuld.", meinte sie. Newt rührte sich nicht von der Stelle. „Ich bleibe hier." „Wie du meinst." Milla verdrehte die Augen und sprang über den Bach. „Aber...", wollte ich protestieren, als Emelie mich packte und über den Bach flog. „Viel Spaß!", rief sie Newt hinterher und ich stolperte ihr hinterher. „Was soll das? Wir können ihn doch nicht einfach.." „Schscht!" Ich stolperte über eine Wurzel. „Was soll das?" Milla schob ihr Kiefer nach vorne. „Der wird spätestens in ein paar Minuten auftauchen um zu schauen, ob wir noch leben." „Er will nur der vernünftige spielen.", ergänzte Milla. „Seid ihr euch da sicher?" Skeptisch runzelte ich die Stirn. „Absolut. Komm jetzt." Ich gab auf. Wenn die beiden sagten, Newt würde uns nicht im Stich lassen, dann würde das wohl hoffentlich auch so sein. Ich warf noch einen letzten Blick zurück. Newt saß immer noch auf der Wurzel und stocherte mit grimmiger Miene mit einem Ast im Boden herum. Ob wir ihn wiedersehen würden?

Die Magie der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt