31.0 Einunddreißig (Teil 1)

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Als ich die Blumenwiese begutachtete und mein weißes Kleid sah, wusste ich, dass sich wieder träumte. Das seltsame Gefühl nistete sich wieder in meinem Bauch ein. Ich wollte rennen. Ich wollte warten. Und wieder kippte die Welt vornüber und ich rannte wieder. Mein Herz schien zu zerbersten, als ich kurz stehen blieb und zurück schaute. Das war nichts. Niemanden, vor den ich wegrennen musste, keiner, auf den ich warten sollte. Doch meine Beine wollten weiter und zerrten mich über Felder voller Blumen, an Holunderbäumen, und Löwenzahn vorbei. Roter Fingerhut streifte meine Beine. Ich fiel. Voller Angst klammerte ich mich an einem Grashalm fest, der das einzige war, was mich am fallen hinderte. Eine Stimme, nicht mehr als ein Wispern grub sich in mein Ohr: Bleib! Erschrocken ließ ich den Grashalm los.

Ich riss mir die Bettdecke von Leib. Mir war viel zu heiß. Ich tapste auf Zehenspitzen zum Fenster und öffnete es. Als die kühle Nachtluft mir wie ein müder Falter ins Gesicht flog, schaffte ich es mich ein bisschen zu beruhigen. Ich sehnte mich nach Jo. Doch leider gab es hier keine Mini-Küchen, in denen ich mir einen Kakao kochen und Jo treffen konnte. Also setzte ich mich auf die Fensterbank und schaute nach draußen. Es war so angenehm ruhig. Ab und zu konnte ich ein Auto hören, doch die meiste Zeit war es still. Ich fühlte mich so sicher wie schon lange nicht mehr. Ich ärgerte mich darüber, dass meine Träume mir den Schlaf raubten. Hörte das denn nie auf?

Als ich mich wieder beruhigt hatte, legte ich mich wieder schlafen. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, befand ich mich in einem dunklen Raum, dessen einziger Farbtupfer ein Gemälde zu sein schien, dass Sonaria zeigte. Ich erkannte es an den glänzenden Seilbahnen und dem See außenrum, der in der Sonne glänzte. Der Raum besaß keine Fenster, besaß jedoch den gleichen Parkettboden wie in dem Hochhaus, durch das wir hierher gelangt waren. Obwohl der Raum stockdunkel zu sein schien, konnte ich die mit Ordnern vollgestopften Akten erkennen, die den Raum schrumpfen ließen. Hatte ich plötzlich Katzenaugen bekommen? Mein Blick fiel auf eine weiße Tür, die sich unscheinbar an die Wand lehnte. Ich versuchte sie zu öffnen, doch sie war verschlossen. Ich hatte meine Hand am Türrahmen platziert, als meine Fingerspitzen anfingen zu kribbeln. Erschrocken zog ich meine Finger weg und das vibrieren verschwand. Als ich meine Hand wieder auf den Türrahmen legte, war das Prickeln wieder da. War es etwa Magie? Neugierig schloss ich die Augen. Es waren eindeutig magische Schwingungen, die die Wand erzittern ließen. War es etwa arbor? Ich fuhr über die Wand. Als die Schwingungen stärker wurden, machte ich weiter, bis ich schließlich am dem Gemälde ankam. Ich nahm das Gemälde ab und entdeckte einen Tresor dahinter. Das Versteck war nicht gerade das ausgefallenste. Er war mir einem Zahlencode versehen. Frustriert strich ich über das weiße Material, aus das der Tresor gemacht war. War es nicht dasselbe wie in Sonaria? Die Schwingungen drängten mich dazu die Tür zu öffnen und das goldene Blatt darin an mich zu drücken. Wenn die Insigne schon ihr Eigenleben hatte, konnte sie dann nicht verstehen, dass das hier das Beste für sie war? Ich konnte nicht verhindern, dass meine Finger wie ferngesteuert über das Zahlenfeld glitten. Fünf. Meine hand krümmte sich, als ich verhindern wollte, dass mein Finger die nächste Zahl erreichte. Neun. Erst jetzt fiel mir die Tatsache in den Schoß, dass ich schon wieder träumte. Ich wollte nicht mir arbor in der Hand aufwachen, was würde Akaya von mir denken? Doch das schlimmste war, dass arbor mich kontrollierte. Ich konnte nichts dagegen tun, dass mein Zeigefinger die drei und dann die sieben berührte. Ein leises Klicken ließ mich zusammenfahren. Meine Hand griff zielsicher nach arbor. Ich versuchte sie mit meiner anderen Hand aufzuhalten, doch es klappte nicht. Sie bewegte sich kein bisschen. Ich musste aufwachen. Und zwar schnell. Ich versuchte die Matratze unter mir zu spüren, doch es klappte nicht. Das hier war kein normaler Traum. Kurz bevor ich arbor in meine Pyjamahose schieben konnte, gab ich mir eine Ohrfeige. Arbor fiel zu Boden.

Mein Kopf knallte schmerzhaft gegen den Bettrost von Leis Bett über mir. Ich saß schwer atmend im Bett und fuhr mir vorsichtig über die prickelnde Wange. Das Bett über mir raschelte. „Rose! Was ist?", hörte ich Leis leise Stimme über mir. „Nichts. Nur ein Albtraum.", flüsterte ich. „Du hast arbor gestohlen.", meinte sie und ich zog scharf die Luft ein. „Nein, hab ich nicht." Um mich selbst zu vergewissern, tastete ich mein Bett ab. „Ich mach das nicht mehr mit.", zischte ich leise zu mir selber und stand auf. Das Mondlicht malte gespenstische Umrisse an die Wand. „Was ist los?"; fragte sie mich und schlug die Bettdecke von sich weg. „ Hast du arbor?" „Nein!", empört drehte ich mich zu ihr um. „Wie kommst du auf diese Idee?" „ich habe geträumt. Du hast arbor Akaya direkt aus der Hand gerissen." „Nein habe ich nicht! Wie sollte ich auch?" Ihre Augen schienen das äußere meines Gehirnes in Pudding zu verwandeln. „Du träumst. Genau wie ich." Ich schnaubte. „Magie ist unberechenbar.", stieß ich schließlich hervor, unschlüssig, was ich sagen sollte. Sie legte den Kopf schief. „Was willst du mir damit sagen?" „Ich..." Ich ließ mich zurück aufs Bett sinken. „Du hast einfach nur geträumt. So wie ich. Lass uns wieder schlafen." „Was ist mit deiner Wange passiert? „Nichts. Bin gegen dein Bett geknallt. Gute Nacht." Ich legte mich wieder hin, um dieses schräge Gespräch zu beenden. Morgen war mein nächster erster Schultag, da wollte ich nicht gleich in der ersten Stunde wieder einschlafen. Der Kaffee musste dann das übrige tun. „Gute Nacht.", murmelte Lei, die Enttäuschung in ihrer Stimme unüberhörbar.

Die Magie der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt