Kapitel 21

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Ihr Blick war unsicher zu Boden gerichtet. Sogar ein Blinder hätte sehen können, dass sie nicht wusste was sie jetzt am Besten sagen könnte. „Du musst nicht.", meine Stimme klang ganz ruhig doch ich war nicht ruhig. Ich hatte Angst und war Unsicher was jetzt kommen würde. Kurz zögerte sie noch, bevor sie mich Starr ansah. „Vor zwei Jahren ging mein Vater mit meinem 3 Jahre alten Bruder spazieren und Brot holen. Du musst wissen, das haben sie früher jeden Tag gemacht.", ihre Stimme begann zu zittern doch ein kleines Lächeln schmückte ihr Lippen. Sie sah in die Luft. Man konnte ihr Ansehen das sie träumte. Es war, wie wenn ich ihre Erinnerungen hätte sehen können, doch ihr Lächeln verschwand. „So wie Früher. Das ist nicht lache. Sie kamen nie zurück. Wir haben gewartet. Eine Stunde. Zwei Stunden, und dann kam der Anruf. Ein Mann hatte die Kontrolle über sein Auto verloren und war direkt in die Bäckerei, in der mein Bruder und mein Vater waren, gekracht. 4 Leute starben.", kurz brach sie ab. Tränen rannen ihr die Wange hinunter. „Mein Vater hat schwer verletzt überlebt, aber er kann nicht mehr gehen. Seine Beine und die Wirbelsäule wurden zertrümmert als er von dem PKW eingequetscht wurde, als er versuchte meinen Bruder zu erreichen. Er spielte mit seinen Autos im Laden.", Lia begann tief einzuatmen. Ihr ganzer Körper zitterte, genauso wie ihre Stimme. Sie wurde immer leiser. Wir beide hatten Tränen in den Augen und obwohl ich wusste was mit ihrem Bruder passiert war, hoffte ich, dass sie mir jetzt sagte, dass er lebte. „Christoph war sofort tot. Mein kleiner Bruder, der sein ganzes Leben noch vor sich hatte. Der Junge, der am wenigsten dafür konnte.", mit diesem Worten begann sie lautstark zu weinen. Ich blieb kurz geschockt sitzen. Alles in mir krampfte sich zusammen. Okay Kathrin komm runter. Lia braucht dich jetzt. Mit zittrigen Knien stand ich auf um mich neben Lia fallen zu lassen. Die Tränen die meine Wangen hinunterliefen versuchte ich zu ignorieren. „Psst Lia. Ganz ruhig.", ich schloss sie in meine Arme wo sie nur noch lauter anfing zu schluchzen. „Er war drei. Er musste so früh sterben, weil ein anderer nicht aufgepasst hatte.", sie schluchzte. Ich hätte sie kaum verstanden. „Kathrin wieso müssen immer die Unschuldigen leiden? Die Unschuldigen zahlen.", ich spürte wie sie sich langsam beruhigte. Den Schmerz den sie spürte konnte ich nur erahnen. „Ich weiß es nicht.", meinte ich, während ich ihr beruhigend über den Rücken strich. „Es tut mir leid, dass du mich so erleben musstest.", mit einem Ruck war die ganze Traurigkeit aus ihrem Gesicht gewichen. Geschockt und überrascht sah ich ihr ins Gesicht. „Es ist nicht schlimm traurig zu sein.", widersprach ich ihrer Aussage. „Nein es ist vielleicht nicht schlimm, aber es bringt einen nicht weiter." Wie erstarrt sah ich sie an. Wieso traf mich dieser Satz so sehr? Wieso krampfte sich mein Herz zusammen? „Jedenfalls. Seit diesem Vorfall trinkt mein Vater nur noch. Er schlägt uns nicht! Aber er schreit. Und weint. Er ist in ein tiefes Loch gefallen, außerdem er nicht mehr alleine rauskommt. Meine Mutter hat alles versucht aber es geht nicht. Die Trauer, die Schuld und die Angst sitzen zu tief.", man hörte die Schärfe in ihrer Stimme. „Ich habe mir vorgenommen nicht aufzugeben. Weiterzuleben. Das Leben ist zu kurz um traurig zu sein und zu schön um aufzugeben. Wir sind der Autor unserer Geschichte, nicht das Schicksal. Alles in unserem Leben passiert aus einem Grund, der Grund ist vielleicht nicht immer sichtbar, aber er ist da. Er prägt uns, bildet uns weiter, macht uns stärker. Man muss nur unterscheiden ob man an Ereignissen, egal ob gut oder schlecht, wächst oder zerbricht. Ich habe diesen Weg eingeschlagen, und ich bereue es nicht.", lächelte sie. Mein Herz setzte kurz aus, bevor es anfing wie gestört gegen meine Brust zu hämmern. Ihr Satz hallte in meinem Kopf. Wir entscheiden. Hatte ich mich schon entschieden? Wollte ich wirklich den Weg gehen der mich zerstörte. „Ich hab dich lieb Kathrin.", Lia setzte sich neben mich. „Ich dich auch Lia.", ich versuchte so normal wie möglich zu klingen. „Du bist die erste Person der ich davon erzählt habe.", murmelte sie. Überrascht sah ich sie an. „Danke, dass du mir vertraust.", bedankte ich mich. Ich war froh Lia zu haben. In ihr hatte ich wohl wirklich eine Freundin gefunden. „Bitte nimm es dir nicht zu sehr ans Herz.", bat sie mich. Kurz zögerte ich, dann nickte ich. Wie konnte ein Mensch nur so stark sein? „Woher nimmst du dir deine ganze Freude. Deine Lebenslust?", wollte ich wisse. „Ich weiß nicht. Ich will einfach den Tag genießen, egal was kommt. Ich lebe wohl nach dem Motto „Das Leben ist ein Fest.", lächelte sie. Ich musste auch leicht lächeln. „Okay, genug Trübsal geblasen. Was wollen wir machen. Raus gehen wird nichts mehr, es ist kurz vor 6. Aber wir könnten einen Film schauen, oder Spiele spielen.", schlug sie vor. „Was für Filme?", harkte ich nach. „Truth or Dare?", schlug sie vor. Okay der klang nicht schlecht. „Nehmen wir den!", stimmte ich zu. „Sicha?", ich sah ihr verstecktes Lächeln. „Ja?", wiederholte ich meine Aussage. „Okay, dann hol ich mal den Film und mache Popcorn. Willst du was trinken?", fragte sie. „Nein danke.", lächelte ich. Nickend verschwand sie aus dem Zimmer. Lia war ein verdammt starkes Mädchen. Meine Gedanken begann sich um ihre Worte zu drehen. Wir müssen selbst entscheiden. Der Autor war ich und niemand anderes. Sie hatte zwar recht, aber wie schaffte man es von einem Weg auf den anderen zu wandern?

Just living is not enough                                                                                                                                            

You have to fight if you want to survive

LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt