Kapitel 23

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Lia neben mir, riss ihren Mund auf, doch ich hielt ihn ihr zu. Ich hatte schneller gehandelt, als mein Verstand überhaupt dachte. „Lia nicht schreien.", flehte ich. „Sonst hören sie uns." Meine Stimme zitterte. Tränen verschleierten mir die grauenhafte Szene. Eine von Lias Tränen lief über meine Hand. Wieder ertönte ein Schrei. Ein Schrei den ich nie wieder vergessen werde. Ein Schrei, der mir durch Mark und Knochen ging. Ich konnte den Schmerz fühlen. Shadow war bei ihr. Man konnte nicht viel sehen, dafür war es zu dunkel, doch den Kampf den die beiden führten, den hätte man sogar sehen können, wenn der Mond nicht geleuchtet hatte. „Hilfe.", die Stimme der Frau dröhnte voller Adrenalin. Ich musste etwas tun. Und bevor ich es mir anders überlegen hätte können, rannte ich los. Lia stand noch immer wie angewurzelt beim Fenster. Ich stürmte an Elisabeth und Liam vorbei, die mich entsetzt ansahen. Ich wusste, dass sie mir nicht hinterherkommen würden, mich also nicht aufhalten würden. Die Angst war zu groß. Mit einem Satz war ich die paar Stufen hinuntergesprungen um gleich darauf die Tür aufzuschließen und aufzureißen. Dort vor mir spielte die gleiche Szene, wie vor einer Minute. Shadow prügelte auf die Frau ein, die eindeutig schwächer war als er. Ich wusste, dass er seinen „Dolch" dabei hatte, aber wieso benutze er ihn nicht? Egal, jetzt sind andere Sachen wichtiger. Ich musste noch einmal tief einatmen, dann schloss ich meine Augen. „Shadow." Meine Stimme hallte in den leeren Gassen von London. Ich sah wie sich die Gestalten vor mir aufhörten sich zu verprügeln. Shadow lies die Frau zu Boden fallen, die ohne Probleme aufkam. Sie bewegte sich so, wie wenn sie keinen Kampf gehabt hätte. Es war doch eine Falle. O Shit O Shit o Shit. Mit einer Kopfbewegung machte er der Frau klar, dass sie verschwinden soll, und das tat sie auch. Sie lief, ohne Probleme, bevor sie auf einem Dach verschwand. Ohne irgendein Wort zu sagen rannte er auf mich zu. Er war schnell dran. Sehr schnell. Panik machte sich in mir breit. Selbst wenn ich jetzt wegrennen würde, wäre ich viel zu langsam. Mein Herz machte sich ebenfalls bemerkbar. Grob wurde ich an den Schultern und an dem Hals gepackt. Ein erstickter Schrei verließ meinen Mund. Ich wurde herumgezogen, bis mein Rücken gegen eine Mauer prallte. Aus Angst hatte ich meine Augen geschlossen. „Du bist viel zu gutherzig Shorty.", lächelte er. Langsam öffnete ich meine Augen, um ihn genau in seine zu sehen. Und obwohl es stockdunkel war, konnte man seine strahlend grünen Augen erkennen. Mein Blick wanderte zu seinen Lippen. Er? Er lächelte? „Dir macht es also Spaß die Einwohner dieser Stadt zu verängstigen und sie dann zu töten?", fragte ich spitz. Meine Stimme war scharf. „Bingo. Du lernst schnell.", meinte er. „Du solltest zurück ins Haus gehen. Nachts laufen hier immer ganz, ganz schlimme Menschen herum. Und ich will nicht das dir etwas zustößt. Das würde nur noch mehr Arbeit werden.", er scherzte, dennoch hörte ich auch den ernsten Unterton der mitschwang. Ich wollte ihm nicht widersprechen, deswegen nickte ich. „Ich werde dafür sorgen, dass niemand deinem Haus und diesem hier zu nahekommt." Sein Griff wurde zärtlicher. Er musterte mich noch einmal ganz kurz, bevor er mich losließ und einen Schritt zurückging. Ich blieb noch kurz stehen um ihn genau zu betrachten. Was war mit ihm los? Wieso war er plötzlich so nett zu mir? „Shorty. Ich weiß, ich bin umwerfend, aber ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.", lachte er. Ich verdrehte die Augen, bevor ich mich von ihm abwendete. Dieser Junge war mir ein Rätsel. Schnell lief ich zur Eingangstür. Dort drehte ich mich noch einmal um, doch er war bereits weg. Ich schloss die Eingangstür hinter mir, sperrte sie sicherheitshalber drei Mal zu, dann rannte ich die Stiegen hinauf. Dieser Junge machte mich verrückt. Warte, was dachte ich hier. Er war der Feind! Kurz schüttelte ich meinem Kopf, bevor ich das Vorzimmer betrat. „Hallo?", rief ich. „Katze.", Lias Stimme ließ mich sofort entspannen. Keine Sekunde später fiel sie mir um den Hals. Erst jetzt verarbeitete mein Körper das Treffen mit Shadow. Tränen schossen mir in die Augen. Das Adrenalin klang ab. Meine Beine fühlten sich plötzlich taub an. Hätte Lia mich losgelassen, wäre ich zu Boden gestürzt. „Mach das nie wieder. Bitte mach mir nie wieder so eine Angst.", auch Lia weinte. Hinter ihr tauchte der Rest der Familie auf. Elisabeth schloss mich ebenfalls in die Arme. „Du hattest recht, es war eine Falle. Zum Glück hat er dich am Leben lassen. Ich will nicht wissen was passiert wäre wenn du nicht schnell genug im Haus gewesen wärst.", Lia weinte weiter. Ich würde sie in dem Glauben lassen. Ich konnte ihnen doch nicht erzählen, dass ich Shadow besser kannte als jeder andere Einwohner. „Du hast ein gutes Herz Kathrin. Es war wirklich beeindruckend wie du der Frau helfen wolltest.", versuchte Lias Mutter uns aufzumuntern. Dankend sah ich sie an, was sie nur mit einem herzlichen Lächeln erwiderte. Ich hatte ein gutes Herz? Wieso tat es dann so weh? Und wieso war Shadow so nett zu mir gewesen? Und wieso dachte ich noch immer an ihn? Das musste aufhören, und zwar sofort. Er war..... Was war er eigentlich?

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