Kapitel 46

28 6 2
                                    

Aus Minuten wurden Stunden und aus Stunden wurde eine ganze Nacht. Eine ganze verdammte Nacht lag ich in meinem Bett, drehte mich von der einen Seite auf die andere. Seufzte, schrie frustriert auf, um dann wieder in meinen Gedanken zu versinken. "Wie oft noch.", schrie ich.

Wie oft wollte er mir noch den Schlaf rauben. Wie oft sollte sich meine Gedanken nur noch um ihn drehen. Verdammt. Wütend sprang ich auf. Mein ganzer Körper bebte. Mein Blick schoss zu meinem Balkon. Ich brauchte frische Luft. Und auch wenn es zirka 2 Uhr in der Früh war, riss ich die Glastür auf. Die frische und gleichzeitig eiskalte Luft blies mir ins Gesicht. Ließ mich meine Gedanken für ein paar Sekunden vergessen. Wieso verdrehte er mir meinen Kopf so sehr. Ich sollte ihn hassen. Aber wie konnte man jemanden hassen, der einem alles vergessen ließ.

Jede schlechte Erinnerung verschwand, sobald er bei mir war. Und auch wenn wir immer Diskutierten, wenn er bei mir war, ich konnte meine Gefühle nicht länger verdrängen. Der Junge hatte mich in seinen Bann gezogen. Seine mysteriöse Art, seine Distanz. Früher hatte ich mich von solchen Jungs ferngehalten, aber er zog mich Magisch an. Er nahm alles in mir ein, gab mir das Gefühl endlich daheim angekommen zu sein, und dass, obwohl er mir oft genug weh getan hatte. "Du solltest nicht hier draußen sein." Eine tiefe Stimme ertönte hinter mir. Mein Herz blieb stehen, während ich einen Schritt nach hinten ging. Direkt neben mir stand ein Junge.

Ich kannte ihn. Er war einer aus Shadows Gruppe. Komischer weise hatte ich keine Angst. Eher das Gegenteil. Ein Gefühl der Sicherheit machte sich in mir breit. So als kannte ich diese Person. Dennoch trat ich zurück, sah ihm tief in die Augen. Er beobachtete alle meiner Bewegungen, so als wäre ich seine Beute. Wie kam ich denn auf so einen Vergleich. Es vergingen wohl Minuten, bis er schlussendlich den Blick von mir Abwand, sich zum Big Ben drehte und seufzte.

Ich sah die Chance, um zurück in mein Zimmer zu laufen und die Tür hinter mir zuzuschmettern und abzuschließen. Erst jetzt wurde mir die Situation wirklich bewusst. Ich hätte hier gerade sterben können. Das war nicht Shadow, dem ich hier gegenübergestanden hatte. Diesem Jungen war egal was mit mir passiert.

Mein Blick glitt unschlüssig auf meinen Balkon, wo er eine weitere Sekunde stand, sich noch einmal zu mir umdrehte und dann verschwand. Mein Leben ergab keinen Sinn mehr. Seit ich nach London gekommen war, lief alles wie eine Achterbahn auf und ab. Alles war verwirrend. So viele neue Person und noch mehr Geheimnisse hinter ihren Masken.

~~

Wie erwartet brachte ich kein Auge zu. Mein Kopf brummte. Der 30te Dezember. Wie lange wollte er noch wegbleiben. Wie lange wollte mein Großvater denn untertauchen. Mir kein Lebenszeichen von sich geben. Seufzend setzte ich mich auf. Egal, er war ein erwachsener Mann. Er wusste was er machte. Hoffte ich jedenfalls. Ich musste auf andere Gedanken kommen, weswegen ich ohne lange Nachzudenken in die Dusche sprang. Das heiße Wasser rief ein angenehmes Gefühl in mir hervor. Danach trocknete ich mich ab, schaltete mein Handy an und begann wie eine wilde durch den Stock zu tanzen.

Musik konnte mich schon immer in ihre Macht ziehen. Was würde ich nur ohne sie machen. In meinem Zimmer angekommen checkte ich nebenbei meine Mails, stellte fest, dass ich jedoch nichts erhalten hatte. Was für eine Überraschung. Doch ich wollte mir meine gute Laune nicht verderben lassen. Schrieb stattdessen eine Nachricht an Lia. Vielleicht wollte sie vorbei-schauen.

"Leider stecke ich hier fest. Meine Tante und ihr nervtötender Freund sind da. Wollen wir am Abend teln?"

Lächelnd sah ich zuerst die Nachricht und dann die Uhrzeit an. Okay, es war gerade einmal halb 12. Was sollte ich mit einem Tag wie diesen Anfangen. Shadow würde erst gegen 8 hier auftauchen. Nachdenklich sah ich nach draußen. Der Himmel war wolkenfrei. Wieso nicht einfach einen Spaziergang machen?Es würde mir sicher nicht schaden. Schlussendlich hatte ich das schon lange nicht mehr gemacht. Einfach abschalten und sehen wohin ich meine Beine tragen

~~

Also packte ich meine Geldbörse, Handy und Kopfhörer in meine Jackentaschen, lief hinunter zur Eingangstür. Schnell die Schuhe an, raus und zusperren. Tief atmete ich ein. Die kalte Dezemberluft füllte meine Lungen. Ein befreites Gefühl machte sich in mir breit. So, als könnte ich mich all meinen Problemen stellen. Schnell stöpselte ich mir meine Kopfhören in die Augen, drehte meine Playlist auf. Leise mitsummend ging ich los. Seit ich Lia von allem erzählt hatte, fühlte ich mich um so vieles leichter. Ich wusste, dass es noch irgendwo da war.

Es würde nicht einfach weggehen und wartete nur darauf zurück zu kommen und mich zurück auf den Boden zu werfen, aber ich war bereit zu kämpfen. Es war Zeit sich meiner Angst zu stellen, was hieß ich musste Risiken eingehen. Mit dem neuen Jahr würde ich mit einem neuen Lebensabschnitt beginnen. Aufgeben war keine Option mehr, ich wollte nicht zu optimistisch sein, noch zu viel Enthusiasmus hineininterpretieren.

Dieser Kampf war noch lange nicht gewonnen, und die neuen Gefühle, die dank jemanden gewissen dazukamen, machten mir dieses Spiel nicht einfacher. Zudem er mich noch mehr verwirrte als alles andere auf dieser Welt. Seine Art, seine Entscheidungen. In einem Moment sieht er mich so an, als wäre ich das wichtigste in seinem Leben und im Nächsten bin ich eine Kakerlake, die er nicht loswerden kann.

Er war ein Mysterium in sich. Noch dazu kamen die Morde, die trotz unserem "Kontakts" nicht abnahmen. Ich konnte ihn nicht einschätzen, und das machte mich verrückt. Er machte mich verrückt. Vor lauter Gedanken wusste ich gar nicht wo ich hingelaufen war, bis ich mich überrascht umsah. Ich war zu dem Buchladen gleich neben meiner Schule gelaufen. Der Ort an dem ich Alex das erste Mal getroffen hatte. Augenblicklich zog sich mein Herz zusammen. Da war ja auch noch eine Kleinigkeit gewesen. So viel zu, mein Leben wird besser.

"Kath? Was machst du denn hier?"

Okay Leben ernsthaft? Irgendwo gibts dann auch eine Grenze, oder?

LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt