Kapitel 35

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Das Wochenende verging genauso schleppend wie die Tage zuvor. Von Tag zu Tag wurde es immer früher dunkel und eiskalt. Genauso fühlte es sich in mir an. Meine ganze Lebensfreude war wieder auf den Nullpunkt gesunken und meine Gedanken versuchten erneut mich zu ertränken. Genauso wie das Treffen am Samstag. Da stimmte etwas nicht, ganz und gar nicht. Sie verhielten sich alle so komisch. Wäre es wirklich nur um das Wiedersehen mit mir gegangen, dann wären sie länger geblieben und nicht gleich abgezogen, als ich den Raum betreten hatte.
"Ich kapiers nicht!", Lias Murmeln riss mich aus meinen Gedanken und brachte mich so dazu, auf die Tafel zu schauen auf der unendlich viele Zahlen standen. Verdammter Mathe-Kurs. Nicht nur meine Geduld ging gerade flöten. Jeder in meiner Klasse hang gelangweilt über seinen Aufzeichnungen, unsere Lehrerin hingegen versuchte weiter angeregte uns die Formeln einzutrichtern. "Das ist doch nichtmal so schwer.", okay Fehlanzeige, auch ihre Geduld ging zu Ende. Dementsprechend kam ihr die Glocke, die die Stunde beendete, nur zurecht. Schnell packten wir alle unsere Sachen ein, bevor wir aus der Klasse liefen. "Schaut euch das gut an, das ist der Stoff für den nächsten Test!", doch niemand hörte ihr mehr zu.
"Na endlich. Ich dachte die Stunde vergeht gar nicht.", seufzte Lia, bevor sie sich auf eine der Bänke fallen ließ. "Gut, also bin ich nicht die einzige, die das gerade auch nicht verstanden hat.", murmelte ich erleichtert. Lia nickte zustimmend. "Und Katze, wie war dein Wochenende? Spannend?" "Also, wenn du Langweilig meinst? Dann Ja! Einfach nur langweilig. Deines?", Lia neben mir begann zu kichern. "Ich kann mich dir nur anschließen. Unsere Familientreffen sind immer stink langweilig.", lächelte sie. Leicht lächelte ich zurück. Ich musste an meine Familientreffen denken. Ich hatte mich immer mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, einfach, weil es immer so langwierig und langweilig war. Schlussendlich musste ich dennoch immer mit. Ein Lächeln huschte mir auf die Lippen. Sobald ich dort gewesen war, genoss ich es. Einfach weil ich umsorgt wurde und es leckeres Essen gab. Wer liebte soetwas nicht? Man fühlt sich dann so sicher und geliebt. Eine plötzliche Leere erfüllte mich. Seit meine Eltern gestorben waren, hatte ich jedoch nichts mehr von ihnen gehört. Weder von meiner Tante, noch von allen anderen. Es wurde sich weder erkundigt ob es mir gut ging, oder ob es mir bei meinem Großvater gefiel, noch ob ich mit dem Tot der beiden klar kam. Nichts, rein gar nichts. Alles in mir krampfte sich zusammen, während alle Gedanken die ich bis vor kurzem noch verdrängt hatte zurück kamen und mir einen Schlag in den Magen verpassten. Sie waren doch so lange weg gewesen. Ich hatte sie doch so gut ausblenden können. "Katze ist alles okay? Du bist ganz blass.", ich nahm Lias Stimme nur leise war. Zu sehr verschlangen mich meine Gedanken. Ich kümmerte niemanden. Es war egal ob ich lebte oder starb. Ob es mit gut ging oder nicht. Meine Gedanken begannen durchzudrehen. Ich begann mich zu verkrampfen, damit ich ja nicht anfing zu weinen. Eine Hand legte sich auf meine Schulter, die mir einen Herzinfarkt bescherten. Diese zögerlich Bewegung holte mich zurück auf die kalte Bank. "Kathrin, was ist los?", völlig neben der Spur sah ich in Lias ängstliche Augen. "E..es geht schon. Sorry ich war in Gedanken.", ich versuchte mich zu sammeln, ich wollte mich nicht verraten oder aufregen erwecken. Unruhig begann ich mich mit den Enden meines Pullis zu spielen. So gut es nur ging hielt ich ihren misstrauischen Blick stand. Um es noch überzeugender wirken zu lassen, setzte ich eines der besten fake Lächel auf, die ich zu bieten hatte. "Lia, es ist alles gut.", meine Stimme klang jetzt fest und überzeugt, aber dass was ich sagte war gelogen. Ich hatte mir versucht einzureden dass alles okay ist. Das mein Leben anfing besser zu werden und, dass ich davon weg kam, doch das tat ich nicht. Ich rutschte mit jeden Tag nur noch mehr in dieses fucking Loch, und das, ohne das ich es bemerkte hatte. Ich war wohl einfach zu blind gewesen um es mitzubekommen. Der Schmerz lag wohl doch zu tief um einfach zu verschwinden, oder um ihn einfach zu vergessen. Ich konnte auf dieser Welt nicht mehr glücklich werden, ich würde es wohl erst in meinem nächsten Leben können. Hoffentlich würde mein nächstes besser sein als diese. An einen Ort ohne Kriege, ohne Unterdrückung, ohne Hass und ohne Vorurteile. Was brachte es einen, hier zu leben, wo doch eh alles ein Ende nehmen würde. Früher oder später starben wir doch alle, was machte es da einen großen Unterschied ob ich noch 2 Tage länger hier blieb? Schlussendlich war ich doch bloß Sauerstoffverschwändung....

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