Kapitel 36

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Jetzt saß ich hier. Über meine Blätter gebeugt dachte ich nach. Über die Welt, über mich und über meine Probleme.
Weihnachten rutschte immer näher. Immer mehr Menschen versetzten sich in Weihnachtsstimmung, wurden Glücklich und hatten Spaß. Jeder, außer mir. So gut es ging versuchte ich den Gedanken daran, ohne meine Eltern feiern zu müssen, zu verdrängen, aber ich scheiterte. In den letzten Tagen hatte ich mich wieder zurück gezogen. Ich versuchte so wenig wie möglich mit Menschen kommunizieren zu müssen oder jeglichen anderen Kontakt zu vermeiden, was dank Lia gar nicht so leicht wurde. Dieses Mädchen setzte alles daran mich in gute Stimmung zu versetzten. Einfach unglaublich. In London wurde es wieder verdächtig still. Alex und Luke hatte ich nicht mehr gesehen. Kein Lebenszeichen. Vor kurzem wurde die Polizei eingeschalten um Luke zu suchen, doch sie fanden rein gar nichts. Es war, wie wenn es ihn nie gegeben hätte, als hätte der Boden ihn verschluckt. Innerlich betete ich, dass ihm nichts passiert und er wohl auf war, doch ein komisches Gefühl in meinem Magen verriet mir, dass er nicht ohne Grund abgetaucht war. Doch die Hoffnungen, ihn zu finden wurden von Tag zu Tag immer kleiner. Nicht nur bei mir, sondern bei jedem. Überall hangen Blätter mit Bildern von ihm, darunter die Nummer seiner Eltern. Auch Lia begann langsam durchzudrehen. Ihre "große heimliche" Liebe war von einem Tag auf den anderen verschwunden, und sie war die Letzte, die ihn lebendig gesehen hatte. Sie versucht zu verstecken wie sehr sie das Verletzte, aber ich konnte es ihr ansehen. Mir zerbrach es das Herz  zu wissen, dass ich ihr nicht helfen konnte. Das konnte nur Luke. "Was zeichnet du denn schönes Shorty.", eine tiefe Stimme und zwei Hände die sich auf meine Schultern legten, rissen mich aus meiner Träumerei. Zögernd drehte ich mich um. Das Herzklopfen und den Schmerz der sich in meinem Magen auftat verdrängte ich. "Was willst du hier.", fauchte ich, überraschend selbstbewusst, bevor ich seine Hände abschütteln und aufstand. Ich atmete tief ein bevor ich mich selbstsicher hinstellte. "Dich sehen!", seine Ehrlichkeit brachte mich aus dem Konzept. Meine Spannung fiel mit der nächsten Sekunde ab. Das Selbstbewusstsein verschwand wie nichts. Ehrlich gesagt hatte ich mit etwas ganz anderem gerechnet. Etwas  Schlimmen oder furchteinflößendem Ich musste ihn wohl angesehen haben wie einen Außerirdischen, denn er begann leicht zu lächeln. Okay, da hatte jemand wohl einen guten Tag gehabt. Schnell versuchte ich den Schock runter zu spielen. Ein einfaches "Aha"sollte dass alles noch bestärken. Mein Blick fiel direkt in Shadows wunderschöne Augen. Warte was. Haha wer hat das gesagt? O Gott ich Dreh durch. Schnell drehte ich mich zur Seite um aus meinem Fenster zu sehen. Ich spürte wie er auf mich zu trat. Er war mir plötzlich so nah, dass ich die Wärme spürte, die von seinem Körper ausging. Zärtlich legte er seine Finger unter mein Kinn, um es leicht hinauf zu drücken. Alles in mir zog sich zusammen, und dort wo er mich berührte begann alles zu kribbeln. Gezwungenermaßen musste ich ihm in die Augen sehen. Erst jetzt begann ich ihn wirklich zu Mustern. Ihn und seine Maske. Die Maske war wirklich schwarz, so schwarz wie die Nacht. Sein Daumen begann meine Wange zu streicheln. Dadurch brachte er mich völlig aus dem Konzept. Ich wollte das hier doch gar nicht. Ich meine, er war der Feind. Seine vollen Lippen öffneten sich, doch es kam kein einziges Wort aus ihnen. Kurz konnte ich seine verdammt weißen Zähne sehen. Fuck, was für ne Zahnpaster verwendet der bitte. Warte was? Innerlich schlug ich mir ins Gesicht. Woher kamen den bitte diese dummen Gedanken? Und wieso konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Wieso wollte ich ihm unbedingt auch berühren. "Kathrin.", seine Stimme verpasste mir eine Gänsehaut. Dank ihm klang mein Name besonders. "Ja?" Lass das nicht zu. Meine innere Stimme und meine Vernunft schalteten sich ein, doch ich ignorierte sie. Ich wollte nicht, dass das hier endete. "Du bist wunderschön.", vorsichtig strich er mir eine Strähne zurück. Meine Beine wurden ganz weich. Alles in mir begann zu jubeln. "Halt Stopp.", schrie es in mir. Er wird mich nur verletzten. Er ist nicht gut für mich, und obwohl ich das wusste verschwand das wunderbare Gefühl in meinem Magen nicht. Es blieb. "Eigentlich bedankt man sich wenn man ein Kompliment bekommt.", Shadows freche Bemerkung riss mich aus meinen Gedanken. Geschockt sah ich mich an. "D..danke.", wow Kathrin. Stottern? Total normal, ich mein. Shadow begann zu lächeln, während meine Wagen rot anliefen. Von unten hörte ich ein Auto in unsere Einfahrt einfahren. Shadow atmete genervt aus, bevor er mir noch einmal direkt in die Augen sah. "Ich komme morgen wieder. Also ich versuch es.", versprach er. Ich konnte bloß nicken. Ich hatte extreme Panik, dass mein Großvater einfach das Zimmer betrat. Dem entsprechend klopfte mein Herz fast schon schmerzhaft gegen meine Brust. "Okay Shorty, wir sehen uns morgen.", er warf mich noch einen schnellen atemberaubenden Blick zu, bevor er in der Dunkelheit verschwand. Woher kam diese plötzliche Zärtlichkeit. Seine Fröhlichkeit und die Freude? Was war passiert, was ihn so veränderte? Er musste doch wohl einen Grund haben, niemand war einfach so glücklich. Menschen waren nicht dazu ausgelegt Glück oder Fröhlichkeit zu empfinden. Wir waren negativ eingestellt. Jeder einzelne von uns, also was verleitete ihn, nett zu mir zu sein? Seufzend lehnte ich mich auf meinen Schreibtisch, wo ich einen erneuten Blick auf meine Zeichnungen warf. Seit längerem zeichnete ich nur noch einen. Und mit den Moment, indem mein Blick auf den Zettel fiel verstand ich, dass ich begann mehr für ihn zu empfinden. Ich begann ihn zu mögen. Ein Monster, einen Mörder.

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