chapter fifty-seven

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Wir mussten während des letzten Films eingeschlafen sein, denn ich wurde mitten in der Nacht wach und der Fernseher lief noch. Vladimir atmete gleichmäßig ein und aus und lag quer, über seine Hälfte der Couch. Eine Eckcouch war schon eine schöne Erfindung, dachte ich mir, während ich einen der Pizzakartons wegschob.
Seitdem ich schwanger gewesen war, wurde ich in der Nacht ständig wach, weil ich entweder Schmerzen hatte, oder auf die Toilette musste. Es war noch nicht einmal ein Drittel der Schwangerschaft um und ich war unglaublich genervt.
Nachdem ich etwas getrunken hatte, versuchte ich wieder zu schlafen, konnte es aber nicht. Seufzend nahm ich mein Handy und wollte mir ansehen, was es Neues gab. Mit der Erwartung, wieder Blödsinn über mich zu lesen, öffnete ich Twitter und scrollte meine Timeline entlang. Zu meiner Überraschung war dort nichts Außergewöhnliches. Ich las, dass sich irgendwelche bekannten Paare getrennt hatten und andere große Models miteinander stritten, aber nichts davon war über mich. Nachdem ich über all den Promi-Klatsch informiert war, wechselte ich die App und sah mir an, was andere so für Bilder posteten. Wieder stolperte ich über eine Fanpage für mich und las die netten Texte, die über mich geschrieben wurden. Es mochte selbstverliebt klingen, aber es machte mich glücklich, Komplimente zu lesen. Nach den ganzen Beleidigungen, die ich grundlos bekommen hatte, war es einfach eine nette Abwechslung.

Ich verbrachte über eine Stunde auf irgendwelchen Apps und sah mir an, was alle Menschen so machten. Irgendwann musste ich mit einem Handy eingeschlafen sein, denn als ich das nächste mal meine Augen öffnete, war es schon wieder hell geworden, und mein Smartphone lag am Boden. Ich blinzelte ein paar Mal und drehte mich, dabei blickte ich direkt in die blauen Augen von Vladimir. Er lag mit dem Rücken an der Seitenlehne, und somit etwas weiter weg von mir. In seinen Händen war sein iPhone.

»Guten Morgen!« grinste er mich an.

»Morgen. Seit wann bist du wach?« wollte ich wissen und streckte mich währenddessen.

»Nicht lange. Vielleicht fünfzehn Minuten.« murmelte er und sah mit ernstem Blick, auf sein Handy.

»Was ist los?« wollte ich wissen und er seufzte.

»Noah nervt.« rollte er mit den Augen und ich lachte auf.

»Wenigstens hast du einen Freund, über den du dich beschweren kannst!« scherzte ich, spürte aber ein Stechen, in meiner Brust, sobald ich es aussprach.
Um schnell das Thema zu wechseln, fragte ich ihn, ob er Hunger hatte, was er verneinte. Wir dachten nach, ob wir irgendwo hingehen wollten, doch entschieden uns dann einfach dazu, den Tag auf der Couch zu verbringen. Vladimir war erschöpft, weil er direkt von einem Job aus Paris zu mir geflogen war und ich hatte keine Lust gehabt, die Wohnung zu verlassen. Und so wie wir es uns vorgenommen hatten, lagen wir den ganzen Tag rum und sahen uns Filme an. Irgendwann bestellten wir Pizza und so ging es dann weiter, bis zum Abend. Wir redeten viel und lachten. Mir taten solche faulen Stunden auf der Couch, mit den richtigen Menschen an meiner Seite, echt gut. Kurz bevor wir schlafen gingen, rief Vladimirs Freund, Noah, ihn auf FaceTime an. Ich lag auf dem Boden vor Lachen, weil er echt witzig war. Er zwang Vladimir dazu, ihm zu versprechen, dass er ihn attraktiver fand, als mich, was mich zum auflachen brachte.

»Melli, schau, ich bin schwul, aber er ist nur so... halb schwul. So fake-schwul. Da muss ich mir eben Sorgen machen, dass er sich plötzlich wieder in jemanden verliebt, der Brüste hat!« versuchte Noah mir seine Sorgen näher zu beschreiben, lachte dann aber selbst auf.

»Aber bei dir mache ich mir keine Sorgen. Du würdest so einen wie Vladimir eh nicht wollen.« scherzte er, worauf er und ich lachten, während sein Freund neben mir, beleidigt auf sein Display sah.
Noah war wirklich sympathisch und wir nahmen uns vor, uns mal richtig kennenzulernen, sobald sich die Möglichkeit ergab.
Irgendwann, kurz nach Mitternacht, ließen Vladimir und ich uns in meinem Bett nieder. Ich konnte es mit meinem Gewissen voll und ganz vereinbaren, mit ihm in einem Bett zu schlafen, und ihm war es sowieso egal.
Neben mir hörte ich kurze Zeit später ein gleichmäßiges Atmen, während ich noch hellwach war. Ich dachte darüber nach, wie glücklich Noah und Vladimir in ihrer Beziehung waren. Es war schön so etwas zu sehen, aber es tat auch weh. Mein Gehirn realisierte immer noch nicht richtig, was eigentlich zwischen Harry und mir passiert war. Er hatte sich einfach aus meinem Leben geschlichen. Ich war bei dem Punkt angelangt, wo ich mich ohne ihn, genauso fühlte, wie mit ihm. Nur etwas verletzter und mental gebrechlicher. Wie konnte ich das zulassen?

Weil mich meine Gedanken nicht schlafen ließen, ging ich mit einem Glas Wasser nach oben, auf meinen Balkon. Ich ließ mich auf einem der zwei Sessel nieder und atmete etwas frische Luft ein. Für eine Sommernacht war es relativ windig, weswegen ich von drinnen eine dicke Decke holte. Ich blickte durch die Glastür, auf die Uhr an der Wohnzimmerwand. Fast drei Uhr nachts. Seufzend lehnte ich mich zurück. Toll. Wenn ich mal nicht wegen den Babys in mir wach war, dann wegen dummen Gedanken, die nicht aus meinem Kopf wollten. Ich fragte mich, was Harry in dem Zeitpunkt wohl tat. Wahrscheinlich schlief er, wie alle anderen normalen Menschen. In London war es fast zwei Uhr nachts, natürlich schlief er, dachte ich mir. Weil mich meine Neugier dann aber doch viel zu sehr packte, ging ich nochmal rein und nahm mir meinen Laptop, der auf dem Couchtisch lag.
Ich scrollte durch die ganzen Updateseiten über ihn, doch dort stand nichts Besonderes. Es schien so, wie als ob man nicht wirklich wusste, was er tat, oder wo er sich aufhielt. Ich sah nach, ob er mir vielleicht wieder gefolgt war, doch war er nicht.
Mir fiel ein, dass er früher ein geheimes Privatprofil gehabt hatte, auf dem ihm nur seine Freunde und Familienmitglieder gefolgt hatten, welches er aber löschen musste, weil Fans darauf aufmerksam geworden waren. Vielleicht hatte er ein neues? Ich dachte mir verrückte Namenskombinationen aus, von denen ich mir vorstellen konnte, dass Harry sich so nannte, doch ich fand nichts. Ich suchte in den Followern von seiner Mutter und seiner Schwester, oder von seinen Bandkollegen, nach mir auffälligen Profilen, doch ich fand nichts. Es wäre auch absolut verrückt gewesen, wenn ich das so einfach gefunden hätte, dachte ich mir seufzend. Vielleicht hatte er aber auch kein zweites Profil. Ich ging wieder auf Fanpages und sah mir an, was sie über ihn posteten. Einige schrieben natürlich wieder, dass es meine Schuld war und, dass ihm die Trennung weh tat. Ich wollte mich zwar nicht mehr auf die negativen Kommentare konzentrieren, aber es macht mich wahnsinnig, dass Leute dachten, dass Harry sich zurückzog, weil ich Schluss gemacht hatte. Für die Medien sah es nämlich so aus, wie als ob ich diejenige war, die jetzt glücklich war und er derjenige, der sich mit einem gebrochenen Herzen, in seinem Haus verbarrikadierte. In meiner Wut ging ich auf Twitter und verfasste einen kurzen aber aussagekräftigen Tweet. 

"Nicht alles, was in der Zeitung steht, ist so passiert, wie es dort geschrieben wird. Merkt euch das. Gute Nacht." 
Ich sah mir noch kurz an, was der Text, den ich da gepostet hatte, für Diskussionen auslöste, bevor ich den Laptop schloss und mich wieder unten ins Bett legte. Tatsächlich schlief ich kurz darauf ein.

love destroyed through truth 2 | [H.S.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt