chapter twenty-eight

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Nachdem mein Gespräch mit Camila beendet war, rief ich meine Schwester Nadja an. Unter Tränen erzählte ich ihr alles. Ich bat sie darum, unseren Eltern vorerst nichts zu sagen. So wie ich es erwartet hatte, unterstützte sie mich und sagte mehrmals, dass alles gut werden würde.
Nachdem auch das Telefonat mit ihr beendet war, legte ich das Handy auf meine Beine und sah auf die Lichter von Stockholm.
Mommy Melli und Daddy Harry, hm. Ich blickte auf meinen Körper hinab. Durch diese Hüften konnte ich absolut kein Kind pressen, das stand fest. Desto länger ich dort saß, desto mehr Gedanken, Sorgen und Probleme stürzten auf mich ein. Angefangen bei, wie ich es meinen Eltern sagen sollte, über die Öffentlichkeit und die Medien, bis hin zu wo das Kind leben sollte. London? Wien? Wollte Harry überhaupt, dass man wusste, dass er Vater war? Vielleicht würde er mich wirklich einfach nur überfordert und alleine, in meiner Wohnung mit dem Baby lassen und jeden Monat etwas Unterhalt überweisen. So ein Kind kostete doch Unmengen an Geld.
Für Stunden hatte ich nicht wirklich aufgehört zu weinen. Andere Paare versuchten verzweifelt schwanger zu werden und ein Kind zu bekommen und dann gab es da mich. An sich konnte ich mir schon vorstellen, mal Mutter zu werden, aber nicht mit zwanzig. Mir fiel ein, dass ich bald Geburtstag hatte und mein Kind wohl mit einundzwanzig bekommen würde. Meine goldene Faustregel war immer, keine Kinder vor dreißig. Tja. Das Baby würde eine einundzwanzig jährige Mutter und einen vierundzwanzig jährigen Vater haben. Schade eigentlich, dass ich mit zwanzig Jahren schon zu alt für eine dieser Fernsehsendungen war, in denen Teenager Kinder bekamen.
Ich war so vertieft in meine Gedanken, dass ich das Öffnen der Balkontür nicht wahrnahm. Harry setzte sich gegenüber von mir auf den zweiten Sessel und sah mich an. Mein Blick fiel auf ihn und wir starrten einander einfach still an.

»So etwas hatte ich absolut nicht geplant, Harry.« flüsterte ich und zog meine Beine enger an meinen Körper.
Er schwieg kurz und lachte dann auf.

»Was in unserer Beziehung, war jemals geplant?« kam es von ihm und ich musste ihm Recht geben.
Nichts was Harry und mich betraf, war jemals so gelaufen, wie es sollte. Allein unsere erste Begegnung kam nur zustande, weil einige Zufälle aneinandergereiht wurden. Wieder schwiegen wir und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich wusste nicht wieso, aber ich konnte nicht anders, als zu weinen.

»Wie soll das alles funktionieren? Du bist nächstes Jahr schon wieder auf Tour und mein Kalender ist durchgeplant mit Jobs, bestimmt für die nächsten zehn Monate.« schluchzte ich und er sah mich an.
Wortlos streckte er seine Arme aus und deutete mir, zu ihm zu gehen. Langsam stand ich auf und ging um den kleinen Tisch, zu ihm rüber. Ich ließ mich auf seinem Schoß nieder und er zog mich liebevoll an sich.

»Wieso glaubst du mir nicht, wenn ich sage, dass wir das alles schon hinbekommen und alles gut wird?« fragte er mich dann schließlich und ich spürte, wie seine Brust vibrierte, wenn er sprach.

»Weil du so bist, Harry! Ich habe dich immer beneidet dafür, wie du Probleme schnell löst und loswirst. Aber dieses Problem, kannst du nicht einfach so locker wie alle deine anderen angehen! Du kannst es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das ist ein Kind! Ein Mensch! Ich werde Mutter!« zählte ich energisch auf und löste mich von so seinem Oberkörper, damit ich ihn ansehen konnte.

»Ich nehme das alles nicht auf die leichte Schulter! Ich weiß doch auch nicht, wie es ist Vater zu werden. Oder denkst du, mir geht es nicht geanuso wie dir? Ich versuche einfach ruhig zu blieben. Einer von uns beiden muss es doch.« konterte er und ich schwieg, um meine Gedanken zu sortieren.

»Ich würde auch gerne ruhig blieben können, kann ich aber nicht! Wir haben beide eine Karriere, die wir nicht aufgeben wollen und dürfen. Du hast unglaublich viel zu tun und schläfst im Monat, vielleicht drei Nächte in deinem eigenen Bett. Einfach weil du ständig unterwegs bist.« er wollte etwas sagen, aber ich fuchtelte mit meiner Hand rum, um ihn davon abzuhalten und sprach weiter.

»Ich bin auch fast die Hälfte meiner Zeit unterwegs. Was soll denn sein, wenn das Baby dann da ist? Lassen wir es alleine zuhause? Oder vielleicht mit einer überteuerten Nanny? Vor allem, wo ist denn dann überhaupt sein Zuhause? In London? In Wien? LA? Oder wo du sonst noch Häuser hast. Harry, wir wohnen ja nicht mal zusammen! Wir wissen noch nicht mal, wo wir in einer Woche sind. Du und ich sind spontane Menschen, aber mit einem Kind, kannst du das nicht mehr sein!« schilderte ich ihm meine Gedanken und wollte weitersprechen, aber er brachte mich zum Schweigen, weil er seine Hände an meine Wangen legte.

»Melli, hör mir zu. Sieh mich an. Beruhige dich, bitte.« fing er an und ich weinte wie ein Kleinkind.

»Ich habe Angst. Ich habe verdammt nochmal Angst.« hauchte ich und er drückte mich an sich und streichelte mir beruhigend über den Rücken.
Auch seine Augen waren glasig. Es war einfach zu viel für uns. Es kam zu unerwartet und zu unpassend.

»Okay. Das war viel zu plötzlich. Alles. Weder du noch ich können jetzt klar denken. Ob du es behalten willst, oder nicht. Wohin und ob wir zusammenziehen. Wie wir es unseren Familien sagen... Das sind alles viele und komplizierte Entscheidungen. Wir werden uns jetzt hinlegen und beruhigen. Morgen setzen wir uns hin und gehen alles durch. In Ruhe und vernünftig.« redete er auf mich ein und ich nickte kaum bemerkbar.

Harry hob mich im Brautstyle hoch, trug mich zurück ins Zimmer und legte mich auf dem Bett ab. Neben mir sackte die Matratze ein und ich starrte an die Decke.
In mir wuchs ein Mensch. Diese Tatsache, ging einfach nicht in meinen Kopf. Wie sollte ich das eigentlich meinen Eltern sagen? Meine Mutter würde sich freuen, das wusste ich. Eigentlich war es auch nicht schlimm, dass ich ein Kind bekam. Meine Ausbildung und einen Schulabschluss hatte ich. Einen Job hatte ich auch, den ich wahrscheinlich aufgeben musste, aber ich würde schon etwas Neues finden. Der Vater des Kindes, hatte mehr als genug Geld dafür. Aber ich persönlich war nicht bereit. Es konnten noch so viele Kriterien und Umstände passen, ich konnte kein Baby durch meine schmalen Hüften pressen, es erziehen und versorgen. Im Gegensatz zu mir, konnte ich mir vorstellen, dass Harry ein großartiger Vater werden würde. Er liebte Kinder und konnte mit ihnen umgehen. Ich dachte an Lou und ihre Tochter Lux, die als Baby mit Harry und seiner Band auf Tour war. Schon allein die ganzen Bilder mit ihr, zeigten wie gut er das konnte. Nochmal dachte ich kurz an das Thema Abtreibung. Es war Mord. Ich wäre eine Mörderin. Doch wäre das schlimmer, als Mutter zu sein, wenn man nicht bereit dazu war?

love destroyed through truth 2 | [H.S.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt