chapter seven

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Er hielt mir mein iPhone entgegen und ich musste lächeln. Wenn man es so betrachtete, war Harry schon echt ein Idiot. Ich nahm es in die Hand und stellte mein Handy auf lautlos. Luca konnte warten. Kopfschüttelnd ging ich vor und steuerte auf meine Küche zu. Ich öffnete meinen Kühlschrank und musste feststellen, dass er so gut wie leer war. Das hieß wohl bestellen. Seufzend machte ich ihn wieder zu und drehte mich zu Harry. Besagter hatte sein Handy schon in der Hand und sah dann zu mir auf.


»Asiatisch? Italienisch? Indisch? Amerikanisch?« fragte er grinsend.
Sollte ich es witzig oder traurig finden, dass er bereits wusste, dass ich nichts im Kühlschrank haben würde?

»Also ich hätte Lust auf Pizza.« sagte ich und er überreichte mir nickend sein Smartphone.
Er hatte die App für den österreichischen Lieferservice tatsächlich nicht gelöscht. Es war keine große Sache, aber es bedeutete mir irgendwie viel. Für mich heiß das, dass er nie richtig die Hoffnung für uns beide aufgegeben hatte. Oder er hatte die App einfach irgendwo auf seinem iPhone und gar nicht mehr daran gedacht. Aber die erste Version gefiel mir besser.

»Hast du auch vor irgendwas auszuwählen, oder willst du die ganze Zeit einfach nur das Handy anstarren?« fragte Harry mich grinsend und kam mir näher.
Ich schüttelte meinen Kopf und stellte fest, dass ich wirklich einfach nur nachgedacht hatte. Er kam mir immer näher, legte schließlich seine Hand an meine Hüfte und zog mich zu sich. Sanft nahm er das Handy aus meiner Hand in seine und tippte darauf rum.

»Dasselbe was du immer nimmst?« fragte er mich während er auf mich herabsah und ich nickte schwach.
Ich konnte auf keinen Fall klar denken, wenn er mir so nah war. Wie als ob er meine Gedanken lesen konnte, ging er wieder einen Schritt zurück. Er drückte noch etwas auf dem Display herum und sah dann wieder zu mir.

»Ist in sechzig Minuten da.« sagte er dann und legte sein Handy auf den Tresen.

»Was, so lange?« seufzte ich und drehte mich um, um ein Glas aus dem Schrank zu holen.
Ich erschrak als sich plötzlich zwei Hände an meine Taille legten und ich Harrys Atem an meinem Nacken spüren konnte.

»Ich wüsste, wie wir uns die Zeit vertreiben könnten.« flüsterte er und ich bekam Gänsehaut.
Niemals in meinem Leben würde ich verstehen, wieso dieser Mann so eine Wirkung auf mich hatte. Während ich versuchte meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen, drehte Harry mich. Sein Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt. Ehe ich mich versah, konnte ich seine weichen Lippen auf meinen spüren. Wir vertieften uns in den Kuss und er hob mich mit einem Ruck auf die Küchenzeile...

Ein Klingeln unterbrach uns, doch Harry dachte nicht mal daran unsere Aktivitäten zu unterbrechen.

»Das Essen...« brachte ich gerade so raus.
Er löste sich wiederwillig von mir und fing an sein Shirt, welches neben uns am Boden lag, anzuziehen. Während ich zur Gegensprechanlage ging, griff ich im Vorbeigehen in meinem Badezimmer nach meinem Bademantel. Auf dem kleinen Bildschirm konnte ich sehen, dass unten tatsächlich der Lieferant stand und ich ließ ihn rein. Aus meiner Kommode neben der Tür nahm ich einen Schein und drückte ihn Harry in die Hand. Dieser stand plötzlich in Jeans und Shirts wieder neben mir.

»Du machst das.« sagte ich während ich ihm das Geld gab.
Bevor er etwas sagen konnte, verschwand ich im Schlafzimmer. Ich griff nach der nächstbesten Shorts und einem einfachen Shirt. Mir war unglaublich warm und ich wollte am liebsten in Eiswasser springen. Ob es an der Hitze die draußen herrschte lag, oder an einer bestimmten grünäugigen Person, wusste ich nicht so genau. Ich nahm mir einen Moment um durchzuatmen. Der Pizzabote hätte nicht unpassender kommen können. Vor meinem Spiegel sah ich mir selbst in die Augen und atmete tief ein und aus. Was taten wir eigentlich? Als ich meine Wohnungstür wieder ins Schloss fallen hörte, lugte ich aus dem Schlafzimmer raus. Im Flur stand Harry mit zwei Pizzakartons in der Hand. Bei genauerem Betrachten fiel mir auf, dass seine Haare komplett verstrubbelt waren. Er sah so unglaublich gut aus.

»Uhm, wo essen wir?« holte er mich aus meinen Gedanken.
Nachdem ich mich kurz geräuspert hatte, deutete ich mit meinem Blick, dass wir ins Wohnzimmer gehen sollten. Ich hatte zwar einen Esstisch in der Küche, aber auf der Couch essen bevorzugte ich einfach. Er folgte meiner Geste und ging vor. Seufzend und ganz langsam ging ich ihm nach. Worüber sollten wir reden? Oh Gott. Hoffentlich wurde es nicht einfach nur unangenehm still. Ich kam mir so dämlich vor, weil Harry und ich uns so ziemlich auswendig kannten und da die Peinlichste aller peinlichen Stillen egal sein sollte. Aber irgendwie war es für mich merkwürdig zwischen ihm und mir, nachdem wir ein halbes Jahr komplett getrennt waren. Es fühlte sich alles anders an.
Ich setzte mich neben ihn auf das Sofa und griff nach der Fernbedienung. Ob er wollte oder nicht, ich würde einen Film anmachen, nur um potentielles Schweigen schon mal vorzubeugen. Ich nahm den erstbesten, der mir auf NETFLIX vorgeschlagen wurde und spielte ihn ab.

»Willst du was trinken? Wasser?« fragte ich Harry schmatzend und stand auf, um mir selbst was zu holen. Er trank eigentlich immer nur stilles Mineralwasser, deswegen ging ich davon aus, dass es sich nicht geändert hatte. Sein Nicken bestätigte meine Annahme.

»Ja, bitte.« sagte er nachdem er fertiggekaut hatte und ich fast schon den Raum verlassen hatte.
Er grinste mich an und ich wollte sterben, er war so süß. Lächelnd ging ich in die Küche und holte unsere Getränke. Auf der Theke lag mein Handy, welches aufleuchtete, als ich wieder gehen wollte. Eine Nachricht von Camila. Ich überflog sie nur flüchtig und sie fragte mich nach Harry. Was auch sonst.

»Er ist gerade bei mir... Ich schreibe dir morgen alles.« tippe ich als Antwort und steckte mein iPhone im Schlafzimmer zum laden an.
Mit einem Wasser und einem Eistee in der Hand ging ich wieder nach oben und stellte es auf den Couchtisch. Wir aßen zu Ende, irgendwann stellte Harry mir eine Frage und wir fingen an zu reden. Ich fragte ihn Dinge über seine Tour und er mich über meine Jobs. Das hatte ich vermisst. Einfach mit ihm rumliegen und über alles Mögliche reden. Das machte eine gute zwischenmenschliche Beziehung aus.
Ein paar Augenblicke später, saß ich plötzlich auf Harry und wir machten rum. Ich kam ihm näher und er mir und dann passierte es. Wir waren wie zwei Teenager, die nicht genug voneinander bekommen konnten. Und um ehrlich zu sein, konnte ich das auch nicht. Ich hatte das Gefühl, dass wir beide die letzten sechs Monate innerhalb von weniger Stunden nachholen wollten, aus Angst der Andere könnte morgen wieder weg sein. Doch eins wusste ich, ich würde nicht mehr von Harry gehen, oder ihn gehen lassen. 

love destroyed through truth 2 | [H.S.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt