chapter seventy-two

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»Hä? Du bist jetzt seit einer Woche auf Fiji? Ich checke es nicht.« teilte meine beste Freundin mir verwirrt mit.

Ich stand auf der großen Terrasse und beobachtete die Sonne, wie sie im Horizont unterging.

»Ja, weil Harry ja für das Ganze Flugzeug-Kidnapping-Ding verantwortlich war.« bestätigte ich.

»Und redet ihr jetzt wieder normal? Wo ist er gerade überhaupt? Wie ist die Stimmung zwischen euch? Hast du ihm schon voll und ganz verziehen? Und wie lange bleibst du? Will er eigentlich mit dir zusammenziehen, wenn ihr zurück seid?« bombardierte Camila mich plötzlich mit Fragen und jedes Mal, wenn ich versuchte, eine zu beantworten, kam die nächste.

»Halt mal die Luft an!« rief ich laut in mein Handy und musste lachen, worauf Camy sich nur flüsternd entschuldigte.

»Also, ja, wir reden wieder mehr, zumindest mehr als am Anfang. Und ich weiß nicht, ob ich ihm ganz verziehen habe. Immerhin liebe ich ihn, ich verzeihe ihm immer in der Sekunde, in der er etwas tut, weißt du? Er ist gerade Duschen und alle anderen Fragen, kann ich dir noch nicht beantworten.« ratterte ich alles runter.

Meine beste Freundin seufzte, »Habt ihr noch gar nicht über die Zukunft geredet? Zusammenziehen? Ein Haus bauen? Heiraten? Wissen seine Eltern überhaupt schon von Camila eins und Camila Zwei?«.

»Ich werde meine Babys nicht da dir benennen, Camila!« lachte ich und hörte sie entsetzt schnauben.

»Pft, dann ist das Gespräch für mich an der Stelle beendet!« sagte sie und versuchte ernst zu klingen.

»Gut, dann gehe ich jetzt.« gab ich von mir und hörte sie aufschreien.
Da mein Handy auf Lautsprecher gestellt war, hallte ihr Schrei umher.

»Nein, warte! Ich will meine Antworten! Was könnte am Ehesten sein?« löcherte sie mich.

»Cam, ich weiß es nicht! Vielleicht werden wir niemals zusammenziehen, vielleicht aber auch schon morgen! Vielleicht bleiben wir hier auf Fiji und ich durchlebe eine Wassergeburt mit einer zweitklassigen ärztlichen Versorgung und einer nur halb-ausgebildeten Hebamme deren Assisent ein Delfin ist, ich weiß es nicht!« redete ich vor mich hin.
Plötzlich schlangen sich zwei Arme um meine Hüften und zogen mich zurück.

»Bevor das passiert, lasse ich dir schon einen guten Arzt einfliegen.« sagte Harry und sein warmer Atem prallte auf meinem Hals ab.

»Seit wann belauscht du uns?« wollte ich von ihm wissen.

»Noch nicht lange.« murmelte er und küsste meinen Hals, worauf ich kicherte, wie ein Schulmädchen.
Wir waren uns in der einen Woche körperlich wieder sehr viel nähergekommen. Es war nicht ganz wie früher, aber schon nah dran.

»Ja, äh, Harry könntest du sie ein bisschen später ablecken, ich versuche gerade ein Gespräch mit ihr zu führen. Hier wo ich bin, in Wien, gehen normale Menschen gerade zur Arbeit und die U-Bahn ist voll und ich kriege gleich einen Anfall. Also brauche ich jetzt nicht auch noch deine Provokation!« entlud Camy ihre Aggressionen auf Harry und ich lachte auf.

»Sind wir denn keine normalen Menschen?« wollte er von ihr wissen und provozierte sie weiter.

»Nein, Harry. Normale Menschen sind nicht einfach aus dem Nichts für eine unabsehbare Zeit auf Fiji und...« sie hört plötzlich auf zu reden und schrie jemanden an, »Zuerst aussteigen lassen!«.
Harry und ich lachten beide und warteten darauf, dass sie sich beruhigte.

»Diese Menschen sind alle so respektlos und ungebildet!« beschwerte sie sich bei uns.

»Sag mal, wo ist dein Auto?« wollte ich dann schließlich wissen und sie seufzte so laut, dass ich es bis nach Fiji gehört hätte, selbst wenn wir nicht telefoniert hätten.

»In der Werkstatt.«

»Und warum fährst du nicht mit Thomas? Ihr wohnt und arbeitet zus...«, ich konnte meinen Satz nicht beenden.

»Weil es mir um meinen Stolz geht! Okay? Weißt du, sagt der gestern einfach, dass ich ohne ihn aufgeschmissen wäre! Jetzt beweise ich ihm, dass ich voll und ganz ohne ihn leben kann.« teilte sie mir ganz selbstsicher mit und ich schüttelte meinen Kopf.

»Camila, wenn du ohne ihn leben könntest, hättest du ihn nicht geheiratet.« lachte ich und hörte sie wieder, wie sie sich über irgendwelche Menschen beschwerte.

»Ich rufe dich später wieder an!« sagte sie dann schließlich und legte einfach auf.
Harry und ich setzten uns in die hölzerne Hollywoodschaukel und er legte seinen Arm um mich, in den ich mich kuschelte. Die warme Abendsonne strahlte uns an und warf oranges Licht auf die Umgebung.

»Und was denkst du über das, was Camy sagt?« wollte er plötzlich wissen, nachdem wir für einige Zeit still dort gesessen hatten und in den Sonnenuntergang geschaut hatten.

»Dass man aus der U-Bahn zuerst die Leute aussteigen lässt, die raus wollen, bevor man selbst reingeht?« fragte ich und Harry lachte auf.

»Nein, ich meine das Zusammenziehen.« murmelte er verlegen vor sich hin und spielte mit meinen Haarspitzen.
Mein Herz fing an schneller zu schlagen.

»Würdest du es denn wollen?« fragte ich vorsichtig.

»Ja klar! Du etwa nicht?« harkte er nach und ich schüttelte sofort meinen Kopf.

»Nein, also ja! Ich würde liebend gerne mit dir zusammenziehen. Die Frage ist nur, wohin? Wien ist mein Zuhause und du hast ein Zuhause auf ungefähr jedem Kontinent.« redete ich vor mich hin und Harry stieß ein Lachen aus.

»Also erstens, Madame Frech, mein richtiges zuhause-zuhause, ist London. Und zweitens, in Asien habe ich noch nichts. Aber ich habe in Tokyo schon eine wirklich schöne Wohnung in Sicht.« erzählte er mir und ich musste diesmal auflachen.

»Ja, aber ich weiß nicht, ob ich will, dass die beiden in England aufwachsen. Ich will ja irgendwie, dass meine Familie auch halbwegs beteiligt am Leben meiner Babys ist, weißt du?« versuchte ich ihm mitzuteilen und er zeigte sofort Verständnis.

»Dann können wir auch in Wien wohnen. Ich lasse meine Mum und Gemma einfach immer hinfliegen, die haben beide eh nichts Besseres zu tun.« lachte er und ich stieg mit ein.

»Wissen sie es überhaupt schon?«

Er legte seine Hand auf meinen Bauch, während er sprach, »Gemma weiß es schon, aber meiner Mutter will ich es mit dir zusammen sagen. Ich weiß, dass sie sich unendlich freuen wird, aber ich konnte es nicht übers Herz bringen, ihr zu sagen, dass ich Vater werde und dass du die Mutter bist, aber wir gerade nicht miteinander reden. Deswegen dachte ich mir, dass ich warte, bis wir sie mal wieder zusammen besuchen.«.

»Stopp! Wer ist derjenige hier, der dafür verantwortlich war, dass wir nicht miteinander geredet haben?« gab ich frech zurück.

»Ja, ja. Wie lange wirst du mir das jetzt noch vorwerfen?«

»Bis die Babys mindestens vierzehn Jahres alt sind. Vielleicht auch fünfzehn.« antwortete ich und wir lachten beide auf.

»Ich liebe dich.« kam es von Harry und ich war gar nicht gefasst darauf gewesen.
Diese drei Worte hatte ich zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit von ihm gehört. Es klang so vertraut aus seinem Mund. So richtig, so unglaublich richtig.

»Ich liebe dich.« erwiderte ich kitschig und drückte einen Kuss auf meinen Kopf, der mittlerweile schon irgendwie halb auf seiner Brust lag.

love destroyed through truth 2 | [H.S.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt