90. Kapitel

24 0 0
                                    


90.Kapitel

(Silbersterns Sicht)

Haselschweif setzte sich erschöpft neben seine Geschwister. „Zuerst verschwindet Minzblatt, jetzt auch noch Kupferkralle und Flammenherz. Ich verstehe das einfach nicht. Moospelz und ich haben die Grenze zum Stamm abgesucht, dort ist nichts, wir haben nicht einmal die geringste Spur von ihnen."

Splitterschweif schüttelte den Kopf. „Katzen verschwinden doch nicht einfach, schon gar nicht ohne Spuren zu hinterlassen." „Anscheinend ja doch. Was ist, wenn der Stamm etwas damit zu tun hat?" Ginsterschweif spitzte die Ohren und sah Haselschweif interessiert an. „Denkst du? Sollten Feuersturm und Eulenfeder uns das nicht sagen?" „Eigentlich schon, aber wer weiss, was für grausige Sachen diese Stammeskatzen mit ihnen gemacht haben? Nebelmond schnippte Haselschweif mit dem Schweif übers Ohr. „Jetzt hört auf, alle beide! Wenn der Stamm uns damals nicht geholfen hätte, wären wir jetzt nicht hier. Und ausserdem, was würde es ihnen bringen, wenn sie zwei unserer Katzen entführen?" Darauf wussten die beiden Kater auch keine Antwort, Nebelmond seufzte leise. „Silberstern tut mir leid. Zuerst verschwindet die Heilerin, jetzt der Zweite Anführer."

Ginsterschweif sah mit düsterer Miene in den Himmel, der sich schon rötlich färbte. „Silberstern muss noch vor Mondhoch einen Nachfolger für Kupferkralle ernennen." Nebelmond tauschte einen skeptischen Blick mit Haselschweif, bevor sie Fragte: „Wie kommst du darauf?" „Es heisst doch, dass wenn ein Stellvertreter stirbt oder zurücktritt ein neuer noch vor Mondhoch ernannt werden muss." „Aber Kupferkralle ist nicht tot. Genau so wenig wie Minzblatt oder Flammenherz!" „Welchen Beweis hast du?", schoss Ginsterschweif zurück. Nebelmond legte die Ohren an und fauchte: „Keinen, genau so wenig wie du! Ich werde nie aufhören nach Flammenherz zu suchen, er ist unser Vater!"

Ginsterschweif setzte zu einer Antwort an, aber Haselschweif kam ihm zuvor: „Wir sind eine Familie, hört auf euch den Pelz zu zerfetzen! Wir sollten lieber für unsere Mutter da sein, als uns zu streiten. Silberstern ist zwar die Anführerin, aber auch eine Kätzin, deren Gefährte verschwunden ist." Zuerst herrschte stille, dann nickte Ginsterschweif langsam. „Also gut." Nebelmond schaute ihren Bruder grimmig an, sagte aber nichts.

Haselschweif schüttelte den Kopf, als er Nebelmonds stummen Protest bemerkte. „Ich habe meine eigene kleine Familie verloren. Ihr und Silberstern seid mir geblieben, aber anscheinend ist dir deine Familie nicht so wichtig, Schwester." Der Kater lief ohne ein weiteres Wort davon.

Kurz darauf...

Ich sah auf, als Haselschweif sich neben mich setzte. „Du solltest dich nicht zurückziehen." „Soll ich mich lieber von allen Mitleidig ansehen lassen? Die arme Anführerin, die ohne Stellvertreter und Gefährte dasteht? Nein, das tu ich mir nicht an." //Geredet wird doch sowieso, ob ich es nun höre oder nicht. // „Dann komm öfters zu Nebelmond, Ginsterschweif und mir. Du bist unsere Mutter." Ich spähte kurz in die Richtung der beiden. // Sie sind so schnell gross geworden. // „Fehlt dir Flammenherz?" Ich schwieg eine Weile. „Ich hatte gehofft, dass ich so etwas nie wieder erleben muss." Haselschweif sah mich verwirrt an. „Wie meinst du das?" Ich zögerte. //Soll ich ihm von meiner Vergangenheit erzählen? // „Weisst du, wie der FlockenClan gegründet wurde?" „Manche der älteren Krieger kennen Geschichten über die ersten Mitglieder, aber über die Gründung selber weiss ich nichts. Erzählst du mir etwas darüber?" „Es war nicht so, wie du es dir vielleicht vorstellst. Ich bin in einem Clan aufgewachsen, dem EisClan. Der Anführer hiess Abendstern, er war mein Gefährte." Haselschweif machte grosse Augen. „Ich habe von Abendstern gehört, aber ich hielt das für ein Märchen."

Ich schüttelte den Kopf und dachte an meine Schülerzeit zurück. „Ein Sturm zerstörte das Lager und riss den ganzen Clan in den Tod... Das dachten Graueule und ich jedenfalls." „Aber Abendstern überlebte den Sturm, oder?

Bevor ich antworten konnte, schoss völlig unerwartet ein stechender Schmerz durch meine Brust. Ich schnappte erschrocken nach Luft und keifte die Augen zusammen. „Silberstern?" Haselschweifs Stimme zitterte. „Silberstern, was ist los?" Meine Brust fühlte sich eng an, als würde mir jemand die Luft abdrücken. Ich versuchte nach Luft zu schnappen, fühlte aber anstatt Linderung nur ein Stechen in der Brust.

Laubfell kauerte sich zu mir, beschnupperte mich und drängte mich dazu, einige Kräuter zu fressen, die ich kaum runterbekam. „Das wird deine Atemnot lindern." Haselschweif, der sich auf die andere Seite gelegt hatte, putzte mir vorsichtig über den Kopf. „Dann geht es dir bald besser."

Die Zeit verstrich, aber der Schmerz und die Atemnot vergingen nicht, im Gegenteil. Ich schnappte immer verzweifelter nach Luft, doch es nützte nichts. Ich hielt die Augen mühsam offen, um nicht bewusstlos zu werden, doch es wurde immer schwieriger. Dann passierte das, wovor ich mich gefürchtet hatte. Ich merkte noch, wie meine Atemzüge immer flacher wurden, dann umfing mich Dunkelheit.

Das erste, was ich spürte, war der Schmerz in der Brust. „Sie wacht auf!" Haselschweif lag noch immer neben mir und putzte mir wieder über den Kopf. Ich schloss die Augen wieder und wartete darauf, dass mein Körper sich gleich von dem Anfall erholen würde, aber nichts passierte. //Vielleicht brauche ich ein wenig Bewegung, damit es mir besser geht. // Haselschweif stütze mich sofort, als ich mich etwas umständlich aufsetzte. „Kann ich dir Wasser holen? Oder etwas zu fressen bringen?"

Alleine beim Gedanken ans Fressen wurde mir schlecht, also schüttelte ich den Kopf. „Kannst du deinen Geschwistern sagen, dass es mir gut geht? Ich komme gleich zu euch." Haselschweif sah mich unsicher an. „Soll ich nicht lieber noch bei dir bleiben? Ich meine, du hast gerade ein Leben verloren." Ich zuckte zusammen, als ich das hörte und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie verwirrt ich gerade war. „Nein, geh nur."

Kaum war Haselschweif ausser Hörweite, wurde der Schmerz wieder stärker. //Was passiert bloss mit mir? // „Laubfell!" Meine Stimme war kaum mehr als ein krächzen. Die Heilerin war sofort an meiner Seite. „Du siehst nicht gut aus." Ich merkte noch, wie meine Beine nachgaben, dann wurde mir abermals schwarz vor Augen.

Später...

Ich lag zitternd in einem Nest und schaffte es nicht mehr aus eigener Kraft, den Kopf zu heben. Meine Brust schmerzte und jeder Atemzug schien den Schmerz nur noch schlimmer zu machen. Draussen musste es mittlerweile dämmern, aber genau wusste ich es nicht. Alles was ich fühlte, war Schmerz und Angst. Ich versuchte, den Schmerz in meiner Brust irgendwie zu lindern, doch nichts half. //Warum tut der SternenClan das? //

Noch während ich das dachte, durchfuhr mich erneut ein heftiger Schmerz. Ich krümmte mich und suchte mit den Augen verzweifelt nach Hoffnung in Laubfells Augen, doch sie schüttelte nur leicht den Kopf, als sich unsere Blicke trafen.

Nebelmond, die zusammen mit ihren Brüdern bei mir am Nest sass, wimmerte. „Du musst wieder gesund werden Mama, bitte!"

So plötzlich wie der Schmerz gekommen war, verschwand er auch wieder. Doch nur einen kurzen Moment lang, dann schrie ich auf. Es fühlte sich an, als würde ich gerade entzwei gerissen werden. „Nein! Mama!" Nebelmonds Jaulen schien von weit her zu kommen, genau wie alles andere. Ich reagierte nicht, mir fehlte die Kraft dazu. Einige Herzschläge kämpfte ich noch gegen die endlose tiefe an, die nach mir zu greifen schien, dann fühlte ich nichts mehr.

Silbersterns SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt