↠Kapitel 4↞

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„I'm fine."
My every-day-lie.

Es regnete. Natürlich musste es regnen, passendes Dreckswetter zu einem misslungenden Tag. Nachdem ich meine zwei Stunden Biologie und die beiden Stunden Englisch gelangweilt abgesessen hatte, machte ich mich schließlich auf dem Heimweg.

Tief atmete ich durch, als müsste ich bei einem Fallschirmsprung von hunderten Meter Höhe den Schritt aus dem Helikopter wagen. Hier jedoch handelte es sich um den Schritt in die Wasserfälle, die vor Kurzem aus den Wolken entsprungen sind.
Eric hatte bereits früher Schluss als ich, weswegen ich meine einzige Mitfahrgelegenheit für den Heimweg streichen konnte.

Meine Kleidung war bereits bis auf die Unterwäsche durchnässt, als ich mich zügig dem Schultor näherte. Meine Haare klebten auf meiner Stirn, während mein weißes Shirt sich allmählig unsichtbar machte, weswegen mein schwarzer BH unter dem Stoff hervorblitzte. Doch es war mir jetzt einfach egal. Meinetwegen konnte ich nackt durch die Straßen laufen, einfach nur raus aus diesem ekelhaften Regen.

Ich hielt den Kopf gesenkt und versuchte mich von dem klätschigen Gefühl meiner Kleidung abzulenken, indem ich beobachtete, wie die großen Tropfen auf der niedrigen Wasserschicht auftrafen, die den Boden benetzte. Mit immer mehr Druck und in vermehrter Menge schossen die Wassertropfen auf mich hinab und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als mich mit einer Tasse Kaffee unter der Bettdecke zu verkriechen.

Ein Hupen hinter mir ließ mich zusammenzucken. Verdutzt blieb ich stehen und blinzelte ein paar Mal, um den silbernen Wagen neben mir erkennen zu können. Die Scheibe wurde heruntergefahren und mich grinste eine hübsche Brünette keck vom Fahrersitz an.

„Steig ein, ich nehm dich mit", bot sie mir an und dreutete auf dem Platz neben ihr. Nicht bei Fremden ins Auto steigen hin oder her, das hier war definitiv ein Notfall der besonderen Art, weswegen ich das Angebot ohne zu zögern annahm und mich in ihren kleinen Viersitzer zwängte. Als ich mich angeschnallt hatte, fuhr ich mir mit den Händen durch die verknoteten Haare und versuchte dann kläglich, mein Shirt auszuwringen.

„Das Wetter ist hier echt Mist, aber man gewöhnt sich dran. Ich bin Kyla, du bist sicher neu in der Gegend", begann sie das Gespräch, während sie mit dem Blick auf dem Außenspiegel darauf wartete, sich wieder in den Verkehr einscheren zu können.

„Die Westchinster High ist vor ein paar Tagen abgebrannt und jetzt muss ich auf die Ticks gehen", nuschelte ich, mit den Gedanken bei meinen nassen Klamotten.

„Ticks?", fragte Kyla interessiert nach. „So nennen wir die Columbus Highschool. Ist irgendwie zur Gewohnheit geworden, sie so zu nennen. Sorry", klärte ich sie auf, woraufhin sie nickte. „Ich bin außerdem Elizabeth, für dich aber gerne Eli oder Eliza", stellte ich mich vor und lächelte sie von der Seite an. Ein paar neue Kontakte konnten in dieser Gegend nicht schaden.

„Freut mich, Eliza. Wohin darf's denn ge- Verdammte scheiße!", schrie sie dann plötzlich und schlug wie verrückt auf die Hupe.

Der Wagen legte eine Vollbremsung hin und schlitterte für ein paar Meter über den rutschigen Boden. Mitten auf der zweispurigen Straße kam der Wagen zum stehen und kaum ein paar Sekunden später riss Kyla auch schon wutentbrannt die Fahrertür auf.

Ich wusste nicht, was hier geschah. Überrumpelt starrte ich Kyla an, die ihre langen Beine aus dem Wagen schwung und dann geräuschvoll die Tür zuschlug.

Jetzt saß ich alleine in dem Wagen, nur noch begleitet von dem unentwegten Prasseln des Regens auf das Dach des Wagens.

Gebannt beobachtete ich Kyla, wie sie auf die Fahrbahnmitte zusteuerte. Nun erkannte ich auch, was hier das Problem war.

Mitten auf der Straße stand eine Gruppe von Jungendlichen. Jungs, soweit wie ich es erkennen konnte. Und als würde es nicht reichen, dass sie sich und andere Verkehrsteilnehmer bei einer solch befahrenden Straße mit einem Geschwindigkeitsminimum von 30 km/h in Lebensgefahr brachten, hielt der Rechte noch ein kleines Tütchen in der Hand.

Hier fand ein Drogenverkauf statt. Mitten auf einer Hauptstraße. Mir fiel bei dem Anblick der Mund auf.

Die Gesichter der Jungs konnte ich durch den Niederschlag nicht erkennen, aber Kyla schien es wohl um mehr zu gehen, als das Blockieren der Fahrbahn, denn sie diskutierte eifrig mit einem der Jungen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit und mindestens einem halben Dutzen böser Blicke, die ich mir von anderen Autofahrern eingehandelt hatte, trat Kyla den Rückweg zu dem Wagen an, mit wutverzerrtem Gesicht und völlig durchnässter Kleidung.

Zu meinem Verwundern hatte sie einen der Jungs im Schlepptau, der sein Gesicht unter einer Kaputze versteckt hatte und langsam hinter ihr her schlenderte.

Kyla riss die Fahrertür auf und ließ sich immmernoch zornig auf den Sitz fallen. Dann steckte sie den Schlüssel in die Zündung und warf den Wagen an. Fast zur selben Zeit wurde meine Tür geöffnet und jemand packte mir in die nassen Haare.

Ohne ein Wort zu verlieren zog mich der Fremde an den Haaren aus dem Auto, bis ich schließlich mit beiden Füßen auf der Straße stand. Ein brennender Schmerz machte sich auf meiner Kopfhaut breit und ich zischte laut auf.
Es war nicht schwer zu erkennen, dass es sich um den vermummten Jungen handelte, der sich nun dreist auf meinen Platz setzte und sich die graue Kaputze vom Kopf zog.

Ein zweites Mal klappte meine Kinnlade herunter, als der Junge sich mit ausdruckslosem Blick durch die pechschwarzen Haare fuhr.

Was zum Henker machte der Junge aus dem Biokurs in Kylas Auto und woher nahm er sich das Recht, mich einfach an den Haaren zu packen und grob aus dem Auto zu ziehen?

„Sag mal spinnst du?", entfuhr es mir. Sowohl Kylas, als auch die Augen des Jungens legten sich auf mich.

„Es tut mir so Leid, Eli-"

„Fahr los!", unterbrach der Schwarzhaarige Kyla harsch, während die Beifahrertür immernoch geöffnet war und er mich kritisch beäugte.
„Eliza steig bitte hinten ei-", setzte die Brünette erneut an und schenkte dem Jungen einen feurigen, abmahnenden Blick. Ihre Hände zitterten leicht, als diese sich um das lederne Lenkrad legten.

„Was verstehst du billige Schlampe nicht? Fahr endlich los verdammt!", schrie der Schwarzhaarige dann. Erschrocken taumelte ich ein paar Schritte zurück, gerade noch rechtzeitig, denn nur ein Bruchteil einer Sekunde später knallte der Junge die Tür gewaltsam zu und sah starr nach vorne.

Kyla warf mir nur einen panischen Blick zu, bis sie sichtlich unsicherer auf das Gaspedal drückte und das Auto sich langsam in Bewegung setzte.

Meine Arme hingen schlaff an meinem Körper herunter, als der Regen meine Kleidung erneut bis auf das Letzte zerfraß.
Erschüttert sah ich dem kleinen Wagen hinterher, bis durch den milchigweißen Regenschleier mir nur noch schwach die roten Rücklichter entgegenleuchteten.

Was zur Hölle ist hier gerade passiert?

xxx

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Psycho's smileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt