↠Kapitel 10↞

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Dort, wo kein Licht ist, packt das Dunkel gnadenlos zu.
Erhard Blanck

Niemand hatte mir aufgemacht, als ich bei Kyla Sturm geklingelt hatte. Also hatte ich mich kurzerhand durch das offene Fenster neben der Haustüre gezwängt.

Die Tür zu den Haupträumen war nicht abgeschlossen, aber eine dunkelrote Masse benetzte die ganze Tür. Verwundert riss ich an der unversehrten Türklinke und ließ sofort alles fallen.

Das Szenario, das sich mir bot, erschreckte mich zutiefst.
An der Wand mir gegenüber saß Kyla, zusammengekauert und mit dem Kopf in den Händen, laut schluchzend. Sie sah aus wie ein Wrack, dass sich kaum mehr aufrecht halten konnte.

Um sie herum war alles voll mit Blut. Der ganze Raum war vollgeschmiert mit dem Zeug, an den Wänden zogen sich lange, dicke Spuren des Lebenselixiers entlang, als sei es ein herausragendes Kunstwerk, dass mit voller Hingabe geschaffen wurde.

Der Teppich hatte sich freudig rot getränkt und die freien Stellen, an denen sonst immer der schwarze Steinboden aufgeblitzt hatte, schimmerte nun wie in der untergehenden Abendsonne.

Unbemerkt hatte ich angefangen zu Zittern. Die Lampe musste von der Decke gefallen sein, denn zwischen blutigen Scherben des Glasschirms lugte eine zerdepperte Glühbirne hervor. Sie lag genau neben dem Sofa, das wie alles in diesem Raum riefrote Flecken aufwies und an einer Stelle mutwillug aufgerissen wurde.

Mein Blick senkte sich wieder auf Kyla und ich stolperte leicht zurück. Stützend hielt ich mich an dem Türrahmen fest, mir war es im Moment egal, was für Körperflüssigkeiten sich an diesem befanden. Ich fühle mich wie in Tatort.

Was zur Hölle ist hier passiert?

„I-Ich, ich habe es gewusst", durchzuckte Kylas Stimme plötzlich die gleißende Stille. Sie schluchzte laut auf.

Ich war regungslos. Was machte man in dieser Situation? Wahrscheinlich die Polizei rufen, denn hier musste etwas Schreckliches stattgefunden haben.

Mit zitternden Händen zog ich mein Handy aus der Tasche, was ich kaum zwischen den Fingern halten konnte. Immer wieder rutschte es mir aus den glitschigen Händen und mit letzter Kraft konnte ich den Notruf wählen. Meine Atmung war flach, als mein Finger über der 'Anrufen' Taste schwebte.

„N-Nein, N-Nicht. Bitte", krächzte Kyla leise und hob ihren Kopf von den Händen. Tiefe Augenringe zeichneten sich unter ihren müden Augen ab, ihre Haare waren wild zerzaust und ihre Lippe aufgeplatzt.
„Kyla, was auch immer hier passiert ist, d-das muss gemeldet werden", versuchte ich sie verunsichert zur Vernunft zu bringen. Sie schüttelte nur entkräftet den Kopf.

Wieder flog mein Blick über das ganze Blut. Ist hier irgendwer gestorben? Niemals konnte man mit so viel Blutverlust lange überleben. Ein Zittern überkam mich wieder. Hier muss etwas Grausames stattgefunden haben und ich war drauf und dran, dieses vermeidliche Verbrechen zu vertuschen.

Die Wände schienen mich einzuengen, wie ein Käfig. Als würde das viele Blut mich bedrängen, mich auch in seine Fänge bringen wollend.

Leise seufzte ich, rieb mir beruhigend die Schläfen und versuchte kläglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Erneut legte sich mein Blick auf die Brünette vor mir. Sie murmelte unverständliche Worte vor sich hin, Tränen verließen ihre aufgerissene Augen und sie zitterte am ganzen Leib.

„Bist du verletzt?", wollte ich mit gebrochener Stimme wissen. Kyla schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen. Kurz wartete ich unschlüssig. Eigentlich wollte ich nur hier weg, aber Kyla schien gerade wirklich jemanden zu brauchen. Trotzdem wusste ich wirklich nicht, wie ich ihr helfen konnte.

Ein lauter Schluchzer verließ Kyla. „Was ist hier passiert, Kyla?", fragte ich nach Weile.
Erneut schüttelte sie den Kopf. Sie stand unter Schock, glaubte ich. Langsam näherte ich mich ihr, kniete mich zu dem Mädchen herunter und legte meine Hand beruhigend auf ihre Schulter.

„Ky, ich kann dir nicht helfen, wenn ich nicht weiß, was passiert ist", meinte ich dann einfühlsam, doch erneut erntete ich nur ein wildes Kopfschütteln. Seufzend gab ich es auf.

„Okay, wie wär's damit, dass du dich erstmal was hinlegst und ich versuche, den Saustall hier etwas zu minimieren?", schlug ich schließlich vor und sie nickte leicht und versuchte, mit wackligen Beinen aufzustehen. „Danke, d-d-dass d-du g-gekommen bist, E-Elizabeth", stotterte sie dann mit zuckender Unterlippe und setzte einen Tag vor den anderen, wobei ich sie an dem Arm stützte.

Auf der Treppe brach Kyla zusammen. Da ich sie nicht tragen konnte, beschloss ich, ihr ein Kissen unter den Rücken zu drücken und sie auf der Treppe schlafen zu lassen.

Da ich überhaupt nicht wusste, wie ich beginnen sollte das Zimmer zu reinigen, lief ich erstmal in Richtung Badezimmer, um nach einem Eimer oder einem Lappen zu suchen.

Ein markerschütternder Schrei verließ mich, sofort schlug ich die Hände vor den Mund. Das Badezimmer hatte es am Schlimmsten erwischt. Die Fliesen waren mehr rot als weiß und die Badewanne war randvoll gefüllt mit einer homogenen, hellroten Flüssigkeit. Ich schätze, dass dort jemand Blut mit Massen an Wasser vermengt hatte.

Auf dem Toilettenrand fand sich ein schleimiges Gemisch wieder. Dünne Blutstreifen, vermischt mit durchsichtigem Schleim, zogen sich über die gesamte Kloschüssel, in der sich Erbrochenes wiederfand. Blutrote Kotze.

An der Tür sank ich zu Boden und weinte. Ich weinte hemmungslos aus Verzweiflung und dem Unwissen, was hier vor sich gegangen ist. Tief in meinem Inneren spielten sich Szenen vor meinem inneren Auge ab, die ich noch nicht mal in Albträumen zu erleben wagte.

Mittlerweile war mein weißer, kurzer Rock getränkt mit Blut und auch an meinen Fingern klebte das Zeug unablässig.

Ich wollte hier weg. Ich musste hier weg, doch ich konnte keines meiner Glieder bewegen, nur unablässig auf die Badewanne starren. Der Schock war einfach zu groß.

Wieso bin ich überhaupt hergekommen? Wie bin ich hergekommen? Wie kam ich in dieses Haus? Wo zur Hölle war ich überhaupt?

Psycho's smileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt