"Was willst du, Kyla?", versuchte ich stark zu sagen, doch das Zittern in meiner Stimme verriet mich. Sie hatte mich am Arm mit nach draußen gezogen, ähnlich wie es ihr Bruder einst getan hat. Nun standen wir auf dem Parkplatz und sie stützte sich schwerfällig an ihrem kleinen Auto ab, an dessen Lack dicke Regentropfen herunterprasselten. Es hatte wieder angefangen zu regnen, wie ich das hasste.
Ihre Lippen bewegten sich kurz lautlos, dann straffte sie ihre Schultern und wischte sich einmal mit der Handfläche über das Gesicht. Ob sie weinte oder nicht, konnte ich dank des Regens nicht erkennen, dennoch sprachen ihre leicht geröteten Augen nur dafür. Vielleicht hatte sie sich auch einfach etwas Gras von ihrem Bruder stibitzt, weil sind wir mal ehrllich, wenn schon morden in dem Blut dieser Familie steckte, wieso sollte es stehlen nicht auch tun? Von Tag zu Tag plagten mich mehr abschätzige Gedanken über Kyla und Jake.
"Es tut so weh, Elizabeth, so weh", schluchzte sie leise und vergrub den Kopf in ihren Armen. Hatte Jake sie verletzt?
"Was?", fragte ich eine Spur sanfter als überhaupt gewollt, eigentlich sollte ich kein Mitleid für Kyla empfinden, sie hatte mich ausgenutzt und belogen.
Sie hob ihren Kopf und schaute mich zwischen nassen, dicken Haarsträhnen an. Ihre Unterlippe zitterte, dabei war es noch nicht mal sonderlich kalt. Im Gegenteil, für die Herbstzeit war der Regen sogar noch relativ warm.
"Es tut weh, ignoriert zu werden. Von allen, allen die mich besser kennen als diese scheinheilige Hülle", bibberte sie und strich sich über ihre mit Gänsehaut benetzte Haut. Das Mädchen war blasser als sonst, ihre Augen waren blutunterlaufen.
"Und wie viele sind das? Jake? Oder meinst du mich auch, Kyla?", fauchte ich kalt und kam einen Schritt auf sie zu. Schluckend nickte sie und fasste haltsuchend an die Klinke ihrer Autotür.
"Wann kannte ich dich richtig? Wann kannte ich die Schwester eines Mörders?", knurrte ich und ballte meine Hände zu Fäusten. Ich würde niemals handgreiflich werden. Würde Kyla mich wirklich kennen, wüsste sie das, aber sie guckte nur einmal kurz angsterfüllt auf meine angespannten Hände. Schnell löste ich meine Fäuste, denn ich wollte ihr keine Angst machen.
"B-Bitte lass J-Jake da raus, Eliza. Er ist eine eigene Enzyklopädie, er hat nichts mit unserer Freundschaft zu tun", stotterte sie leise und blickte mich flehend an. Spöttisch stöhnte ich. Freundschaft. Isaac hatte doch Recht gehabt. Ich sollte mich auf meine richtigen Freunde konzentrieren, diejenigen, die mich von Anfang an begleitet haben, diejenigen, die mich unterstürtzt haben, immer. Diejenigen, den ich vertrauen konnte, mit denen ich lachte, feierte und die mich nicht belogen. Die, die mich kannten.
Wann hatte ich in der Zeit, in der ich mich so viel mit Kyla beschäftigt habe, das letzte mal mit Elena geskypt, war bei unseren Freitagtreffen dabei oder habe mich mit Tara getroffen? Ich habe sie vernachlässigt."Gut", murrte ich und fuhr mir durch die nassen Haare und überblickte kurz den Parkplatz. Außer uns traute sich wohl niemand bei diesem Sauwetter aus den Gebäuden.
"Gut, lassen wir deinen Bruder weg. Wann hattest du vor mir zu erzählen, dass du deine ganzen Shoppingtrips mit deinen 'Freundinnen' abziehst, mit einem falschen Dauergrinsen und fucking roten Zahlen auf den Kontoauszügen? Ich fühl mich verarscht, dass ich in deinem Haus um mein Leben bangen muss, während du am nächsten Tag so tätst, als sei nichts gewesen", fauchte ich und hielt mich zurück, ihr nicht näher zu kommen. Ich wollte sie physisch nicht in die Enge treiben, das war nicht meine Art.
Geschockt riss sie die Augen auf und presste sich an ihr Auto. "Woher?", fragte die nur und ich schnaufte. Sie hatte es also wirklich absichtlich vor mir geheim gehalten. "Oh wow, es ist kein Kunststück, so wie du und deine Freunde euch in den Einkauftsstraßen anzieht, mit dem ganzen Designer-Bling-Bling!"
"Ich versuche doch, nur einmal so zu leben, wie ich es hätte tun können, wenn meine Familie keine Störung hätte", schniefte sie. Die Maskara rinnte ihr nun die Wangen herunter und ließen sie noch schrecklicher aussehen, was mein Herz etwas weicher werden ließ. Zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass das für sie auch nicht leicht sein musste, einen Bruder zu haben, der ihre Freundinnen umgebracht hatte, der Drogen verkaufte und dazu noch keinen Cant in der Tasche hatte.
Geschafft seufzte ich und schüttelte leicht den Kopf, danach sah ich sie etwas wärmer an. "Du schießt über das Ziel hinaus, wenn du dein Geld weiter so verplemperst", sprach ich sanfter und sie nickte leicht.
"Lass den Scheiß mit den Schlampen, die nichts anderes kennen als Gucci und Chanel. Die sind schneller weg, als du gucken kannst, wenn sie erkennen, dass du nicht bist, als das du dich ausgibst. Versuch dein Leben auf die Reihe zu bekommen, Ky", sprach ich und zog sie in meine Arme. Kurz spannte sie sich überrascht an, drückte mich dann aber umso fester an sich. Lange standen wir da, mitten im Regen, sie weinend an meiner Schulter.
Kyla, eine der beliebtesten Schüler der Schule, fehlte es an Freunden. An richtigen Freunden und der Unterstützung durch ihre Familie.
"Ich komm ins Heim, Eli", heulte sie nach guten zehn Minuten und lösten sich leicht von uns. Verwirrt starrte ich sie an.
"Was?", hakte ich verwirrt nach und sie schüttelte heftig den Kopf und sah an mir vorbei. "Der Typ vom Jugendamt kommt heute und wenn er sieht, dass Jake kein bisschen in der Lage ist, für mich zu sorgen, bin ich weg und stehe nach meinem Achzehnten komplett allein da, ohne Geld, ohne Familie, ohne ein Dach über dem Kopf", schniefte sie und weinte jetzt unglaublich stark.
"Ihr habt es doch bis jetzt auch immer geschafft", versuchte ich sie vergeblich aufzumuntern. "Ja, aber das waren alles nur über Briefe. Jetzt wo er uns das erste Mal besuchen kommt, hat er doch sowieso schon unglaublich viele Vorurteile, weil- weil-", brach sie schließlich ab und starrte gedankenverlorend ein Loch in die Herbstluft.
"Weswegen?", half ich ihr auf die Sprünge. "Weil meine Mum doch schon wegen dem Mord an meinem Dad in der Klapse ist", hauchte sie dann kaum hörbar.
"Was? Deine Mutter hat deinen Vater- Oh fuck, das tut mir so Leid, Ky", stotterte ich. Gibt es in deren Familie überhaupt jemanden, der nicht gemordet hatte? Es machte mir Angst.
"Ich weiß es ist viel verlangt und Jake ist ausgerastet, als ich es ihm vorgeschlagen habe", murmelte sie leise und und starrte nun betreten auf den Boden. Wad wollte sie von mir?
"Hau raus", forderte ich einfach und sie lief etwas rot an und schnappte sich meine Hände. "Kannst du-", sie schluckte schwer und musste sich überwinden, den Satz auszusprechen.
"Kannst du für diesen Abend Jakes Verlobte spielen?", flehte sie.
Mir fiel der Mund auf. Das war nicht ihr Ernst! Ich, mehrere Stunden an der Seite von einem Massenmörder, bei dem versuch einen fremden Mann vom Amt zu überzeugen. Heilige Maria, Mutter Gottes!
Außerdem- Verlobte? Ich war fucking 17 Jahre!
xxx
Helluuuu (:
Wie gehts, wie stehts?
Wie war das Kapitööl? ♡
DU LIEST GERADE
Psycho's smile
Mystery / ThrillerUmgeben von Drogenabhängigen, Soziopathen und gescheiterten Existenzen. Als Elizabeth zwangsläufig die Schule wechseln musste, war ihr bewusst, wofür die Ticks, ihre neue Schule, bekannt war. Was sie aber nicht wusste, ist was hinter all den gehässi...