↠Kapitel 15↞

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Die das Dunkel nicht fühlen, werden sich nie nach dem Licht umsehen.
Henry Thomas Buckle

Als ich um kurz nach drei zuhause ankam, polterte mir sofort meine gestresste Mutter entgegen. Sie strich sich die karamellfarbenen Haare aus dem Gesicht, während sie fluchend in ihrer Handtasche kramte.
Mit dem Blick auf ihr schlug ich die Tür zu und sie schreckte von dem lauten Geräusch auf. Ihr fragender Blick wurde sofort von einem finsternen Gesicht ersetzt, als sie mich sah.

Sie knallte die dunkelrote Tasche auf einen Stuhl und stämmte die Arme wütend in die Hüften.
„Elizabeth Price, ich lasse ja wirklich viel durchgehen, aber dass ich durch Eric und nicht durch meine eigene Tocher erfahre, dass du auf einer Geburtstagsfete bist, erfüllt mich schon zutiefst mit Zorn", rief sie mir entgeistert entgegen und ich seufze leise.

Im Stillen dankte ich Eric aber aus ganzem Herzen, dass er meiner Mutter überhaupt Bescheid gesagt hatte, weil ich mir nicht ausmalen würde, in welches Stadium ihr Zorn erreicht hätte, wenn sie gar keine Auskunft darüber hatte, was ich den letzten Tag getrieben hatte.
Und noch weniger wollte ich mir vorstellen, wie sie reagieren würde, wenn sie wüsste, was ich wirklich gemacht hatte.
Damit meinte ich nicht den Absturz und auch nicht die Nacht mit Ash. Ich meinte den Vorfall mit Jake. Gott, dieser Typ machte mich noch verrückt.

„Was hast du da überhaupt an? das Shirt ist ja fast durchsichtig und dann auch noch ein schwarzer BH! So, jetzt zieh dich um, in fünf Minuten brechen wir zum Café auf. Lizzy und Xenia sind verhindert, also sind wir deutlich unterbesetzt. Hop, hop", wies sie mich an und wendete sich wieder ihrer Tasche zu.

Augenverdrehend machte ich mich auf den Weg nach oben. Es ist zum Alltag geworden, dass meine Eltern mich gegen meinen Willen zur Kellnerin in unserer Konditorei missbrauchten. In letzter Zeit musste ich aber auch selbst viel backen, weil meine Eltern mit der Erweiterung des Cafés zu tun hatten. Das Backen lag mir wirklich, besonders orientalische Kuchen waren genau mein Ding.

Das weiße Shirt und die weite Jogginghose von Xavier wechselte ich zu durch dunkelblauen Rock und einer weißen Bluse aus, deren ersten Knof ich immer aufließ. Dazu noch weiße Sneaker und fertig war mein Outfit, dass ich beim Arbeiten zu tragen hatte.

Als wir in der Price Konditorei ankamen, bließ mir sofort der süßliche Duft von gebackenden Torten entgegen und Bilder blitzen vor meinem inneren Auge auf, wie ich die Hälfte meiner Kindheit hier verbracht hatte. Für einen Moment schloss ich genießerisch meine Augen, lief aber dann schnell hinter die Theke, damit die Kunden mich nicht komisch anstarrten. In letzter Zeit hatte mir irgendwie die Freizeit gefehlt, hier mal vorbeizuschauen.

„Eli, lässt du dich auch mal blicken?", grinste Zack mich von der Seite an, während er zwei Kuchenstücke transportbereit machte. Ich hing meine Jacke auf und streckte ihm dann meine Zunge entgegen. Zack war drei Jahre älter als ich und studierte in der Nachbarstadt Pharmazie. Mit dem Teilzeitjob hier im Café finanzierte er seinen Aufenthalt hier in Westchinster. Mir war immer klar, dass der große Schwarzhaarige jeden Cent zwei Mal umdrehen musste, weil nicht nur das Studium, sondern auch die Mietwohnungen in dieser Stadt unbezahlbar sind. Insgeheim nahm ich mir den Egoismus raus, zu hoffen, dass Zack trotzdem bei uns weiterarbeiten würde, auch wenn er hier nicht zum Millionär werden würde.

„Wie geht's, wie steht's?", fragte ich dann, als ich mir die Hände gewaschen hatte. Er zuckte nur mit den Schultern. „Das Studium ist so scheiße schwer und Xenia lässt sich kaum noch blicken. Lizzy, Enna und ich schmeißen die ganze Bedienung fast alleine, das ist unglaublich anstrengend. Nichts für ungut, Eli, aber vielleicht solltest du deine Eltern mal auf Xenia ansprechen", sagte er dann niedergeschlagen und ich nickte, auch wenn er mit dem Rücken zu mir stand. Wir alle mochten Xenia. Sie war eine unglaublich nette Person und jeder verlor sich sofort in ihrem Charme, aber sie war unzuverlässig. Mehr als das.

„Jetzt bin ich ja da. Womit kann ich helfen? Meine Mom ist hinten in der Küche und hilft den Jungs beim Backen", teilte ich ihm mit und ich er nickte erleichtert. Die Arbeitskräfte hier mussten im Moment wirklich Stress haben.

„Übernehme du am Besten die Thekenbedienung und ich unterstütze Enna mit den Tischen." Ich stimmte zu und streifte mir ein paar Gummihandschuhe über, wie man sie sonst nur vom Arzt kannte. Dann begann ich die Kunden nach und nach zu bedienen.

Es war wirklich schrecklich anstrengend und schon nach zwei Stunden bereute ich es zutiefst, nicht mal ein bisschen mehr Sport zu treiben. Kunden zu bedienen war nämlich weitaus mehr, als nur dumm rumstehen und Geld abzusacken. Besonders anstrengend war es aber, zu dritt den Laden zu schmeißen, der größer ist, als das ganze Untergeschoss bei uns zu Hause. Dass meine Eltern den Standort auf einer der Haupteinkaufsstraßen Westchinsters und direkt an der Touristenattraktion Nummer Eins, dem Rosenpark, gebaut hatten, trieb mehr Kunden zu uns, als wir zu dritt stämmen konnten.

„Geht's noch?", fragte Enna irgendwann, als ich mich geschafft an der Theke abstütze, doch ich nickte nur schweigend. In der kleinen Pause hatte sich mein Blick auf etwas Anderes gelegt. Durch das große Schaufenster hatte ich perfekte Sicht auf ein paar Bänke, auf denen Einkäufer sich ausruhen konnten.

Da saß Kyla. Lachend, mit einer Dior-Tüte in der Hand und ungeben von glucksenden Freundinnen, die allesamt schienen, in einen Eimer voll Schminke gefallen zu sein. Im Sekundentakt warfen sie ihre glänzenden Haare über die Schultern und streckten ihre Ärsche heraus. Irritiert schüttelte ich den Kopf. War das Kylas Ernst? Erstmal heulend in einem Haus voll Blut sitzen und psychisch am Ende zusammenklappen und am nächsten Tag vergnügte sie sich mit ihren Schulfreundinnen?

Verwirrt und auch etwas verärgert schnappte ich einen Lappen und begann, freie Tische für neue Besucher vorzubereiten. Mein Blick galt unentwegt der Brünette, die nun lachend den Kopf in den Nacken gelegt hatte.

Ich fühlte mich verarscht. Sie hatte mich gestern in eine so panische Lage gebracht und ich hatte fast einen Herzinfakt bekommen, als sie mir die Nachricht geschrieben hattem. Wegen ihr bin ich sogar Bus gefahren. Etwas, was ich sonst nicht mal in meinen schlimmsten Alpträumen zu träumen wagte.

Die Zeit verstrich und langsam tauchte die Welt sich in ein abendliches Dunkel. Bald war es sechs und die allmähliche Dunkelheit verriet deutlich, dass die Sommerzeit sich dem Ende zugewendet hatte.
Um halb sieben schloss heute die Konditorei und ich war selten so glücklich, endlich verschwinden zu können. Ein letztes Mal starrte ich auf die verlassene Bank, auf der Kyla mit den Mädchen gesessen hat.
Ob diese, allgemein als bitchige Zicken bekannten, Freundinnen wirklich das war, was sie wollte?

Psycho's smileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt