Effekt oder Defekt?

13-5 Minuten

Gestresst bog ich um die Ecke und krachte in einen genervten Passi. "Sorry.", murmelte ich, doch im nächsten Moment fiel mein Blick auf den Knopf in seiner Hand. "Abgegangen?", seufzte ich und suchte mit den Augen die Stelle an seinem Jackett, an der der Knopf eigentlich sitzen sollte. "Ja, aber halb so wild. Geht auch ohne.", versuchte er mich zu beruhigen, doch ich schüttelte den Kopf: "Wie sieht das denn bitte aus? Gib her, ich kümmer mich drum."
Etwas kritisch zog er sein Jackett aus und reichte es mir, bevor ich mit einem Nicken nach oben stürmte. Im Schrank mit den Kostümen fand ich das kleine Nähkästchen und hastete weiter in's Büro, bevor ich mich auf meinen Stuhl fallen ließ. Gehetzt suchte ich nach einem passenden Faden, fädelte ihn mit hoher Konzentration durch das Nadelöhr und begann den Knopf wieder anzunähen. War ja eigentlich kein großes Thema, aber trotzdem verlor ich gerade fast die Nerven.
Jus Kanal war wieder für einen Preis nominiert worden und die Preisverleihung würde heute in Köln stattfinden. Dementsprechend hatten wir uns jetzt schon im Bamhaus eingefunden und machten uns fertig, bevor wir nach Köln fahren würden.
Endlich fertig mit meiner Näharbeit, legte ich Nadel und Faden beiseite und sprang, mit Passis Jackett in der Hand, wieder auf.
Gerade wollte ich wieder die Treppe nach unten nehmen, als aus dem Badezimmer neben mir leises Fluchen erklang. Neugierig streckte ich den Kopf in die Tür und fand Marius vor, mit dem verzweifelten Versuch beschäftigt, seine Haare zu stylen.
"Kommst du klar?", fragte ich leise und abrupt drehte er sich zu mir um. "Ja, also nein...nicht so richtig.", erklärte er und sah wieder in den Spiegel. "Komm her.", seufzte ich, drehte ihn zu mir um und drückte ihm Passis Jackett in die Hand, bevor ich mich an seinen Haaren zu schaffen machte. Marius ließ mich dabei keine Sekunde aus den Augen und ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen: "Flausch-Fetisch?"
"Keine Zeit.", murmelte ich und wuschelte abschließend ein wenig durch seine Haare, "So, fertig. Den Rest bekommst du selbst hin."
"Danke.", lächelte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange, "Wessen Jackett ist das eigentlich?"
"Passis. Ich musste einen Knopf annähen. Du siehst übrigens echt gut aus.", erklärte ich, bevor ich ihm das Jackett abnahm und Richtung Treppe hastete.
Gerade erreichte ich die erste Stufe, als mein Name hinter mir erklang.
Kurz ausatmend drehte ich mich zu Annika um: "Was ist?"

"Könntest du mir nur kurz bei meinem Kleid helfen?"

"Reißverschluss am Rücken?", fragte ich verständnissvoll und sie nickte. Schnell trat ich zu ihr heran und zog den Reißverschluss nach oben. "Danke.", lächelte sie und sah an mir herunter. Anscheinend wollte sie noch etwas sagen, doch ich hastete schon wieder nach unten. Im Wohnzimmer fand ich Passi mit Ju und Vince, alle drei abwartend auf dem Sofa sitzend. "Hier.", sprach ich ihn an und drückte ihm sein Jackett in die Hand. Lächelnd nahm er es entgegen: "Danke."
"Wir sind fertig.", erklang Annikas Stimme hinter mir, die zusammen mit Marius die Treppe herunterkam.
Erleichtert atmete ich auf: "Wir auch."
"In dem 'wir' warst du jetzt aber nicht mit einbegriffen, oder?", fragte Vince mit einer hochgezogenen Augenbraue und sein Blick schweifte über mich.
Für einen Moment wusste ich nicht was er meinte, bis es mich schließlich mit einem Schlag traf. Ich hatte mich zwar um alle Anderen gekümmert, stand aber selbst noch in Jogginghose und T-Shirt vor ihnen.
Panisch atmete ich kurz ein: "Gebt mir 15 Minuten!"
Und schon legte ich einen Sprint nach oben hin, drehte nach rechts und verschwand im Videozimmer.
In Windeseile hatte ich mein Make-Up fertig, da ich es sowieso dezent hielt und fuhr mir ratlos durch meine Haare, bis ich schließlich einfach ein paar Strähnen nach hinten steckte, sodass es doch recht ordentlich aussah. Mein Blick ging rüber zum Bett, auf dem mein Kleid lag und mit einer schnellen Handbewegung hatte ich es gegriffen und schlüpfte nun schnell hinein. Mit einigen Verrenkungen schaffte ich es sogar den Reißverschluss an meinem Rücken allein zu schließen und nervös betrachtete ich mich im Spiegel. Naja, wird schon schiefgehen.
Mit einem letzten aufmunternden Nicken hastete ich nach draußen und die Treppe hinunter, bevor ich vor den Anderen schlitternd zum Stehen kam: "Alles klar, ich bin fertig."
"Super, dann können wir ja gehen.", grinste Ju und erhob sich. Auch Vince, Passi und Annika folgten ihm, doch Marius blieb einfach auf dem Sofa sitzen und starrte mich an. "Marius?", tippte Vince ihn an der Schulter an und mit einem Zucken löste er sich aus seiner Starre.
"Geht schon einmal vor, ich muss noch kurz was mit Hanna besprechen.", wendete er sich zu den Anderen, "5 Minuten?"
"Na schön.", willigte Passi ein und schon hörte man das Zufallen der Haustür.
"Was ist los?", fragte ich irritiert, doch im nächsten Moment krachten Marius' Lippen schon auf meine. Immer noch mehr als verwirrt hielt ich mich schnell an Marius fest, da er mich fast umstieß und erwiderte den Kuss. Verlangend zog er mich mit sich und ließ sich wieder auf das Sofa fallen, während ich auf seinem Schoß Platz fand. Seine Hand wanderte meine Taille hinab und fuhr langsam zu meinem Rocksaum, als ich seine Hand ruckartig festhielt: "Was wird das bitte?!"
"Du siehst toll aus.", flüsterte er nur leicht, "Und ich habe deswegen ehrlich gesagt gerade mehr Lust dich in's Bett zu kriegen, als auf diese Verleihung zu gehen."
"Wir müssen da hin, das weißt du.", lachte ich leicht und fuhr mit meinem Finger seinen Kieferknochen entlang, "Und wir haben nur 5 Minuten."
"Schade.", seufzte Marius nun ebenfalls, "Das wird ein harter Tag für mich."
"Wieso? Weil du dich zusammenreißen musst?", schmunzelte ich und er nickte.
Flüchtig hauchte ich ihm noch einen Kuss auf die Lippen, bevor ich aufstand: "Ich versuche es dir nicht allzu schwer zu machen. Und jetzt komm, die Anderen warten auch nicht ewig."
"Und wenn wir sie nicht einfach allein fahren lassen?", grummelte Marius und erhob sich ebenfalls.

"Dann können wir uns für den Rest unseres Lebens ihre dummen Kommentare anhören."

Grinsend sah er mich an, bevor er nach meiner Hand griff und mich sanft zur Tür zog. Wenn ich es mir recht überlegte, hätte auch ich nichts gegen etwas mehr Zeit gehabt...