61-Als dein Freund

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Das wird schon wieder.

Das war der Satz, der mich die ganze Zeit begleitete, während mein Kopf am Fenster lehnte. Dunkle Felder zogen an mir vorbei, wobei ich meinen Blick hin und her springen ließ um möglichst jedes Detail zu erfassen.
Wo hatte ich mich da nur reingeritten?
Marius war sauer.
Ich war sauer.
Und zwischen uns stand ein riesen Streit.
Irgendwie lief alles gerade überhaupt nicht so wie es sollte.
Mir war ja sogar schleierhaft, wie es zwischen uns nun überhaupt weitergehen sollte.
Ein Ton der Freisprechanlage kündigte einen weiteren Anruf von Marius an und mit einem genervten Seufzen lehnte Ju ihn ab. So ging das jetzt schon seit zwanzig Minuten. Nachdem ich Ju angerufen hatte, hatte er sich sofort in's Auto gesetzt und war nach Köln gefahren, um mich abzuholen.
"Willst du mir erzählen was passiert ist?", fragte er ruhig und sah weiter auf die Straße vor sich.
Müde drehte ich meinen Kopf zu ihm und zuckte die Schultern: "Die Kurzfassung ist, dass Passi spontan bei mir vorbei kam, Marius plötzlich dazu kam und mir vorgeworfen hat ich würde ihn mit Passi betrügen."
"Was?!", fragte Ju entgeistert nach, "Du und Passi? Wie kommt er denn da drauf?"
"Keine Ahnung.", erklärte ich, "Wenigstens weiß ich jetzt was mit ihm los ist."

"Aber ich meine...du und Passi? Du bist mit Marius verlobt und Passi ist glücklich in seiner Beziehung."

"Vielleicht dachte er ja, dass das alles nur ein Vorwand ist.", schlussfolgerte ich bitter und betrachtete meine Finger, "Übrigens danke für's Abholen...und für die Jacke."
Da ich ja nur im Hoodie unterwegs war und ich ihm vergessen hatte ihm das zu sagen, hatte Ju mir kurzerhand seine Jacke überlassen.
Auch wenn mir eine von Marius lieber wäre...
Obwohl...momentan eher nicht.
"Kein Ding. Ich hab eigentlich auf sowas in der Art gewartet, weil mich Marius die ganze Zeit versucht hat anzurufen, aber bevor ich rangehen konnte, hat Passi mir schon geschrieben nichts zu sagen.", erklärte er und sah mich bemitleidend an, "Ich kann's immer noch nicht glauben...Passi und du...und wegen so einer bescheuerten Vermutung war er die ganze Zeit so drauf?"
Ein Nicken von mir reichte ihm als Antwort und er seufzte wieder: "Und was willst du jetzt machen?"
"Kann ich im Bamhaus schlafen?", bat ich, "Passi hat Marius aufgehalten, sonst wäre ich gar nicht weg gekommen. Und ich weiß nicht ob sie da noch sind. Und außerdem hat Marius einen Schlüssel und könnte versuchen in meine Wohnung zu kommen. Und ihn will ich, ehrlich gesagt, gerade nicht sehen."
Wie auf's Stichwort wurde ein erneuter Anruf von Marius angezeigt und mit einem Seitenblick auf mich, nahm Ju ihn entgegen: "Hallo?"
"Ju! Endlich gehst du mal ran!", ertönte sofort Marius' aufgelöste Stimme, "Weißt du wo Hanna ist?"
"Ja.", antwortete Ju nur knapp und ein erleichtertes Seufzen erklang vom anderen Ende der Leitung: "Und wo?"

"Sag' ich dir nicht."

"Was? Wieso nicht?"

"Weil du dann save herkommen wirst!", erklärte er, "Und Hanna will dich gerade nicht sehen."

"Ju ich hab echt Mist gebaut und ich will das mit ihr klären, also-"

"Sie will dich aber nicht sehen!", unterbrach Ju ihn und eine Weile war nichts mehr von Marius zu hören, sodass ich schon fast dachte er hätte aufgelegt. "Sag mir wo sie ist.", flüsterte Marius verzweifelt, "Ich verspreche dir, ich komme nicht dorthin. Ich will einfach nur wissen wo sie ist...bitte."
Unsicher sah Ju zu mir, doch ich nickte nur leicht.
Seufzend wandte er seine Augen wieder nach vorn: "Wir sind in etwa 20 Minuten im Bamhaus."
"Danke.", seufzte Marius erleichtert. "Und wehe ich sehe dich heute dort... Oder die gesamte nächste Woche.", fuhr Ju plötzlich fort, "Du hast dich in letzter Zeit echt scheiße gegenüber jedem von uns verhalten und langsam reicht's uns. Komm erst wieder runter, bevor du dich bei uns wieder blicken lässt. Dafür hast du ja jetzt eine Woche Zeit."
Etwas perplex sah ich ihn an und auch Marius schien schockiert: "Was? Das kannst du nicht machen! Was ist mit den Videos?"
"Das kriegen wir auch ohne dich hin.", erklärte Ju ernst, bevor sein Tonfall etwas sanfter wurde, "Ich gebe dir die Woche als dein Freund, der will dass du wieder Ordnung in dein Leben bekommst und nicht als dein Chef, der nur will dass du möglichst viele Videos für ihn produzierst. Tu mir den Gefallen und nutz' die Woche."

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