62-Ein Teil seines Lebens

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Müde fuhr ich mir am nächsten Tag durch's Gesicht, während ich auf mein Handydisplay starrte.
Ein Anruf von Marius wurde dort angezeigt.
Der neunzehnte heute.
Doch ich konnte und wollte nicht mit ihm reden. Noch dazu kam, dass ich die Nacht gar nicht geschlafen hatte und damit noch gereizter war.
War eben alles doch etwas kompliziert...
"Na du?", erklang eine vorsichtige Stimme hinter mir und Passi schob sich in mein Blickfeld. Sofort sprang ich auf und umarmte ihn: "Hey."
Seine Arme ebenfalls um mich legend, seufzte er tief: "Das ging wohl ziemlich in die Hose gestern..." "Wem sagst du das?", murmelte ich traurig.
Ich wollte mir gar nicht ausmalen was gewesen wäre, wenn Passi nicht mehr da gewesen wäre. Er hatte mir mehr als nur geholfen, obwohl Marius ihn wahrscheinlich am liebsten zusammengeschlagen hätte. Mich von Passi lösend, versuchte ihn anzusehen, doch er drehte sich schnell von mir weg.
"Ist was?", fragte ich misstrauisch und er schüttelte sofort den Kopf. Doch gleichzeitig verbarg er eine Gesichtshälfte vor mir, wodurch seine Lüge hinfällig wurde.
"Passi...", fing ich mahnend an und er seufzte schwer.

"Es war ein Versehen, ok?"

"Okay...?", antwortete ich, während er den Kopf zu mir drehte.
Und im nächsten Moment verstand ich was er meinte.
Ein dunkellilaner Schatten verlief unterhalb und teilweise über sein Auge.
Sah aus wie als hätte ihn jemand geschlagen und ich konnte erahnen wer es war.
Hatte er wirklich...?
"War das Marius?", fragte ich scharf. "Ja...also nein.", versuchte Passi sich zu erklären, "Er wollte es nicht."
"Wie rammt man jemandem bitte ungewollt eine Faust in's Gesicht?", wollte ich fassungslos wissen und begutachtete den dunklen Fleck. "Naja er wollte dir halt unbedingt hinterher und ich habe ihn mit allen Mitteln festgehalten. Er hat sich natürlich gewährt und hat mir versehentlich den Ellebogen in's Gesicht gerammt.", erklärte Passi und verzog schmerzvoll das Gesicht, als ich den Bluterguss leicht berührte. Sofort zuckte ich zurück und murmelte ein schuldbewusstes "Sorry".
"Kein Ding.", erklärte er sofort, "Ich weiß nicht ob es dich interessiert, aber Marius stand gestern kurz vor einem Nervenzusammenbruch, als er dich nicht erreichen konnte." "Hätte ich wahrscheinlich auch.", seufzte ich, "War vielleicht auch nicht so optimal von mir gewesen."

"Vielleicht...aber der entscheidende Unterschied ist, dass du Marius niemals Untreue vorwerfen würdest."

"Habe ich ihn wirklich so vernachlässigt?", fragte ich bekümmert und runzelte die Stirn. Nachdenklich sah Passi mich an: "Naja ihr habt nicht so viel wie vorher gemacht, aber Marius hat ja gesehen, dass es wichtige Dinge waren. Sowas müsste in einer Beziehung selbstverständlich sein. Und er müsste uns Beide außerdem gut genug kennen, um zu wissen, dass wir nichts miteinander anfangen würden." Nickend gab ich meine Zustimmung, während er weiter redete: "Und wie geht's jetzt weiter?"
"Keine Ahnung.", gestand ich ratlos, "Ich weiß echt nicht was ich sagen soll... Aber solange Marius weg ist, kann ich mir was überlegen."
"Marius ist weg?", fragte Passi verblüfft. Langsam nickte ich: "Ja, Ju hat mich gestern abgeholt und Marius hat ihn angerufen. Und da hat er ihm eine Woche Hausverbot erteilt, damit er sein Leben wieder auf die Reihe bekommt."
"Wie ironisch.", lachte Passi trocken, "Macht wenig Sinn ihn von genau dem Teil in seinem Leben fernzuhalten, welchen er gerade am meisten braucht und mit dem er unbedingt reden will, um wieder alles in Ordnung zu bringen."

"Was?"

"Dir."

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