20-Das Leben ist kompliziert

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"Ich kann euch wirklich helfen, Jungs!", erklärte ich und sah hilflos über den Tisch zu ihnen herüber. "Kümmer du dich um den Bürokram, wir machen das schon.", kommandierte Ju und grinste leicht.
Wow, danke Ju, jetzt hatte er mich sozusagen von meinem Job ausgeschloßen, damit ich mich um den von Annika kümmern konnte.
Nicht, dass ich nicht etwas Stress wegen Allem hatte. Und nicht, dass ich gestern keinen Schlaf bekommen hatte.
Und dass Marius wahrscheinlich doch Recht behalten würde.
Marius...
Automatisch ging mein Blick zu ihm herüber. Ich wollte am liebsten einfach nur zu ihm gehen und ihn wieder umarmen, so als wäre nichts gewesen. Aber das ging nicht.
Erstens, weil er mir sowieso, so gut es ging, aus dem Weg ging und ich wahrscheinlich nicht einmal nah genug an ihn rankommen würde.
Zweitens, da er ja sauer auf mich war und mich wahrscheinlich abweisen würde.
Drittens, da eben leider dieser Streit war und wir ihn nicht einfach vergessen konnten. Zumindest noch nicht.
Und Viertens, weil ich dann meinen Stolz aufgeben müsste und das wollte ich auch nicht. Oder konnte es nicht. Wirklich nicht.
Und Marius würde sich auch nicht in nächster Zeit entschuldigen.
Also lagen wahrscheinlich noch einige schlaflose Nächte vor mir. Ich konnte nur sehr sehr schlecht, beziehungsweise gar nicht schlafen, wenn Marius und ich uns stritten. Und vor Allem, wenn wir dann den Anderen komplett mieden. Ein Grund, warum ich seit 2 Tagen mit knapp 5 Stunden Schlaf auskam und mich gefühlt nur noch von Kaffee ernährte, um irgendwie halbwegs wach zu bleiben.
Aber wenn ich ehrlich sein soll, entdeckte ich auch bei Marius dunkle Ringe unter den Augen. Also schlief er auch nicht wirklich viel.
Und auf irgendeine verdrehte und wahrscheinlich auch miese Weise war  es beruhigend. Dann ließ ihn das also auch nicht so komplett kalt.
Trotzdem wollte ich diesen Streit wieder aus der Welt schaffen.
Okay, wenn man es genau nahm, hatte ich angefangen und Marius hatte ein Recht darauf sauer zu sein. Also musste ich mich eigentlich entschuldigen. Doch ich half eigentlich ja auch nur Annika.
Da aber Marius meiner Meinung nach ziemlich unpassend reagiert hatte, konnte er sich auch genauso gut bei mir entschuldigen.
Das brachte mich auch nicht wirklich weiter. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Eine Endlosschlaufe.
Warum noch mal musste das Leben so kompliziert sein?
"Noch auffäliger geht's ja nicht.", riss mich plötzlich eine Stimme aus meinen Gedanken und ich zuckte zusammen, als sich Passi neben mich fallen ließ. "Was ist los?", fragte ich irritiert und drehte meinen Kopf zu ihm.

"Du starrst Marius schon eine ganze Weile an. Kannst du dich nicht einfach entschuldigen?"

"Du bist also auf seiner Seite.", murmelte ich finster und sah wieder weg, "Ich verstehe schon. Beste Freunde und so..."
"Das hat damit überhaupt nichts zu tun.", verteidigte sich Passi, "Aber ich kenne euch Beide und bei dir stoße ich wahrscheinlich eher auf Vernunft." "Sei dir da mal nicht so sicher.", seufzte ich, "Im Moment weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr was richtig oder falsch ist."

"Der Streit mit Marius ist falsch."

"Ach.", meinte ich sarkastisch und lachte kurz, "Das habe ich auch schon vermutet...weißt du wie es ihm geht?"
Von dem plötzlichen Themenwechsel irritiert, blinzelte er kurz: "Naja, ihn beschäftigt der Streit auch ziemlich. Auf der einen Seite macht er sich Vorwürfe, weil er es ja irgendwo verbockt hat. Auf der anderen Seite macht er dir Vorwürfe, weil du genauso Schuld dran bist. Aber im Allgemeinen nicht so gut wie es auf den ersten Blick scheint." "Kommt drauf an, wer ihn ansieht.", flüsterte ich leise und beobachtete Marius weiter, wie er mit Ju über eine Stelle im Skript diskutierte. Verständsnisvoll beugte Passi sich vor: "Dir ist es aufgefallen, stimmt's?"

"Natürlich, ich kenne ihn."

Eine kurze Stille entstand. "Noch  was?", hakte Passi nach und ich atmete für einen Moment tief ein.

"Und ich liebe ihn."

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