68-Wie geht's ihm?

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Verwundert sah ich auf mein Handy, als ein Anruf angezeigt wurde und mal nicht Marius' Name auf dem Display zu sehen war. Dafür hatte die Person auch etwas mit ihm zu tun. Seine Mama.
"Hallo?", nahm ich den Anruf entgegen und lehnte mich an meinen Schreibtisch. 
"Hallo Hanna.", erklang sofort ihre Stimme und ich lächelte schwach. Schon wieder jemand, der mitleidig klang. 
"Wie geht es dir?", fragte sie freundlich und ich konnte ihr Lächeln förmlich durch das Telefon hören. Wahrscheinlich ein Mitleidslächeln, na super.
"Keine Ahnung...", seufzte ich und fuhr mir durch die Haare, während ich mich vom Tisch abstieß und mich stattdessen auf die Sofalehne setzte, "Also...wir reden seit dem Vorfall nicht mehr miteinander, trotzdem versucht er mich die ganze Zeit anzurufen oder schreibt Nachrichten." 
"Das habe ich schon mitbekommen.", erklärte sie und seufzte, "Ist er vom Team ausgeschloßen worden?" "Naja, er wurde eine Woche suspendiert....er kommt bald wieder....", murmelte ich und sah auf meine Füße.

"Und dann?"

Etwas ratlos runzelte ich die Stirn: "Gibt es noch nicht....also nicht so wirklich."

"Du hast doch nicht vor dich von ihm zu trennen? Hanna, wenn du das-"

"Nein, nein, das ist es nicht.", unterbrach ich sie sofort beschwichtigend, "Ich will mich nicht von ihm trennen, auf keinen Fall. Aber ich weiß nicht wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll."
"Da kann ich dir wohl auch nicht so wirklich weiterhelfen, obwohl ich es wirklich gerne würde...", seufzte sie, "Du solltest einfach das machen, was du für richtig hälst. Aber Marius ist ziemlich am Boden zerstört."
"Kann ich mir vorstellen...", stimmte ich ihr zu, "Hat er euch angerufen?" 

"Er ist hier." 

"Oh.", entfuhr es mir nur, mehr sagte ich dazu nicht. Ein peinliches Schweigen entstand und ich schloß die Augen. Na komm Hanna, so schwer ist das nicht. Und du wirst dich hassen, wenn du es nicht tust: "Wie geht's ihm?"
"Naja, er isst nicht, ich bin froh wenn er überhaupt was trinkt. Er schleicht sich nachts raus und ist mehrere Stunden verschwunden, kommt irgendwann morgens wieder und tut so als wäre nichts gewesen. Wahrscheinlich denkt er wir wüssten es nicht, aber wir haben auch nicht vor ihn darauf anzusprechen. Manchmal sitzt er einfach nur da und starrt vor sich hin. Oder er schreibt fieberhaft an seinem Handy oder ruft immer wieder jemanden an. Und als du das vorhin gesagt hast, kann ich mir jetzt auch sicher sein, wen er versucht hat die ganze Zeit zu kontaktieren. Er redet viel über euch und euren Streit...", antwortete sie, während ich die Augen wieder öffnete, "Er stand einen Tag nach eurem Streit vor unserer Tür, einen Rucksack auf dem Rücken und hat völlig aufgelöst gefragt, ob er ein paar Tage hier bleiben kann. Tja und dann hat er uns alles erzählt und wie leid ihm das alles tut und dass er das wieder gutmachen will."
Nachdenklich nickte ich leicht: "Habt ihr ihm gesagt, dass ihr mich getroffen habt?"

"Ja...er war nicht ganz so begeistert.  

"Verständlich.", seufzte ich, "War ich zugegebenermaßen auch nicht. Ich meine, wie absurd ist das bitte, dass ich nach einem Streit mit meinem Freund seine Eltern treffe und mit ihnen über ihn rede?" "Ja, das war wirklich etwas merkwürdig.", lachte sie nun leicht, "Aber er nimmt es dir nicht übel. Ich muss nur aufpassen, dass er nicht mitbekommt mit wem ich telefoniere. Er ist mit seinem Papa ein paar Schallplatten zur Ablenkung hören und ich habe den Moment genutzt um mich mal nach dir zu erkundigen."
"Danke, das ist lieb.", lächelte ich, "Tut mir leid, dass ich alles so kompliziert mache." 
"Ach ich bitte dich, Marius ist der, der alles kompliziert gemacht hat.", widersprach sie mit einem Schnauben, "Natürlich gehören immer zwei dazu, aber er hat definitiv größeren Mist gebaut. Jemandem eine Affäre zu unterstellen, ist ziemlich mies. Du hast ein gutes Recht darauf sauer zu sein." 
"Aber was ist, wenn genau das die falsche Reaktion ist?", gab ich zu bedenken. "Ich glaube nicht, dass du dir darüber Sorgen machen musst.", beruhigte sie mich, "Ihr liebt euch. Und ich habe noch nie erlebt, dass Marius solche Gefühle für eine Person hatte. Ich war ehrlich gesagt ein wenig geschockt, dass er doch so durchdreht. Du hingegen wirkst noch ganz gefasst." Trocken lachte ich auf: "Naja, gefasst würde ich das nicht nennen...ich versuche es nur irgendwie zu verdrängen....mich zieht es auch ziemlich runter." 
"Ich weiß...", stimmte sie zu, als plötzlich Geräusche und Stimmen im Hintergrund erklangen, "Ich muss auflegen, die Jungs sind wieder da! Ihr bekommt das wieder hin, tschau."
"Tschau.", erwiderte ich, doch im gleichen Moment erklang das bekannte Tuten der unterbrochenen Leitung und ich ließ mein Handy sinken.
Jetzt war nur die Frage wann wir es wieder hinbekommen würden...

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