21-One call

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Hey Marius
Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe und das tut mir leid.
Können wir miteinander reden?

Nachdenklich starrte ich auf die Buchstaben vor mir, bevor ich sie wieder frustriert löschte.

Es tut mir leid. Ich bin ein absoluter Idiot. Ruf mich an, wenn du mit mir reden willst.

Klang auch nicht besser, weswegen ich auch diese Nachricht löschte und mein Handy auf das Sofa schmiss.
Man, warum musste das denn so schwer sein?
Oder vielleicht sollte ich doch zu ihm gehen? Vielleicht wäre das schlauer, als sich feige in einer Nachricht zu entschuldigen? Aber nachts um drei vor seiner Tür stehen? Na danke auch... Und vielleicht schlief er ja sogar mal....
Ach, ich wusste es doch auch nicht!
Frustriert erhob ich mich vom Sofa und setzte mich zurück an meinen Schreibtisch, auf dem ein ganzer Stapel Papierkram auf mich wartete. Die letzten Stunden hatte ich damit zugebracht diesen abzuarbeiten, doch meine Gedanken waren immer wieder zu Marius geschweift.
Nachdem Passi heute...ne Moment, gestern darauf beharrt hatte, dass wir mit diesem Streit aufhören sollten und die Anderen das ja eh schon gesagt hatten, war ich in's Grübeln gekommen. Und schließlich zu dem Schluss, dass ich mich entschuldigen würde.
Jetzt musste ich nur noch einen Weg finden das umzusetzen. Und da lag momentan das Problem.
Automatisch ging mein Blick wieder zu meinem Handy und ich überlegte.
Eine Nachricht zu schreiben war wahrscheinlich nicht der idealste Weg.
Plötzlich vor seiner Tür zu stehen auch nicht.
Ich könnte ihn anrufen...
Aber das brachte ja auch nicht viel, oder?
Aber zumindest wäre es persönlicher, als mit einer Nachricht...
Kurzerhand stand ich wieder auf und ließ mich auf mein Sofa fallen, bevor ich zu meinem Handy griff und Marius in meinem Kontaktbuch suchte. Mein Finger schwebte unmittelbar über den Anrufbutton, doch ich zögerte.
Ich hatte tatsächlich ein wenig Angst. Angst vor seiner Reaktion. Angst vor einer Abweisung.
Sekundenlang starrte ich auf das Display und versuchte mir wenigstens halbwegs ein paar Worte zurecht zu legen, doch mein Kopf schien wie leergefegt.
Na toll. Doch wahrscheinlich würde ich es nie hinbekommen.
Egal wie lange ich jetzt hier noch so dasaß und überlegte. Wahrscheinlich sollte ich einfach instinktiv irgendwas sagen.
Auch wenn das wahrscheinlich ein ziemliches Gestotter werden würde, aber so war es wenigstens ehrlich.
Kurz ermutigt durch meine Überlegungen, drückte ich auf den Anrufbutton und hielt mein Handy an mein Ohr.
Alles klar Hanna, du kriegst das hin. Ist nur Marius.
Das erste Freizeichen erklang und ich atmete tief ein.
Wird schon. Ganz sicher.
Zweites Freizeichen.
Ist ja nicht so, als könnte er dich auch genauso gut gleich anschreien.
Drittes Freizeichen.
Oder deine Entschuldigung nicht annehmen.
Viertes Freizeichen
Oder Schlimmeres.
Das fünfte Freizeichen war noch gar nicht zu hören, als ich den Anruf beendete, mein Handy vom Ohr riss und es, wie als hätte ich mich daran verbrannt, auf den Tisch warf.
Schwer atmend starrte ich auf das kleine schwarze Teil. Ich konnte das nicht. Ich wollte seine Reaktion nicht wissen.
Er ist sauer, bestimmt. Und ich würde wahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch bekommen, wenn er mich jetzt anschrie.
Und das würde er. Er hatte auch einen guten Grund dazu.
Plötzlich erhellte sich wieder der Handybildschirm und ein Anruf erschien auf dem Display.
Ein Anruf.
Von Marius.
Ungläubig starrte ich weiter darauf. Warum rief er mich zurück?
Ahnte er etwas?
Oder dachte er einfach, es wäre ein Notfall?
Oder er hat sich verwählt?
Aber eigentlich ist es ja ziemlich unwahrscheinlich, dass wenn ich ihn anrufe, er sich ein paar Sekunden danach verwählt und mich aus Versehen anruft.
Also wollte er mich anrufen.
Oder er fühlte sich gezwungen zurückzurufen.
Und ich würde es nie erfahren, wenn ich nicht in nächster Zeit ranging.
Und es war doch eigentlich nur ein kleiner Wisch nach rechts.
Aber dann könnte er mich ja immer noch anschreien.
Und wenn ich es einfach klingeln lassen würde?
Aber das war nicht fair ihm gegenüber.
Also musste ich rangehen, das war ich ihm schuldig.
Doch als ich meinen Finger ausstreckte, um den Anruf anzunehmen, verschwand die Anzeige auf dem Bildschirm und Einsamkeit kehrte wieder im Raum ein.

Effekt oder Defekt?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt