64-Ihr braucht Marius

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Verbittert knallte ich das Skript auf den Tisch, als eine Szene wieder nicht gelang. Der Schlafmangel der letzten Tage tat mir echt nicht gut und der Stress mit Marius tat sein Übriges. Gut, was hieß Stress?
Wir redeten ja nicht miteinander.
"Vielleicht mal 5 Minuten Pause?", schlug Thomas vor und schob seine Cap etwas nach oben. "Ist wohl besser.", entschied Ju und stemmte die Hände in die Hüfte, "Aber mal eine andere Frage: Wie wollen wir das mit den Effekten machen?"
"Naja Hanna hat davon ja noch recht viel Ahnung...", versuchte Passi es vorsichtig und sah mich an, "Aber sie müsste dann ein paar Nächte durcharbeiten..."
"Jetzt bräuchte man einen Marius...", murmelte ich bitter und sofort erntete ich damit die verblüfften Blicke der Anderen. Klar, das war das erste Mal, dass irgendjemand seinen Namen in meiner Gegenwart aussprach. Und dann war dieser Jemand auch noch ich selbst.
"Was denn?", blaffte ich sie trotzdem an und verschränkte die Arme vor der Brust, "Er ist schließlich nicht tot, ok? Ihr könnt in meiner Gegenwart über ihn sprechen, er ist immer noch mein Freund." 
"Hanna...", sprach Passi besänftigend auf mich ein und näherte sich mir vorsichtig, die Hände beschwichtigend auf Hüfthöhe erhoben, "Alles in Ordnung?" 
"Klar, was sollte denn nicht in Ordnung sein?", lachte ich hysterisch, "Ist ja nicht so, dass ich mich vielleicht bald entscheiden muss." 
Diese Erkenntnis beschäftigte mich schon seit dem Streit, doch ich hatte mich noch nie bei jemandem dazu geäußert. Aber die Wahrheit war eben hart.
"Entscheiden?", hakte Ju nach und zog verwundert eine Augenbraue nach oben.
 
"Ja! Ist euch auch irgendwann mal in den Sinn gekommen, dass wenn Marius und ich es nicht mehr auf die Reihe-"

"Ihr bekommt das wieder auf die Reihe!", unterbrach mich Thomas sofort, doch ich schnaufte nur frustriert: "Mal angenommen wenn nicht, was ist dann? Wir können nicht mehr zusammenarbeiten und wisst ihr was das heißt? Dass Einer von uns gehen muss. Und das wird nicht Marius sein, dafür kennt ihr ihn zu lange. Dafür ist er zu wichtig."
Und damit hatte ich Recht.
Auch wenn Marius momentan das schwarze Schaf war, er war wichtiger als ich.
Er konnte besser Effekte machen als ich.
Er war flexibler. Er war älter.
Er kannte sie länger.
"Hanna...", murmelte Passi und legte seine Hand auf meine Schulter, "Das wird nicht passieren und das weißt du."
"Du weißt es doch auch nicht!", fuhr ich ihn mit erstickter Stimme an, "Ich weiß es nicht. Marius weiß es nicht. Keiner weiß es." 
Darauf folgte Stille und ich wischte ein paar Tränen weg: "Ihr braucht Marius..."

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