Kapitel 23

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Lyra blickte direkt in ein dunkles Paar Augen. Keine normalen Augen. Dunkelblaue, fast schwarze, aber geheimnisvoll. Lyra spürte sein Gewicht auf ihrem Körper. Sie war viel zu abgelenkt von ihrem Traum als das sie sich Gedanken machte wie er hier her gekommen war.

Sie schluchzte leise und schlang einen Arm um seinen Kopf. Sein Fell wurde nass, saugte ihre Tränen auf. Die Blauschattierungen glitzerten an den Stellen wo ihre Tränen aufgekommen waren. Aber sie beruhigte sich schnell. Seine Nähe hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. Als wären alle Sorgen für einen kurzen Augenblick in den Hintergrund gerückt.

„Was machst du denn hier? Wie bist du hier reingekommen?!"
Er schaute sie aus seinen wunderschönen Augen an.
Ich passe auf dich auf!
Lyra runzelte die Stirn. „Wieso warst du dann nicht letzte Nacht da?! Da hätte ich dich gebraucht! Warum bist du überhaupt die ganze Zeit weg?"

Mirutuvāna senkte den Kopf, beinah als wäre er beschämt, und legte ihn auf seine Pfoten.
Lyra seufzte und fuhr ihm durch das Fell an seinem Kopf. Ihr Blick wanderte zu Kate. Sie schlief ruhig, schien nichts mit zu bekommen. „Was mache ich wenn dich jemand findet?", wollte sie wissen.
Sie werden mich nicht finden!
Er schaute wieder auf, aus blassen hellvioletten Augen. Sie schienen sie aufzufordern.

„Ich habe wieder von meiner Mutter geträumt!", flüsterte Lyra plötzlich. „Sie hat wieder diskutiert! Ich hatte den Traum so oft als ich klein gewesen bin, eigentlich ist es ja eine Erinnerung, kein Traum! Nachdem sie gestorben ist habe ich es so gut es ging verdrängt. Aber als ich ihr Foto gesehen habe ist es einfach alles wieder hoch gekommen!"

Mirutuvāna sah sie stumm an. Aber Lyra fühlte sich geborgen. Er hörte ihr zu. Verstand sie. Sie wusste es. Auch wenn er bisher nur sehr selten bei ihr gewesen war.

„Den Ring habe ich nur getragen weil er keine Erinnerung hat!", sprach Lyra weiter und schaute auf den Rosé-goldenen Ring auf ihrem Nachttisch. Sie konnte sich nicht erinnern ihn jemals nicht getragen zu haben. „Es war ihr Ring! Aber ich verbinde nichts damit. Sie hat ihn nie getragen. Er lag immer nur in ihrer Schublade, aber wegwerfen wollte sie ihn trotzdem nicht. Und er ist hübsch. Also trage ich ihn!"
Sie schüttelte den Kopf. Die ganze Angst aus ihrem Albtraum war verschwunden. Mirutuvāna hatte sie ihr genommen.
Alles hat Erinnerungen! sagte Mirutuvāna. Oder besser gesagt, die Zeichen sagten es ihr. Ihre stille Kommunikation.

„Ja natürlich. Aber der Ring hat keine schlimmen Erinnerungen!", flüsterte Lyra und runzelte die Stirn. Was pochte da so in ihrem Kopf?
Alles hat Erinnerungen! sagte Mirutuvāna noch einmal. Dein Traum ist eine Erinnerung! Sie will dich wecken und wach rütteln. Du musst dich erinnern!
„Woran muss ich mich erinnern?"
Mirutuvāna legte den Kopf schief.
An alles!

„Was ist alles?"
Sie blinzelte und sah in seine wechselnde Augenfarbe. Langsam zog sich das helle Blau in das Violett und vermischte sich mit ihm, verdrängte es sanft.
Er rappelte sich auf, sprang von ihrem Bett und sah sie erwartungsvoll über die Schulter an. Lyra zog die Augenbrauen zusammen.
„Ich werde nicht raus gehen!", flüsterte sie bestimmt und starrte ihn wütend an. „Was denkst du dir dabei? Dieser Irre könnte immer noch da sein!"
Er drehte sich um und setzte sich hin. Jetzt sah er ihr direkt in die Augen.
Vertrau mir!

Lyra kaute auf ihrer Unterlippe. Sie kannte diesen Wolf nicht. Sie hatte ihn dreimal gesehen wenn es hoch kam. Und so schnell vertraute man niemanden.
Auf der anderen Seite wusste sie das es richtig ist. Sie wusste das Mirutuvāna nicht böse war, das er nur das tat was er für richtig hielt.
Woher wusste sie das alles?
Woher weißt du das alles, Lyra? Woher nimmst du das Wissen?
Weil er zu ihr gehörte. Sie wusste es. Sie gehörten zusammen. Mirutuvāna ist ihr Gefährte.

Wolf howlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt