Kapitel 55

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Als Lyra wieder aufwachte blinzelte sie in die tief stehende Sonne. Verschlafen fuhr sie sich über die Augen und kniff sie kurz zusammen und wieder auf, um wach zu werden.
Etwas orientierungslos sah sie aus dem Fenster. Es war bereits später Nachmittag geworden und Lyra wunderte sich darüber ein derartig langes Nickerchen gemacht zu haben. Das war sonst nicht ihre Art.

Sie gähnte einmal ausgiebig und streckte sich dann. Mit einem kurzen Blick auf ihr Handy stellte sie fest, dass es bereits kurz nach Fünf war. Überrascht hob Lyra die Augenbrauen und schlenderte zur Tür. Hatte sie in der Nacht tatsächlich so wenig Schlaf abbekommen? Das war doch gar nicht so lange gewesen...?!

Mit einem kurzen Rütteln bemerkte sie, dass die Tür noch immer abgeschlossen war. Frustriert schlug sie dagegen und wollte sich innerlich über ihre Großmutter auslassen, als sie das leise Klirren eines Schlüssels bemerkte. Er... steckte? Das konnte doch nicht so einfach sein. Das wäre viel zu einfach. Warum sollte der Schlüssel tatsächlich stecken? Lyra wunderte sich in jedem Film darüber wie Leute dazu kamen, den Schlüssel nicht mitzunehmen. Vielleicht war Mr Adams ja bereits etwas dement?

Kurzerhand legte Lyra die flache Hand auf das Schloss. Es dauerte nicht lange bis die kleine violette Kugel den Schlüssel gefunden hatte. Nach einigem Fuhrwerken hörte sie das altbekannte Klacken des Schlosses und die Tür ließ sich problemlos öffnen.

Mit einem kleinen selbstgefälligen Grinsen schlüpfte Lyra aus der Bibliothek und schloss sie wieder hinter sich. „Ha! Ich lass mich nicht einfach so einschließen!", murmelte sie leise vor sich hin und warf die Haare in den Nacken. Nach kurzem Überlegen ließ sie den Schlüssel stecken und schlenderte den Gang entlang.
Was nun?

Bevor sie noch irgendetwas überlegen konnte, nahm ihr Magen ihr die Entscheidung mit einem lauten Grummeln ab. Wo gibt es denn jetzt noch was zu essen? Und wo ist die Küche?

Auf der Suche nach etwas Essbarem strich sie durch die Gänge, sich vollständig darüber bewusst, dass sie das Gegenteil von dem tat was ihre Großmutter angeordnet hatte. Nämlich rumschnüffeln.
Gerade wollte sie um die Ecke biegen, als ihr Stimmen entgegenschlugen.

Erschrocken blieb Lyra stehen und drückte sich an die Wand. Das waren das Biest und jemand anderes.
Wenn sie mich jetzt erwischt hab' ich ein Problem! ärgerte sie sich.
Vorsichtig spähte Lyra um die Ecke, konnte aber niemanden sehen. Die Erleichterung hielt nur kurz an. Dann fiel ihr Blick auf die angelehnte Tür. War das womöglich das Zimmer des Biestes? Oder das Arbeitszimmer oder ähnliches?

Mit einem mulmigem Gefühl im Magen schlich Lyra zur Tür. Zweimal am Tag erwischt zu werden stand nicht unbedingt auf ihrer Liste der wichtigsten Dinge. Trotzdem zog es Lyra förmlich zu der Tür, hinter der sich das Biest erstaunlich energisch und laut mit einer weiteren Person unterhielt. Oder zankte. Wie man es nahm.

„... nicht verantworten. Es ist unzulänglich und schlägt mir auf die Nerven und das Gemüt!", keifte das Biest deutlich genervt. „Ich wusste von Anfang an, dass es eine ausgesprochen hirnrverbrannte Idee ist! Und das hat sich schließlich nur bestätigt!"
„Meinst du nicht auch dass du zu streng bist!", antwortete eine erstaunlich gemächliche und beruhigende Stimme.
„Zu streng kann man nicht sein!", knurrte das Biest. „Man sollte gar nichts mehr. Rauswerfen sollte man sie! Ich dulde sie nicht länger unter meinem Dach!"

Spätestens jetzt war Lyra klar geworden über wen sie da gerade sprachen. Ganz eindeutig sie. Der Gedanke entdeckt zu werden rückte in den Hintergrund und Lyra schlich näher zur Tür.

„Wir haben doch bereits davor ausgiebig darüber gesprochen! Wir wollten es versuchen, und du hast zugestimmt! Du wolltest ihr eine Chance geben!"
„Bei dem Benehmen? Wie denn?"
„Du trägst nicht wirklich dazu bei es zu verbessern!", rügte die Männerstimme, bei der es sich offenbar um ihren Großvater handelte. Lyra empfand plötzlich eine große Zuneigung für ihn.

Wolf howlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt