Kapitel 58

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Lyra sah sie überrascht an, unfähig sich zu bewegen.
Du bist ein Werwolf?"

Lyra dachte zurück an ihre zweite Begegnung, als die Augen von Aya zu Wolfsaugen wurden. Sie hatte nie wieder darüber nachgedacht, aber jetzt kam es ihr so logisch vor. Sie hatte es als normal angesehen, sie hatte ja noch nicht gewusst was in dieser Welt normal ist und was nicht.
Aya war ein Werwolf. Und der Arzt müsste dann ebenfalls einer sein. Kein Wunder dass Aya behauptete mit dem Arzt befreundet zu sein. Werwolf und Werwolf.

Und noch eine Szene fiel ihr ein.
„Als ich mit Peter im Wald war, warst das auch du?"
„Nein, das war mein Bruder!", seufzte Aya. „Er hat einen Narren an dir gefressen!"
„Dein Bruder?", fragte Lyra überrascht.
„Lukas, ja! Er hat dich gebissen!"

Lyra zuckte bei dieser ehrlichen Antwort zurück.
„Wie gesagt, er hat einen Narren an dir gefressen, hat sich die ganze Zeit in deiner Nähe rumgetrieben obwohl ich ihm gesagt habe, dass er es lassen soll, irgendwann ist der Werwolf dann mit ihm durchgegangen. Du hattest Glück dass ich in der Nähe war. Was glaubst du warum du nicht noch mehr Narben auf deinem Körper hast?"
Ein eiskalter Schauer lief Lyra über den Rücken.

„Der Werwolf der mich gebissen hat ist dein Bruder?", wollte sie fassungslos und entsetzt wissen.
Aya zuckte als Antwort nur mit den Schultern.

„Aber wieso ich?", wollte Lyra verwirrt wissen. „Wie seid ihr auf mich gekommen?"
„Die Tochter einer der bedeutendsten Jägerfamilien überhaupt und nicht unter dem herrischen Löffel und der Gehirnwäsche ihrer Großmutter? Miriam Vēṭṭaiyāṭi, der Tod der Werwölfe, und ihre Enkelin ist als normaler Mensch ohne jegliche mordende Erziehung aufgewachsen, natürlich warst du interessant für uns Werwölfe. Anfangs warst du lediglich ein Racheobjekt, dass stimmt, aber ich habe weitergedacht. Wenn die Tochter der größten Werwolfmörderin umdenkt und die Wahrheit erfährt, die sie durch ihre Unwissenheit noch annehmen und erkennen kann, dann ist das erstens ein viel größerer Schlag für die andere Seite und zweitens viel gewinnbringender für uns. Du hast bessere Kontakte, Chancen, Möglichkeiten. Du musstest dich zwar noch ,hocharbeiten' aber das hast du ja gut geschafft!"
„Ich sollte eure Marionette sein!", stellte Lyra fest. Aya widersprach nicht.

Lyra atmete tief durch und ließ sich auf den Boden sinken. Es war verrückt wie ein Puzzleteil plötzlich alle anderen losen Teile verbinden konnte sodass man das Bild sah. Es ergab plötzlich Sinn.
Aya war diejenige die sie durch die Nachrichten aufmerksam gemacht hat. Lukas, Ayas Bruder und ebenfalls Werwolf, derjenige der sie später gebissen hatte, hatte dann durch seine Erscheinung den Rest getan. Lyra war das erste Mal mit Übernatürlichem und Wölfen in Kontakt gekommen, sie hat sich Gedanken gemacht. Und so konnte Aya sie, die Marionette, ans Internat schicken und sichergehen dass sie ihre Kräfte zu kontrollieren lernte und früher oder später auf Louis, ihren richtigen Onkel traf und ihre Familie kennenlernte. Und davor sollte sie noch erfahren was es mit der Geschichte der Schatten wirklich auf sich hat, damit sie nicht doch ihrer Familie glaubt und der ganze Plan umsonst gewesen wäre.
Es war verrückt.

„Hat dein Bruder dir dann nicht einen ziemlichen Strich durch die Rechnung gemacht, als er mich gebissen hat? Ich konnte meine Kräfte nicht benutzen!"
„Natürlich, deshalb auch der befreundete Arzt, aber die Creme hast du ja nicht benutzt!"
„Er wurde extra eingeschleust damit ihr mich abfangen konntet. Damit ich nicht auf irgendeiner Intensivstation lande um wegen des Bisses behandelt zu werden."
„Ganz genau!"
„War das nicht auffällig, dass du mir deine Augen so gezeigt hast? Ich hätte jemandem davon erzählen können. Und Mrs Patū kannte dich auch, du hast schließlich die Empfehlung gegeben mich in die zweite Klasse zu stecken. Was sollte das also? Bist du wirklich Sucherin?"
„Ich führe ein Doppelleben!", erklärte Aya ruhig und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Ich bin zwar Sucherin, aber gleichzeitig bei den Werwölfen tätig!"
„Und dir ist noch nie jemand auf die Schliche gekommen?"
„Wieso sollte es jemand tun?! Ich mach meinen Job und bin ruhig, mehr wollen die nicht wissen!"

Wolf howlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt