Kapitel 9

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Dieses Kapitel ist chelli23 gewidmet.
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"Was ist denn mit dir passiert, Avery?"

Brian lugte durch die halb geöffnete Tür und staunte nicht schlecht. Veränderungen waren wohl doch nicht immer schlecht für mich.

"Das war Lolas Idee. Sehe ich einigermaßen gut aus?"

Ich drehte mich einmal im Kreis, nur um danach wieder direkt vor Brian zu stehen. Er zeigte einen Daumen nach oben.

"Mehr darf ich nicht sagen, denn wenn Elijah erfährt was ich sagen will, bringt er mich um."

Lachend, im Wissen das er wohl recht hatte, versetzte ich ihm einen Stoß mit meinem Ellenbogen und scheuchte ihn somit aus dem Zimmer.

"Lucy hat gefragt, ob du nicht vielleicht mal mit in eine Schulstunde kommen willst", rief mir Brian zu, bevor er wirklich das Zimmer verließ.

Es war gar keine schlechte Idee. Ich hatte mich schon immer gefragt, wie es wohl ablief, vor allem, weil sie alle unterschiedlichen Alters waren.

Lola war schon verschwunden, um das Mittagessen vorzubereiten, hatte mir aber versprochen, dass wir meine Haare noch in Ordnung bringen würden.

Elijahs Bett sah hinter mir so verführerisch weich aus, doch ich erhob mich davon, bevor es mich noch dazu verführte, den ganzen Tag nicht mehr aufzustehen.

Ich klopfte leise an, bevor ich in den Raum trat. Jedes der Kinder hatte einen Einzeltisch und saß konzentriert und völlig alleine vor seinem aufgeschlagenen Heft.

Ein Mann mit Brille und Hemd winkte mich zu sich und reichte mir die Hand, bevor ich ein Wort sagen konnte.

"Du musst Avery sein. Elijah hat mir schon viel von dir erzählt."

Der Mann vor mir, hatte schon einige Falten und war bestimmt schon Mitte bis Ende dreißig. Trotzdem hatte er sich gut für sein Alter gehalten.

"Ja, die bin ich. Und sie sind Mr. Paton?"

Es war nichts Neues mehr für mich, dass Elijah wirklich jedem von mir erzählt hatte. Wer weiß wie lange er schon im Voraus geplant hatte, mich einzuweihen.

"Nenn mich ruhig Roger. Ich mag es nicht sonderlich mit dem Nachnamen angesprochen zu werden, wenn es nicht meine Schüler sind, die mit mir reden."

"Was unterrichten Sie?"

Ich blickte auf Tylers Heft und als ich die ganzen Zahlen sah, wurde mir ganz schwindelig.

"Mathe."

Ein Fach das ich nicht vermisste.

"Wenn Finn nicht da ist, unterrichte ich auch Deutsch."

"Finn?"

Roger nickte wissend auf meine Frage wer Finn sei. "Er ist ein guter Freund von Elijah, noch mitten im Studium, aber trotzdem ein fabelhafter Lehrer."

Elijah hatte viele Freunde, wenn man bedachte, dass wahrscheinlich nicht jeder mit seiner Lebensweise zurechtkam.

Hätte mich einer meiner Freunde gebeten, bei solch einer illegalen Sache mitzumachen, hätte ich sicherlich ein paar Nächte darüber geschlafen.

"Es läuft hier so, dass ich jedem Kind verschiedene Aufgaben, angepasst an ihr Alter, gebe. Sie erarbeiten sie alleine und ich bin jederzeit zur Stelle, wenn sie Fragen haben. Einen Grundkurs für neue Themen gibt es jede zweite bis vierte Woche. Dort bespreche ich jedes neue Thema, für jedes Kind."

Das hörte sich nach einem vernünftigen Vorgehen an.

"Elijah hat entschieden, dass es so wohl am leichtesten wäre. Und es funktioniert."

Immer wieder aufs Neue überraschte Elijah mich. Er hatte mehr im Kopf, als er zugeben wollte. Mir wurde klar, Elijah würde es schaffen. Er hatte all das hier aufgebaut, dann würde er auch aus dem Gefängnis freikommen. Es musste so sein.

"Es gibt aber auch solche Kinder wie Liz."

Das kleine Mädchen blickte hochkonzentriert auf ihr Papier und schrieb in einer Geschwindigkeit, dass mir beinahe schon von schauen, schwindelig wurde.

"Sie ist so gut, dass sie jetzt zusammen mit Luis in einer Liga spielt, dabei ist er ein Jahr älter als sie."

Mir war nie aufgefallen, wie schlau Liz war, aber es war schön, dass sie nach allen schrecklichen Dingen, die ihr zugestoßen waren, immer noch auf etwas so fixiert sein konnte, dass sie mochte.

"Sie liebt Mathe besonders. Elijah ist sehr stolz auf sie. Er freut sich immer, wenn sich die Kinder hier entfalten können, wenn sie es Zuhause nie konnten."

Sicherlich, waren auch die anderen Kinder schlau und glücklich darüber, lernen zu dürfen. Es war schön. Es war ganz anders als an meiner Schule.

Diese Kinder waren dankbar für das Leben, dass Elijah ihnen geschenkt hatte und es war so unfair, dass er wegen solch einer wundervollen Sache, im Gefängnis saß.

Er war vielleicht ein Sturkopf und ja, vielleicht war es auch falsch, den Eltern ihre Kinder wegzunehmen.

Aber sie hatten sie nicht verdient, wenn sie ihre Nachkommen nicht schätzten.

"Du kannst zu Olivia gehen. Sie tut sich meist schwer in diesem Fach."

Tatsächlich sah sie etwas überfordert aus. Sie blickte immer wieder nach hinten zu Tyler, der jedoch selbst so vertieft in seine Aufgaben war, dass er sie nicht bemerkte.

"Hey, Lia, willst du mir zeigen, was du für Aufgaben machst?"

Sie schob mir ihre Notizen leicht verunsichert zu. Es waren normale und recht einfache Rechnungen, das würde ich wohl noch hinbekommen. Hoffentlich.

"Ich verstehe sie einfach nicht!", jammerte sie und legte ihren Kopf auf den Tisch.

"Das macht doch nichts, Lia. Ich verrate dir was. Ich bin auch nicht gut in Mathe, aber da müssen wir durch. Wenn du dich nur ein bisschen anstrengst, dann schaffst du es."

Sie hob ihren Kopf an und blickte mich durch ihre feuchten Augen an.

"Wirklich?"

"Wirklich."

Ich erklärte ihr dir Aufgabe und sie verstand schnell. Wahrscheinlich nicht so schnell wie die Anderen, aber schnell genug, um Mathe zu überstehen, es nach der Schule in die nächste Ecke zu werfen und es nie wieder anzuschauen. So würde ich es jedenfalls tun.

Als ich in ihrem Heft blätterte, um mir die Aufgaben anzusehen, fielen mir einige ihrer Zeichnungen auf. Für ihr junges Alter, waren sie echt gut. Am liebsten schien sie Blumen und andere Pflanzen zu malen. In ihr schlummerte ein echtes Talent für Kunst.

"Die sind echt schön. Du kannst echt gut zeichnen."

Olivias Wangen färbten sich rosa und sie blickte verlegen zur Seite.

"Danke, das hat Elijah auch immer gesagt. Er meinte, irgendwann, dann würde was ganz Großes aus mir werden. Er hat mir versprochen, dass er irgendwann eine Kunstaustellung mit mir besucht."

Traurig blickte sie auf den Boden.

"Aber jetzt ist er weg."

Elijah hatte wie immer recht, aus ihr würde etwas Großes werden, keine Frage. Und das würde am Ende auch Elijahs Verdienst sein.

Ich strich ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.

"Aber er kommt wieder zurück. Nehmt ihr mich dann auch mit?"

Ihre Augen begannen zu strahlen und immer mehr verstand ich, warum Elijah all das hier tat. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wenn einen solche Augen voller Freude anstrahlten.

"Ja!"

Die Lesenacht beginnt!

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