Kapitel 20

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Mit einem lauten Knall schloss sich die Tür hinter mir. "Wo sind die Brötchen?" Verwirrt blickte ich in Masons Gesicht, der sich hungrig über den Bauch fuhr. Ich schlug mir die flache Hand gegen die Stirn als ich mich daran erinnerte, warum ich eigentlich losgegangen war. Ich hatte doch tatsächlich die Brötchen vergessen. "So weit bin ich gar nicht gekommen", murmelte ich und erntete dafür einen mahnenden Blick von Brian.

"Wo warst du denn dann?" Er wandte den Blick von seinem Laptop ab und blickte direkt in meine Augen, um zu erkennen, ob ich log oder nicht. "Ich wollte zu dem alten Haus", gab ich zu und senkte den Kopf. Urplötzlich fühlte ich mich schrecklich wegen der Lüge die ich Mason aufgetischt hatte. Ich war kurz davor gewesen, alles zu zerstören. Ich hatte mit Cole gesprochen und ihn dadurch nur noch aufmerksamer auf mich gemacht. Ich fühlte mich unglaublich dumm.

"Wieso bist du dorthin zurückgegangen? Du weißt doch, wie riskant es ist, an den Ort zurückzukehren, an dem Elijah verhaftet wurde. Die Polizei wartet dort bestimmt schon auf dich." Masons vorwurfsvolle Stimme ließen die Schuldgefühle sicherlich nicht verschwinden. Er hatte recht. Ich hatte nur an mich gedacht. Nur daran, wie sehr ich dieses Gefühl von damals zurückhaben wollte. Als Elijah noch ein freier Mann gewesen war.

"Es tut mir leid. Ich weiß, dass es ein Fehler war." Ich stotterte und spielte nervös mit meinen Händen. Das Brian nichts sagte, machte mich unglaublich nervös. Er stand einfach nur da. "Was ist denn hier los?" Lola lief gerade die Treppe hinunter und blickte fragend in die Runde. Bis auf Jack und die Kinder waren alle hier versammelt und alle Blicke lagen auf mir.

"Avery war bei dem alten Haus", sagte Brian endlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war bestimmt nicht sehr erfreut darüber, dass ich in letzter Zeit nur noch als Einzelgängerin unterwegs war.

"Ehrlich gesagt, war ich nicht dort. Ich wurde von Cole an der Graffitiwand aufgehalten." Brian klatschte so laut in die Hände, dass ich kurz zusammenzuckte. "Wunderbar." Seine Stimme triefte nur so vor Ironie. "Hast du ihm auch gleich verraten wo wir wohnen?", stichelte Mason weiter.

"Hört auf Jungs!" Lolas laute und unglaublich kraftvolle Stimme, ließ die Jungs verstummen. Es war wieder einer dieser Momente in denen ich mir wünschte, dass Elijah neben mir stehen und mich verteidigen würde. Ich wusste, er hätte es getan, auch wenn er wusste, dass meine Entscheidung falsch gewesen war. Mir selbst war es klar.

"Das bringt doch nichts. Hört auf Avery fertigzumachen. Sie hat einen Fehler gemacht, aber sie vermisst Elijah nun mal. Sie kann nicht immer einen klaren Kopf bewahren", verteidigte mich meine Freundin. Ich hatte es nicht verdient, dass sie das tat, aber es fühlte sich furchtbar an, wenn alle gegen einen waren. Und bei ihrer Vermutung hatte sie direkt ins Schwarze getroffen. Ich vermisste ihn einfach manchmal so sehr, dass ich Dinge tat, die eigentlich vollkommen untypisch für mich waren.

"Wir müssen endlich von hier verschwinden!" Brian sagte zwar nichts mehr über mich, aber ich konnte ihm ansehen, wie schwer es ihm fiel, das Thema zu wechseln. Ich glaubte allerdings nicht, dass seine ständig schlechte Laune in letzter Zeit nur an mir lag. Er vermisste seinen besten Freund. Vielleicht war er auch überfordert. Es gab so viel was geregelt werden musste und da er mich nicht mithelfen ließ, musste er alles alleine in Ordnung halten.

Eigentlich musste er das nicht, doch mir war nicht klar, wann er das endlich verstehen würde. Wir waren ein Team. Ein Team das durchhalten musste, bis Elijah wieder da sein könnte. "Ich habe schon angefangen die Koffer zu packen", sagte Lola in einem viel sanfteren Ton. "Die Kinder wissen auch schon Bescheid", fügte Mason hinzu und es kam mir so vor, als fiel wenigstens ein wenig Last von Brians Schultern. "Wir schaffen das." Ich flüsterte, doch alle hatten es verstanden.

In der nächsten Minute war Lola in die Küche und Mason zu den Kindern nach oben verschwunden. Da Brian im Moment nicht sehr gut auf mich zu sprechen war, hielt ich es für das Beste, Lola anzubieten, dass ich ihr beim Kochen half. Denn ich wusste, dass sie um diese Uhrzeit fast jeden zweiten Tag zur Arbeit ging.

"Avery." Ich stand schon auf der ersten Stufe, als Brian nach mir rief. "Hat Cole noch irgendetwas gesagt?" Am liebsten hätte ich den Kopf geschüttelt, doch ich hatte gerade bemerkt, welche Probleme das Lügen mit sich brachte. "Er meinte, mein Vater und der von Lucy hätten sich zusammengeschlossen, um uns zu finden." Ich erwartete, dass Brian gegen den nächsten Gegenstand schlug, doch er nickte nur. "Glaubst du, er sagt dir Wahrheit?"

Was glaubte ich eigentlich? "Ich weiß nicht, ob wir ihm in diesem Punkt vertrauen können, doch riskieren würde ich es nicht."

Wir alle schwebten in Gefahr und wenn es stimmte, was Cole sagte, dann mussten wir wirklich so schnell wie möglich fort von hier. Brians Blick lag schon wieder auf dem Laptop. "Ist es okay, wenn du heute auf die Kinder aufpasst? Ich lasse dich nur ungern alleine, aber Mason und Lola müssen heute arbeiten und ich muss noch etwas Wichtiges erledigen. Jack wird wahrscheinlich auch erst spät zurückkommen, er geht noch zu Liv."

Was war wohl so wichtig, dass er mich alleine hierließ? "Kein Problem. Ich bekomme das auch alleine hin." Als ich keine Antwort bekam, wollte ich schon weitergehen, doch Coles Worte fielen mir wieder ein. "Was ist eigentlich zwischen Cole und Elijah vorgefallen? Cole meinte, er täte alles nur aus Rache."

Endlich huschte Brians Blick zu mir. "Ich weiß es nicht. Das ist wirklich etwas, dass nur Elijah weiß."

Lola hatte sich wieder selbst übertroffen. Sie selbst hatte leider keine Zeit mehr dazu gehabt, ihr echt leckeres Gericht zu probieren, aber ich platzte fast, weil ich zu viel davon gegessen hatte. Es war überraschend gut mit den Kindern gelaufen. Keines hatte sich beschwert oder irgendeinen Unfug angestellt. Wir waren alle gemeinsam am Tisch gesessen und Olivia hatte sogar von ihrer Mathe Stunde erzählt und wie sie dank Tylers Hilfe die Aufgabe sogar alleine hatte lösen können.

Auch wenn es sich seltsam anhörte, hätte ich mir nicht besseres vorstellen können, als mit den Kindern gemeinsam Zeit zu verbringen. Es war einfach schön, wie sie sich mir gegenüber immer mehr öffneten und mich wirklich als neues Familienmitglied ansahen. Leider hatte Luis es nicht lassen können, einen nicht wirklichen guten Witz zu erzählen und somit war der halbe Inhalt aus Lucys Mund auf dem Tisch gelandet.

"Ich möchte dieses Spiel spielen." Tyler zog mich an der Hand mit in das Kinderzimmer. "Monopoly? Könnt ihr das denn alle spielen?" Fragen blickte ich in die Runde. Ich liebte Monopoly, aber es war nicht so einfach wie es aussah.

Alle nickten einstimmig. "Elijah hat es immer mit uns gespielt. Wenn alle im Haus waren, hat er immer einen von uns losgeschickt, um alle zusammenzutrommeln und wir haben alle gemeinsam gespielt."

Der Gedanke daran war schön. Wie unglaublich schön es sein wäre, wenn wir hier alle gemeinsam sitzen könnten. Elijah hatte so einen großen Einfluss auf die Kinder, sie mussten ihn schrecklich vermissen. Die Kinder hatten so schnell nach den Figuren gegriffen, dass ich mich mit dem Schuh zufriedengeben musste. Tyler brummte, als er den Rennwagen einige Felder weiter nach vorne schob. Noch bevor irgendjemand von uns ein Haus bauen konnte, war Olivia eingeschlafen. Auch die anderen wirkten müde. "Kommt, macht euch fertig fürs Bett." Protestierende Laute verließen die kleinen Münder, doch ich ließ nicht weiter mit mir reden. Ich selbst war schrecklich müde. Während die Kinder in das Bad liefen, um sich die Zähne zu putzen, lief ich eine Etage tiefer, um nach zu schauen, ob überall das Licht aus war.

Ein Geräusch von quietschenden Reifen und einem parkenden Auto, ließen mich zusammenzucken. Jack konnte unmöglich schon da sein, es sei denn, er hatte sich mit LIv gestritten. So sehr meine Augen auch über die Waldwege wanderten, ich konnte nur die Umrisse des Wagens erkennen. Erst als eine Taschenlampe angeknipst wurde, taumelte ich vor Schreck ein paar Schritte zurück. Unmöglich. Es war das Auto meines Vaters.

So schnell wie mich meine Beine trugen, sprintete ich die Treppe hinauf. Erschrocken blickten mich die vielen Augen an. "Keaden, bring die Kinder hier raus und versteckt euch direkt hinter dem Haus. Falls irgendjemand kommt, rennt ihr in den Wald, aber nicht zu tief hinein!" Mein Ton duldete keinen Widerspruch. Ich wusste, welche Panik ich gerade verbreitete, aber ich musste das bestmögliche tun. Die Kinder mussten in Sicherheit sein. Tyler schob ich als letztes durch die Hintertür und schloss sie hinter mir. In Sekundenschnelle hatte ich alle Lichter ausgeschaltet, doch um mich zu verstecken war es schon zu spät.

Eines der großen Fenster wurde eingeschlagen und ich japste erschrocken nach Luft.

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