Kapitel 27

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Schon das fünfte Mal klopfte ich bereits an Jacks Tür, doch der schien tief und fest zu schlafen. So leid es mir auch tat, das konnte nicht warten. In der Hoffnung, dass er nicht einer dieser Typen war, die nackt schliefen, lugte ich in das Zimmer hinein. Jack lag friedlich schlummernd auf dem Bett, das etwas größer als meines war. Dicht neben ihm stand noch ein Bett, das allerdings noch unberührt war.

"Jack", murmelte ich, doch er regte sich nicht. "Jack", wiederholte ich etwas lauter. Er gab einen gequälten Laut von sich und drehte sich einfach auf die andere Seite. Na danke. Ungeduldig streckte ich die Hand nach ihm aus und rüttelte ihn unsanft an der Schulter. Erschrocken fuhr er hoch und ich japste auf, während ich vor Schreck ein paar Schritte zurück taumelte.

"Was suchst du hier, Avery?" Er hörte sich eher so an als wollte er sagen: 'Was verdammt noch mal tust du hier?'
"Ich habe mich entschieden." Jack gähnte und klopfte auf den Platz direkt neben sich.

"Und?", fragte er, als ich mich setzte. "Ich mache es." Die Worte gingen mir viel leichter über die Lippen, als ich dachte und die Entscheidung fiel mir auch nicht mehr schwer, sobald ich an meinen Alptraum zurückdachte. "Bist du dir sicher?"

Mein eifriges Nicken war wohl Antwort genug. "Aber wie komme ich dort rein, ohne dass ich befürchten muss, dass mich jemand erkennt? Ich bin immer noch eine Ausreißerin Jack, schon vergessen?"

"Das lass mal meine Sorge sein." Misstrauisch blickte ich ihm hinterher, als er sich erhob und auf seine Tasche zulief. Wortlos, zog er seine Autoschlüssel heraus und verließ das Zimmer. Ich konnte nur inständig hoffen, dass er sich durch das, was auch immer er vorhatte, nicht in Schwierigkeiten brachte.

Es war Lola, die nur Sekunden später eintrat und mich überrascht musterte. "Was suchst du denn hier? Wolltest du nicht schlafen?"

Ich erwiderte ihre Antwort mit einem Gähnen. "Ja, das habe ich auch. Ich hatte einen Alptraum." In der nächsten Sekunde wünschte ich, ich hätte es ihr nicht erzählt. Lola konnte sehr einfühlsam sein, was definitiv einer ihrer Stärken war, aber manchmal brauchte ich jemand der mich wieder auf die Beine zog und mich nicht fühlen ließ, als ertränke ich in Mitleid.

"Wovon hast du denn geträumt?" Mit einem Kopfschütteln signalisierte ich ihr, dass ich nicht darüber reden wollte. Allein bei dem Gedanke, verspürte ich einen innerlichen Drang Lisa sofort einen Besuch abzustatten. Leider war das wohl die dämlichste Idee überhaupt. Damit würde ich Elijah sicher noch mehr Probleme bereiten, anstatt das ich irgendwelche löste.

"Tut mir leid, dass ich nicht mit dir in die Stadt gegangen bin."
"Ach was, Schwamm drüber. Ich kann verstehen, wenn du müde bist." Da war sie wieder, die einfühlsame Seite, die ich doch sehr gerne mochte und schätzte. Deswegen faszinierte mich Lola auch so sehr. Sie war temperamentvoll und ein herzensguter Mensch zugleich. Ich war irgendwie keins von beiden so richtig. Es war beeindruckend, wie sie alles im Griff hatte und grenzte schon fast an einem Wunder, dass Elijah sie im Team hatte. Sie war eine große Hilfe.

"Wie kam es eigentlich dazu?" Verwirrt legte sie den Kopf schief. "Was meinst du?"

"Na, dass alles hier. Wie bist du an diesen Punkt gekommen? Klar, ich und Elijah haben uns ineinander verliebt, aber wie hast du von seinem Geheimnis erfahren?"

"Ich weiß nicht so genau. Elijah und ich kennen uns schon seit einer Ewigkeit. Damals habe ich noch in einem Café gearbeitet und dort habe ich ihn dann auch nach einem Jahr Funkstille wiedergetroffen", erklärte sie, während sie in Erinnerungen schwelgte.

"Damals hat er mir von seinem Problem erzählt. Dass er doch in einem Kinderheim arbeite und sie niemanden hatten, der wirklich kochen konnte." Wie es weiterging, konnte ich mir eigentlich schon denken.

"Du weißt ja, wie hilfsbereit ich bin. Da ich sowieso nicht ganz zufrieden mit meinem Job war, habe ich ihm einfach angeboten, dass ich es doch übernehmen könnte. Immerhin habe ich ja ein Talent fürs Kochen. Ich konnte damals richtig spüren, wie er zögerte, aber einen Tag darauf ist er wieder bei mir erschienen und hat es mir gezeigt, im Wissen, dass ich es nicht verraten würde."

Elijah hatte also aus Not herausgehandelt. "Was hast du gedacht, als er die davon erzählt hat? Hast du ihm von Anfang an geglaubt?"

Lola zuckte mit den Schultern. "Natürlich hatte ich Zweifel. Damals in der Schule war es kein Geheimnis, dass Elijahs Eltern nicht die besten Menschen waren und als ich in seinen Augen sah, wie viel ihm das bedeutet, habe ich alle Zweifel beiseitegeschoben und mir einfach gesagt, ich könnte immer noch aufhören, wenn es mir nicht gefällt."

"Und es hat dir gefallen." Sie lächelte. "Kurz darauf habe ich auch Mason und Brian kennengelernt. Jack war damals noch etwas jünger gewesen, aber trotzdem war es so, als gehörte er schon zu den Großen dazu. Vielleicht liegt es auch daran, dass er mich von Anfang an um einen Kopf überragt hat. Wir sind eine Familie. Wir alle haben das bekommen, worauf wir nie hatten zählen können."

Ihre Worte lösten in mir etwas aus. Ich hatte immer hin eine gute Mutter gehabt. Elijah, und wer weiß was bei den anderen los war, konnten von so einem Glück nicht sprechen. Deswegen konnte ich auch schon von Anfang an sicher sein, dass Elijah nur das Richtige tat. Für ihn bedeutete es einfach zu viel.

Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug und Jack war immer noch nicht zurück. Erst nachdem ich über eine Stunde Monopoly mit den Kindern gespielt hatte, öffnete sich endlich die Haustür und Jack lockte mich mit einem Handzeichen zu sich.

Er blickte sich erst um, bevor er mir den Umschlag in die Hand drückte und als ich ihn öffnete und hineinblickte, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Flasche Unterlagen. Ein falscher Ausweis.

"Wo hast du das her?" Prüfend blickte ich Jack in das vor Kälte rot angelaufenen Gesicht. "Mach dir keine Sorgen. Ich habe dort meine Kontakte." Seine Worte beruhigten mich ganz und gar nicht. "Du hast dich damit doch nicht in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht, oder?" Hastig schüttelte er den Kopf. "Alles im grünen Bereich. Du kannst mir vertrauen."

Mir wurde übel, je länger ich das Bild betrachtete und mir somit klar wurde, dass ich es wirklich durchziehen würde. Ich würde Lisa Hayls wiedersehen.


Heute ein mal nicht wirklich spannendes Kapitel, aber die müssen eben auch sein.
Das nächste wird wahrscheinlich wieder aus Elijahs Sicht sein und er wird etwas ziemlich untypisches für ihn tun.💕

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