Kapitel 43

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Mit großer Mühe wehrte ich die Schläge ab, die wie Regen auf mich niederprasselten. Mason versuchte mich wieder zu Boden zu bringen, doch ich stemmte mit all meiner Kraft gegen ihn. Er war ein Feigling. Zwei gegen einen. Traute er sich nicht mehr zu? "Brauchst du immer jemanden, um mich zu erledigen?" Ich glaubte erst, dass ihn meine provozierenden Worte nicht kümmerten, doch nur wenige Sekunden später kamen die Schläge in kürzeren Abständen und es fiel mir schwerer, vier Arme gleichzeitig abzuwehren.

Mir sollte jeder Zentimeter meines Körpers weh tun, aber das Adrenalin ließ nicht zu, dass ich mich so fühlte, wie ich vermutlich aussah. Es rauschte durch mich hindurch und hielt mich wach. Ich erhaschte einen Blick auf Brian, der tapfer gegen einen der Riesen kämpfte. Er kam klar. Der Gedanke an Avery kam so schlagartig, dass ich meinen Kopf in alle Richtungen drehte. Ich entdeckte sie, ihr Vater über ihr. Sie versuchte nach der Pistole nur wenige Zentimeter von ihr entfernt zu greifen, doch ihr Vater schlug ihr auf die Finger, bevor sie sie greifen konnte.

Wütend knurrte ich auf und wurde im nächsten Moment von einem Schlag in die Seite überwältigt. Ich krallte mich in Masons Arm, grub meine Fingernägel in sein Fleisch. Warmes Blut lief meine Finger und seinen Arm hinunter. Ich blickte in sein Gesicht und grinste, als ich sah, wie er vor Schmerzen die Lippen aufeinanderpresste. Sein Handlanger riss mich von ihm fort. Ich holte mit meinem Ellenbogen aus, rammte ihn gegen seinen Kiefer und beobachtete freudig, wie er einen Schritt zurücktaumelte.

Ehe er sich versah, war ich auch schon wieder auf den Beinen. Eine weibliche Person huschte an mir vorbei und ich atmete erleichtert aus, als ich realisierte, dass es Averys blonde Haare waren, die ich gesehen hatte. Mason zischte auf, als ich seinen verletzten Arm packte. Eine Hand umklammerte meine Kehle und drückte zu. Ich holte mit meinem Knie aus, doch Hulk hatte es schon vorhergesehen und wehrte meinen Tritt gekonnt ab. Verflucht!

Panik schoss in mein Gehirn, als mir die Luft ausging. Ich sah wieder die schwarzen Pünktchen die vor mir tanzten und mich verspotteten. Die Schwärze holte mich ein und dann aus dem Nichts, sank der Mann vor mir auf den Boden. Bewusstlos. Ich starrte geradewegs in das Gesicht von Jack, der ihm eine mit der Pistole übergezogen hatte.

Mason, der mich seinem Handlanger überlassen hatte, hatte sich seinem Bruder zugewandt, der ebenfalls bewusstlos und blutverschmiert auf dem Boden lag. "Brian!", stieß ich hervor und humpelte in die Richtung der beiden Brüder. "Jetzt bist du nicht mehr so toll, was?", zog Mason spottend über ihn her. Brian war doch sein Bruder. Das einzige was Masons Gesicht schmückte, war das bekannte Grinsen.

Jacks Knöchel, die er gegen die Pistole presste, hatten sich weiß verfärbt. Ich konnte seine Wut bis hier her riechen, aber Brian war noch nicht tot und ich hatte auch nicht vor, zuzulassen, dass er starb. Er hatte mir immer den Rücken gestärkt. Wir waren Brüder, wenn auch nicht blutsverwandt. Ich konnte nicht verhindern, dass mir der Satz in den Kopf schoss, den ich zu jedem neuen Kind sagte, wenn es zu uns kam.
Liebe ist nicht nur dicker, sondern auch mächtiger als Blut.

"Bist du jetzt zufrieden, Mason?" Mason schüttelte den Kopf. "Nein, Jack. Noch nicht. Und wenn du nicht auch sterben willst, würde ich dir raten, jetzt ganz schnell zu verschwinden." Jacks Blick traf meinen und er schüttelte den Kopf. Die Pistole lag bedrohlich in Masons Hand. Ich konnte nicht zulassen, dass irgendjemandem etwas passierte. "Jack." Meine Hand berührte seine Schulter, doch er schüttelte immer noch den Kopf. "Bitte, geh", flehte ich ihn an. "Nein", wiederholte er und machte einen Schritt auf Mason zu. Ich packte fester zu und schaute ihm eindringlich in die Augen. "Verschwinde! Das ist keine Bitte, Jack. Das ist ein Befehl. Denk an Liv."

"Dein Befehl ist doch Bullshit! Ich lasse dich nicht alleine." Er war so verdammt stur. Mir fiel nur noch eine Möglichkeit ein. "Zehn." Mason zählte einen Countdown runter und ich wusste, er würde Jack erschießen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. "Jack, kannst du dich noch daran erinnern, wie du mich damals gefragt hast, wie du mir jemals für das danken könntest, was ich für dich getan habe?" Er nickte stumm. "Das kannst du für mich tun. Geh. Das bist du mir schuldig."

Zum ersten Mal seit fünf Jahren, sah ich, wie Jack weinte, aber er tat was ich verlangte. Jetzt waren es nur noch Mason, seine Handlanger die noch übrig waren und die Pistole in seiner Hand, gegen die ich keine Chance hatte. "Du willst mich also erschießen?" Ich zog eine Augenbraue in die Höhe und ignorierte den ungeheuren Druck auf meiner Brust. "Du bist ein Feigling. Drei gegen einen."

Mason ließ die Waffe wie auf Knopfdruck fallen. "Na schön!", knurrte er und machte eine Handbewegung, um seinen Kriechern zu zeigen, dass sie verschwinden sollten. Sie packten Averys Vater, der sich wohl noch immer nicht von dem Entwischen seiner Tochter erholt hatte und zogen ihn mit sich. "Gut, Jackson. Nur du und ich. So hast du es doch am liebsten, richtig?" Er leckte sich über die Lippen. "Ich kann es kaum erwarten, dir zu zeigen, dass ich der Bessere von uns beiden bin." Ich schwieg. Ich sprang auf keinen seiner Versuche an, mich zu provozieren. Er wollte, dass ich auf ihn losging und diesen Gefallen würde ich ihm nicht tun. Er sollte mich angreifen, mir zeigen, wie sehr er mich wirklich hasste, und wie sehr ich mich in ihm getäuscht hatte. Und das tat er. Er kam auf mich zu, wie ein Raubtier auf seine Beute, holte aus und ich wich zurück.

Unzufrieden zischte er und startete einen neuen Versuch. Noch nie hatte ich gegen Mason gekämpft, aber ich wusste, dass er kein schlechter Kämpfer war. Nicht, wenn Brians Geschichten stimmten, wie er seinen Gegnern im Boxring die Nase brach. Ich hatte keine Angst mehr. Ich war zunehmend geschwächt, aber ich war mir im Klaren, was ich konnte. Und ich wusste auch, dass ich die bessere Taktik hatte. Mich trieb nicht die Wut an, sondern der Wunsch nach einem normalen Leben. Das war es, was mich von Mason unterschied.

Ich machte einen großen Schritt auf ihn zu und verpasste ihm einen schmerzhaften Kinnhaken. Mason krallte sich an meinem T-Shirt fest, um sich auf den Beinen zu halten. In seinen Augen tobte ein Sturm, der sich nicht einfach legen würde. Nein, er würde nicht aufgeben, solange ich noch am Leben war. Mason holte aus und traf mich diesmal tatsächlich an der rechten Schulter. Ich vergrub die Zähne wieder in meiner Lippe und schmeckte erneut das Blut auf meiner Zunge.

Ich hob mein Bein und rammte ihm mein Knie so fest in den Bauch, dass er auf dem Boden landete und über das staubige Holz schlitterte. Er war schnell wieder auf den Beinen, rieb sich den Rücken wie ein Kleinkind und stürzte sich wieder auf mich. Ich wollte erneut ausholen, als mich ein lauter schrei lähmte. Avery. Nein, es war kein Schrei, eher ein Brüllen. Schon spürte ich den ersten Schlag für meine Unachtsamkeit. Dann den zweiten und beim dritten landete ich auf dem Boden. Ich verteidigte mich und hielt mir schützend die Arme vor das Gesicht. Wild trat ich um mich und traf ihn einige Male. Solange, bis ich das bekannte Klicken hörte. Wie von selbst entfernte ich meinen Schutzmechanismus und entdeckte die Waffe in Masons zitternder Hand. "Es reicht!", schrie er und wischte sich das Blut von der Lippe. "Feigling", spuckte ich und entdeckte etwas Blut auf dem Boden, das hoffentlich nur von meiner Lippe kam. "Du greifst wieder zur Pistole?" Ich spottete über ihn, doch ich hatte nicht die geringste Chance. "Es ist mir egal, wie ich dich erledige, Hauptsache ich kann es endlich tun!"

Der Sturm war fort und nur die Mordlust war in seinen Augen zurückgeblieben. Sein Finger zuckte und ich schloss die Augen. Ich hatte keine Angst mehr. Nicht nach dem Gefängnis. Nicht nach dem heutigen Tag. Irgendwann würde ich Avery und die Kinder wiedersehen. Irgendwann. Und sie würden es verstehen. Avery würde mich als den Elijah im Gedächtnis behalten, der ich war. Nicht als das eingesperrte Monster, und auch nicht als das tätowierte Monster. Einfach nur Elijah.

Der Schuss kam unerwartet, doch die Schwärze um mich herum veränderte sich nicht. Zögernd öffnete ich die Augen und traute ihnen nicht. Mason lag auf dem Boden. Eine klaffende Wunde an seinem Rücken stach mir ins Auge und Brian über ihm, dessen Augen glänzten und nichts als Enttäuschung und Wut nachwiesen. Dann drückte er noch einmal ab. Und ein drittes Mal. Die große Blutlache unter Mason wurde immer größer und ich verbat mir, ihm in die leblosen Augen zu schauen. Ich stürzte mich auf Brian, der nicht mehr aufhören konnte, den Abzug zu drücken. "Brian. Er ist tot. Hör auf." Tränen strömten über seine Wangen. "Ich habe ihn getötet", wisperte er. Dann öffnete sich die Tür und eine schluchzende Avery fiel mir in die Arme.

Prisoned Monster Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt