Kapitel 29

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Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe. Bei der Autofahrt hatte ich noch geglaubt, dass ich am meisten Angst davor hatte, erwischt zu werden, jetzt wo ich durch die Kontrolle und aus dem Schneider war, bemerkte ich aber, dass ich viel mehr Angst davor hatte, Lisa zu sehen.

Wie lange es jetzt schon her war, dass sie verhaftet und eingesperrt wurde? Ich hatte keine Ahnung. Aber definitiv noch nicht lange genug. Die Aufregung stieg mit jedem Schritt und ich wünschte Elijah und nicht Lisa würde hinter dieser Tür sitzen. Doch dies war nur ein Traum, der sich nicht erfüllen würde.

Mit langsamen Schritten trat ich in den Raum, der sich von meinem Besuch bei Elijah nicht wirklich unterschied, nur, dass hier lauter Frauen, und keine Männer saßen. Mein Blick wanderte prüfend durch den Raum und ich folgte der Wärterin schweigend, bis sie vor einem Tisch haltmachte.

Als sie die Sicht auf Lisa nicht mehr versperrte, bekam ich eine Art Schwindelgefühl und ließ mich prompt auf den Stuhl fallen. Es dauerte ein paar Sekunden, in denen ich tief durchatmete und meinem Kopf gesenkt hielt, bevor ich mich traute, in das Gesicht der Mörderin meiner Mutter zu blicken.

Durch ihre leeren Augen blickte sie mir entgegen. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinab. Die Furcht kroch mir bis in die Haarspitzen, während mein Blick immer wieder zwischen der Wand und Lisa hin und her huschte.

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Blaue Augenringe unter ihren Augen, die mich an die Zeit zurückerinnerten, in denen ich sich noch besucht hatte, zierten ihr Gesicht. Ihre Haare waren zusammengebunden, doch so krause, dass man sie wohl kaum bändigen konnte. Ihr Anblick war schrecklich, doch nichts Anderes wünschte ich ihr.

Die Wärterin nahm einen gewissen Abstand ein und wanderte mit ihrem Blick durch den Raum. Warum war ich nur hergekommen? Richtig, um Elijah das Leben zu retten und den Kindern ein besseres zu ermöglichen. "Avery." Ich zuckte zusammen, als schlug sie mich mit ihren Worten. Sie tat es nicht, doch mein Name aus ihrem Mund fühlte sich an wie ein Peitschenschlag. Hastig drehte ich mich um, immer hin hieß ich auf dem Ausweis nicht Avery, sondern Layla. Doch die Wärterin schien nichts bemerkt zu haben. Vielleicht lag es auch daran, dass Lisas Stimme sich so anhörte, als würde sie jede Sekunde versagen.

"Schön, dass du hier bist." Beinahe hätte ich verbittert aufgelacht, doch ich ließ es. Auch wenn es mir nicht gefiel, waren wir auf ihre Hilfe angewiesen. Jedenfalls, wenn sie die Wahrheit in ihrem Brief gesagt hatte.

Ich räusperte mich, um den Klos in meinem Hals loszuwerden, doch ich bekam kein Wort heraus. Wie gelähmt saß ich vor ihr und konnte sie nicht anschreien, ihr keine Vorwürfe machen, obwohl ich es mir schon seit Wochen wünschte.

"Du hast also meinen Brief bekommen." Ich nickte. "Wir beide wissen, warum ich hier bin." Endlich fand ich die richtigen Worte und kam gleich zur Sache. "Kannst du dafür sorgen, dass sie uns in Ruhe lassen?" Auch ohne das ich Namen nannte, wusste sie sofort, wen ich meinte.

"Hör zu, es tut mir leid, dass mit deiner Mutter." Ich verkrampfte mich. Sie sollte nicht über sie sprechen.
"Sei still!", zischte ich. Ich wollte ihre Entschuldigungen nicht hören. Gekränkt senkte sie den Kopf. "Ich kann dir helfen. Maik kommt mich manchmal besuchen." Tat er das? Ich hatte es jedenfalls nicht erwartet. Er war doch im Grunde genauso wie mein Vater. Ein Mann der sich durch einen Gefängnisbesuch doch nicht den eigenen Ruf beschmutzen wollte.

Der Blick unserer Aufpasserin lag auf uns.
"Er hat mir davon erzählt, wie er versucht die Tochter von Phil zu finden. Und Lucy."

"Und?" Erwartungsvoll schaffte ich es, ihr wirklich in das Gesicht zu schauen. "Ich kann ihn davon abbringen." Meine Neugierde stieg. "Auch, wenn du es schaffen solltest, würde Phil niemals aufgeben."
Lisa nickte.
"Nicht, wenn ich sie auf eine falsche Fährte locke. Das verschafft dir wenigstens etwas Zeit. Zeit in der du ihn befreien kannst. Und irgendwann, wird auch Phil aufgeben müssen. Vielleicht sogar bald, wenn ich Maik die wohl größte Karrierechance anbiete und Phil den wohl besten Job abbekommt", flüsterte sie.

Ihn befreien. Elijah. Mein Herz schlug höher, doch ich wusste, dass ich ihr nicht vertrauen konnte. Wo war der Haken?

"Aber dafür musst du mich hier rausholen." Mein Mund klappte auf und meine Augen wurden riesengroß. Das konnte wohl nicht ihr Ernst sein? In mir brodelte es. Glaubte sie wirklich, ich würde sie hier rausholen? Sie hatte meine Mutter getötet. Meine Familie zerstört.

"Nein", spuckte ich ihr entgegen. Meine Kiefermuskeln waren so angespannt, dass ich befürchtete, sie würden zerspringen. Der Hoffnungsschimmer in Lisas Augen verschwand und der kalte Ausdruck war zurück.

"Dann werde ich dafür sorgen, dass er nie wieder freikommt." Ihre Stimme hatte einen bedrohlichen Unterton angenommen und sie presste ihre Augen zu Schlitzen. Sie erpresste mich. Und es funktionierte. Ich schluckte schwer. Das war also der Grund warum ich herkommen sollte und ich war darauf hereingefallen. Fluchend knallte ich meine Fäuste auf den Tisch und versuchte krampfhaft die Fassung zu bewahren.

"Alles gut bei Ihnen?" Die Wärterin war schneller bei mir als gedacht. "Ja, alles gut", sagte ich, auch wenn es sich ganz und gar nicht danach anhörte. "Ich möchte jetzt gehen", teilte ich ihr mit und wandte meinen vernichtenden Blick nicht von Lisa ab. Ich erhob mich. "Nein.", wiederholte ich es noch einmal in Lisas Richtung. Sie würde mir nicht drohen. So sehr ich Elijah auch liebte, ich würde mich nicht unterkriegen lassen. Ich würde einen anderen Weg finden.

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