Kapitel 30

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"Und wie war es?" Ich lief einfach an Jack vorbei, ohne auf seine Frage einzugehen. Der Klos steckte mir viel zu fest im Hals. Ich räusperte mich und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Was glaubst du wie es war?", blaffte ich ihn an, obwohl er gar keine Schuld trug. "Sie hat gemeint, sie würde dafür sorgen, dass Maik und mein Vater uns nicht mehr belasten."

Verwirrt legte Jack seine Stirn in Falten. "Das ist doch gut, oder?"
"Ja, das wäre es, wenn sie dafür nicht von mir verlangen würde, dass ich sie aus dem Gefängnis hole." Wild gestikulierte ich mit meinen Händen und ließ meiner Wut freien Lauf. Wie hatte sie sich das bitte vorgestellt?

"War ja klar, dass so etwas kommt." Sichtlich enttäuscht ließ er die Schultern hängen. Er hatte sich wohl mehr erhofft. "Was tun wir jetzt?", fragte auch ich deutlich niedergeschlagen. "Uns schlecht fühlen und Eis essen."

Jack deutete auf die Cafeteria hinter mir. Seine Augen erhellten sich, als er an das Eis dachte. Schmunzelnd lief ich ihm hinterher und ließ mich auf eine bequeme Sitzbank fallen. Jack hatte mich nicht einmal gefragt, welches Eis ich wollte, sondern war einfach, wie ein kleines Kind, zu der Verkäuferin stolziert und zeigte gerade auf mindestens fünf Sorten, revidierte es wieder und wählte erneut.

Schmunzelnd musterte ich die Verkäuferin, die sichtlich überfordert mit Jack zu sein schien, der sich einfach nicht entscheiden konnte. Endlich befüllte sie die Waffeln und verkniff sich den genervten Blick zu ihrem Kollegen nicht. Jack schien davon gar nichts mitzubekommen, oder es war ihm schlichtweg egal.

"Avery?" Erschrocken fuhr ich herum und blickte in die geschockten Augen meiner Freundin. "Harper?", stieß ich brüchig hervor und blickte zu ihrer Hand hinunter, die die von Noah festhielt. Sie waren also wirklich zusammen. Beinahe hätte ich gegrinst, doch der Schock saß zu tief. Ich verfluchte Jack, der natürlich unbedingt ein Eis haben musste und mich somit in eine recht heikle Situation brachte. Aber andererseits wollte ich ihn am liebsten dafür umarmen. Ich hatte die beiden echt vermisst.

"Avery, bist du es wirklich?" Noahs Blick drückte pure Verwunderung aus. Trotz blondem Haar und Brille, hatten sie mich erkannt. Ich schluckte. Sollte ich ihnen erzählen, dass sie mich verwechselt hatten? Das war doch Schwachsinn. Sie wussten es doch schon längst, dass ich hier vor ihnen sah. Meine Stimme würde es nur noch bestätigen.

"Setzt euch, bitte." Sofort nahmen sie beide Platz und musterten mich innig. Allein Noahs braune Augen, waren der Grund, warum mir Tränen in die Augen stiegen. Ich war einfach verschwunden. Ohne ein Wort zu sagen. Sie mussten mich hassen.

"Du musst und einiges erklären, Fräulein", warf Noah nicht einmal halb so wütend ein, wie ich es erwartet hatte. Harper neben ihm war still. "Ihr seid also zusammen?"

"Nicht vom Thema abweichen", ermahnte er mich, aber ich konnte sehen, wie sein Blick für eine Sekunde zu Harper huschte.

"Es tut mir leid. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie leid es mir tut." Ich war den Tränen nah und wischte meine schweißnassen Hände an meiner Jeans ab. "Ich weiß, ihr könnt nicht nachvollziehen was ich getan habe und es war auch nicht richtig, einfach so zu verschwinden, aber glaubt mir, ich hatte keine andere Wahl."

"Natürlich können wir nicht nachvollziehen, dass du einfach mit einem Schwerverbrecher durchbrennst!" Ich zuckte bei Harpers ehrlichen Worten zusammen. Das konnte sie nicht so meinen.
"Beruhige dich, Harper." Noah griff nach ihrer Hand. "Er ist kein Schwerverbrecher, Harper. Du kennst ihn doch überhaupt nicht." Geschockt, dass Harper, die immer stets das Gute in Menschen sah und nie ohne Beweise über Menschen urteilte, Elijah einfach so verurteilte.

"Er tut das alles nur, aus einem bestimmten Grund. Ich kann euch nicht mehr sagen, aber ihr müsst mir vertrauen." Vor einer Minute hatte ich noch gedacht, ich könnte ihnen alles erzählen, doch, wenn ich an Harpers Worte dachte, war ich mir nicht so sicher, ob sie es nicht gegen Elijah verwenden würden. So erschreckend es auch klingen mochte.

"Wie sollen wir irgendetwas verstehen, wenn du nichts sagst?", sagte Noah vorwurfsvoll.

"Bitte, ihr müsst mir einfach glauben. Elijah ist kein Verbrecher." Die erste Träne rollte mir über die Wange. Pure Verzweiflung setzte in mir ein. Sie glaubten mir nicht.

"Avery, zwingt er dich dazu, dass zu sagen?" Ich riss die Augen auf. "Nein, Noah! Du müsstest doch wissen, dass ich die Wahrheit sage. Niemand zwingt mich zu irgendetwas. Ich habe selbst entschieden. Ich liebe Elijah, genauso wie du Harper liebst. Was wäre, wenn Harper für etwas verurteilt werden würde, dass eigentlich etwas ganz Anderes ist? Würdest du dann nicht mehr hinter ihr stehen, ohne dazu gezwungen zu werden?"

Noah presste die Lippen aufeinander. "Das ist etwas Anderes." Harpers Stimme war nur ein Flüstern, aber ich war froh, dass sie mich nicht mehr anschrie. "In wie fern denn?" Sie schwieg.

"He, Avery, sorry, dass es so lange gedauert hat, aber ich hatte nicht genug Geld dabei und die Verkäuferin ist total ausgerastet, bis mir jemand was geliehen-"

Jack hielt inne und blickte in die Runde. "Schlechter Zeitpunkt?", fragte er und machte einen Schritt zurück.

"Nein, wir wollten sowieso gehen." Ein Stich, mitten in meine Brust. "Nein, bitte bleibt", flehte ich. Meine Unterlippe bebte, doch Noah schüttelte nur den Kopf. Harper würdigte mich keines Blickes und in diesem Moment realisierte ich, dass ich meine Freunde verloren hatte.

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