Kapitel 39

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Unheimlich. Kein anderes Wort beschrieb die abgelegene Hütte im Wald, zu der uns Elijahs vorgegeben Adresse geführt hatte. Seit einer Stunde waren wir im Wald herumgeirrt, bis Jack, der gerade erst aus einer seiner Vorlesungen geholt worden war, verstanden hatte, was die Nummer zwei mit dem Wort Wald und seinem Namen auf dem kleinen Zettel bedeutete. "Wir müssen zu dem zweiten Waldabschnitt und dann zu der Hütte, in der Elijah mich die erste Woche versteckt hat", hatte Jack auf einmal ganz aufgebracht erklärt, schritt mit großen Schritten voran und führte die Truppe an.

Keiner stellte Fragen, auch wenn keiner genau wusste, wohin Jack uns führte, noch nicht einmal die Kinder, die dafür aber nicht aufhörten nach Elijah zu fragen. Ich selbst war vor einer Stunde noch kurz davor gewesen, einfach unbemerkt zu verschwinden und mich auf die Suche nach Elijah zu machen. Aber wo hätte ich nach ihm suchen sollen? Ich hatte keinen Anhaltspunkt. Dennoch fühlte ich mich feige. Er hätte mich gesucht, egal wie aussichtslos es war.

Elijah war schon wieder fort und damit kam die Angst wieder zurück, die ich gestern erfolgreich verdrängt hatte. Ein mulmiges Gefühl trat in meinem Magen, als ich an seinen entschuldigenden Blick zurückdachte. Wie er mich angesehen hatte. Was hatten diese Männer mit ihm vor? Ich ließ keinen grausamen Gedanken zu, auch wenn es naiv war, zu denken, sie würden ihn verschonen.

Ich war mir sicher, es hatte etwas damit zu tun, was Cole von ihm verlangte. Urplötzlich drängten sich meine Gedanken doch in den Vordergrund. Elijah, wie er sich der Polizei stellen musste und zur Todesstrafe verurteilt wurde. Ich vergrub meine zitternden Hände in den Taschen meiner Jacke und warf einen Blick zurück auf die Kinder.

Ich hörte Luis Zähneklappern. Die Luft war kühl und ein unangenehmer Wind wehte mir die Haare ins Gesicht. Lucy, die kein bisschen zu frieren schien, stolperte über fast jeden Ast der sich ihr in Weg legte. Ich erhaschte nur einen kurzen Blick zu Olivia, weil ihr trauriges Gesicht mich nur noch Hoffnungsloser gemacht hätte.

In meinen Fingerspitzen kribbelte es wieder und es war schwer nicht dem Drang nachzugeben, einfach aufzugeben. Ich wollte nicht mehr, dass irgendjemand wegen mir leiden musste. Hätte ich Elijah nie dazu gedrängt, mir seine Geschichte zu erzählen, wäre er wahrscheinlich nicht ins Gefängnis gekommen. Wieso hatte ich mich nicht einfach von ihm ferngehalten? Ich hatte alles zerstört, was er durch harte Arbeit erreicht hatte. Ich hatte nur einmal kurz in sein Leben gefunkt und schon ging alles den Bach runter.

Hier standen wir nun, vor dem letzten Ausweg, der Hütte. Mason neben mir rümpfte die Nase. "Wie ein Hotelzimmer sieht das ja nicht aus. Das wird eine angenehme Nacht werden." In seiner Stimme schwang nicht der scherzende, ironische Ton mit, den ich gewohnt war. Er selbst hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

Jack stieß die unverschlossene Holztür auf und man konnte erkennen, dass schon einige Jugendliche sich ihren Spaß hier erlaubt hatten. Die Wände zierten bunte Sprüche und die Ergebnisse von Sprühdosen. Wir alle ließen das bisschen Gepäck, das wir mitgenommen hatten, auf den Boden fallen. "Soweit ich weiß, gibt es oben ein Bett. Nicht bequem, aber wenigstens etwas", erklärte Jack und trat einen Schritt auf die Treppe, die so morsch aussah, als würde sie schon bei Olivias Gewicht zusammenbrechen. Meine Vermutung bestätigte sich, als sie einen knarrenden Laut von sich gab, nachdem Jack auf die nächste Stufe getreten war.

"Interessant", murmelte Brian und verzog angewidert das Gesicht, als er eine rote Flüssigkeit an der Wand entdeckte. "Reißt euch zusammen! Wir haben schon schlimmere Unterkünfte gehabt!", blaffte Lola und kämmte sich das zerzauste Haar mit den Fingern.

"Du hast recht", sagte Jack schließlich. "Hier werden wir wohnen?" Liz, die sich auf ihren Rucksack gesetzt hatte, schaute sich um. "Ja, Süße, aber nicht lange", versprach Lola und tätschelte ihre Wange.
"Ich werde jetzt Elijah suchen gehen", gab ich prompt von mir und stieß auf entsetzte Gesichter. Ich hatte auch nicht erwartet, dass sie es führ gut erachteten.
"Nein." Wütend funkelte ich Mason an. Er konnte mir gar nichts verbieten. "Du hast mir gar nichts zu sagen!" Seine Augen wurden nur noch dunkler. "Gut, dann geh! Aber wir kratzen dich nicht vom Boden auf, wenn dich diese Riesen platt gemacht haben", fauchte er und ich zuckte unmerklich zusammen.

Niemand sagte etwas und ich konnte das Zwitschern der Vögel hören. Ein lautes Klingeln durchbrach den angespannten Moment der Stille. Jack, der erschrocken nach seinem Handy griff, nahm ab. "Hallo?"

Es dauerte einige Sekunden, in denen er nur der Stimme am Telefon lauschte, und dann riss er vor Schock die Augen auf. Blitzschnell griff er ein Kind nach dem anderen und zog es hinter sich. Ich beobachtete das Geschehen mit offenem Mund. Beinahe ängstlich ließ Jack das Telefon sinken und hob den Finger.

"Wie konntest du uns das nur antun!" Ich konnte nicht glauben, auf wen er zeigte und noch weniger, was er ihm danach unterstellte.

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