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Leonard P.O.V

"Bin ich dir eigentlich peinlich? Du bist nicht einmal mitgekommen, als ich meine Angela zurück geholt habe." Julian lief trottig neben mir her.

"Der Fakt, dass du deinem Auto einen Namen gegeben hast beantwortet die Frage doch schon." antwortete ich bloß. Lachend schlug Julian mir gegen die Schulter.

"Aber Mal ehrlich, du bist doch sonst nicht so ein Miesepeter. Die Schüler lieben dich gerade deswegen, weil du so offen und fröhlich bist." bemerkte mein Arbeitskollege.

Er hatte vor knapp einem Jahr an der Schule an der auch ich arbeitete angefangen. Julian war ein Jahr jünger als ich und verhielt sich wie Zwölf.

Ein Wunder dass seine Verlobte wirklich ja gesagt hat.

"Dieser Ort gibt mir einfach kein gutes Gefühl." Eher erdrückt er mich, wissend dass es hier nicht allzu viele Einwohner gibt und ich sekündlich in einen der Jungs rennen könnte.

"Bist du mein Trauzeuge oder nicht?" Warum ich selbst dazu ja gesagt hatte verstand ich noch weniger als das andere ja. "Ich hab nicht gesagt, dass ich bei erster Gelegenheit flüchte. Ich meine nur, mir gefällt es nicht an Orten zu sein, die ich nicht kenne."

Julian verzog sein Gesicht zu einer undefinierbaren Schnutte. "Es tut dir gut Mal woanders zu sein als in der Schule und deiner Wohnung." versicherte er mir selbstsicher.

"Außerdem hab ich nur für dich Andrea eingeladen." Ich schubste ihn zur Seite. "Julian, ich habe kein Interesse an dieser Frau, nicht so eines, selbst wenn du sie mir ohne Kleidung auf einen Tisch legen würdest." stellte ich klar.

"Das lässt sich arrangieren." grinste er. Natürlich war der Teil das einzige, was von meinem Satz in seinem Gehirn ankam. Ich hatte ihm nie erzählt, dass ich generell kein Interesse am weiblichen Geschlecht hatte.

Doch auch die Persönlichkeit der frisch eingelernten Schulsekretärin war eher abschreckend für mich.

Sie war eine Ja-Sagerin, anhänglich und für meinen Geschmack viel zu offen. Wenn man so weit denken möchte, sie war das komplette Gegenteil von Daniel.

Das Gespräch mit Max nagte nach wie vor an mir. Dass er wütend auf mich war konnte ich mir im Vorraus schon denken und im generellen war es besser ausgegangen als ich anfangs erwartet hatte.

Seine Warnung hatte ich trotzdem nicht vergessen. Mit Sicherheit ist Jan mehr als schlecht auf mich zu sprechen, er hat jedes Recht dazu.

Ich hatte mich seit diesem einen Tag einfach nie dazu überwinden können, Daniel noch einmal zu schreiben. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe war, als er in Handschellen abgeführt würde.

Und dieser Anblick wird mich wohl noch eine ganze Weile verfolgen.

"Wir haben noch über drei Stunden und sind bisher nur die Gegend abgelaufen. An Unterricht will ich an einem Freitag gar nicht denken, mir hat das heute schon gereicht." seufzte Julian.

Ich schmunzelte leicht. "Du hattest doch nur drei Stunden, wieso beschwerst du dich?" fragte ich amüsiert. "Und das waren alles nur siebte Klassen! Die schlimmste Stufe!" beschwerte er sich. "Du hast wirklich noch nie Oberstufe unterrichtet."

Als Lehrer war Julian zumindest etwas reifer, aber auch das hielt sich in Grenzen. Er unterrichtete Deutsch und Geschichte. Für einen Kindskopf hatte er viel im Kopf, das gab ich gern zu.

"Ich versteh sowieso nicht, wieso wir dein Auto am Mittag abholen, wenn wir doch erst gegen Abend wirklich hier sein müssen." meinte ich, schweifte damit zurück auf Julians vorherige Gedanken.

"Ich kann schlecht betrunken mein Auto abholen, oder?" erwiderte er darauf. "Warum es dann überhaupt so früh zurück haben wollen?"

Er zog mich etwas näher zu sich ran, senkte seine Stimme, obwohl sowieso niemand hier war. Wir liefen immerhin auf einer Landstraße entlang.

"Also gut, hör zu. Ich hab dir ja gesagt, dass ich den Besitzer kenne und er hat mir erzählt, dass die beiden Jungs, die die so gleich aussahen, diese Zwillinge da, die sind wohl nicht ganz sauber. Vorstrafen und so. Bei solchen Leuten lass ich mein Auto doch nicht lange."

Ich spürte, wie mein Körper sich anspannte. 'Solche Leute', 'nicht ganz sauber', diese Worte brachten mich zum Kochen.

Ich kannte die Zwillinge und ich wusste, was sie getan hatten, aber auch warum sie es getan hatten. Das war der Unterschied zwischen Julian und mir. Sie waren keine schlechten Menschen und vor allem würden sie niemals ihre Arbeit für anderes ausnutzen.

"Du solltest nicht immer so vorschnell urteilen, Julian." meinte ich. "Alles hat seinen Grund und die Jungs tuen keinen Unschuldigen Schaden zu, geschweige denn ihrem Besitz." fügte ich hinzu. "Außerdem würden beide eher für ein fremdes Auto kämpfen als diesem selbst Schaden zuzufügen."

"Du kennst sie?" "Ich habe sie unterrichtet." Ungläubig sah er mich an. "Warum hast du dann nichts gesagt?" Ich schmunzelte. "Wie gesagt, urteile nicht immer so vorschnell. Es gibt vieles, was du nicht weißt." war meine knappe Antwort, bevor ich das Thema beendete, indem ich etwas Abstand zu ihm nahm und weiter lief.

Vergessene Liebe | ManXManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt