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Daniel P.O.V

Das Wochenende verging, indem ich mich hinter Sport versteckte. Seit unserem Zusammentreffen hatte mein Kopf natürlich nichts mehr anderes, woran er denken konnte.

Vor allem nicht, nachdem Leos Schwester Jenny mich angerufen hatte. Sie war völlig aufgedreht, hatte sich erst beschwert, warum sie nicht zu dieser Feier eingeladen war und später ungefähr die gleichen Fragen gestellt wie Markus und Jan.

So richtig ging das Drama erst los, als ich Sonntag Abend angerufen wurde. Erst wollte ich gar nicht erst rangehen, aber meine Neugier gewann dann doch.

"Du kennst ja doch noch meine Nummer." meinte ich als trockene Begrüßung. "Ja, das habe ich verdient." Seine Stimme war selbst übers Telefon so, keine Ahnung, da. So real. Als müsste ich nur die Augen schließen und er stände direkt hinter mir

"Verzeih mir den spontanen Anruf, ich wollte mich für Freitag Abend entschuldigen." erklärte Leo. "Du hattest mir eine Frage gestellt und ich habe sie dir nicht beantwortet." fügte er hinzu.

"Die Antwort verändert die letzten drei Jahre auch nicht mehr." Ich hörte im Hintergrund leise Schritte, er lief wahrscheinlich in seinem Zimmer hin und her. Hat er früher auch schon gemacht. "Ich weiß." flüsterte er.

"Willst du ein reines Gewissen?" "Um Gottes Willen, nein! Nein, mein Egoismus hat ganz andere Wurzeln." Auch wenn ich ihm nicht verzieh, es störte mich, dass er so von sich selbst redete.

"Ich, entschuldige, es war dumm von mir anzurufen." murmelte er. "Leo!" rief ich, bevor er auflegen konnte. "Warum hast du wirklich angerufen?"

"Weil ich deine Stimme vermisst habe." Ich schluckte, versuchte damit den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte loszuwerden, zwecklos. "Was?"

"So lächerlich wie es klingt, ich hab die letzte halbe Stunde damit verbracht, mein Handy anzustarren, zu überlegen, ob ich es wirklich tun sollte." murmelte Leo vor sich hin.

"Ich hab..." Er stoppte sich selbst um zu seufzen. "Ich hab mich gefragt, ob ich es überhaupt verdient habe, dass du ans Telefon gehst, geschweige denn mir zuhörst."

Während Leo redete sammelten sich Tränen in meinen Augen. Seine Worte trafen was in mir. "Es gibt keine Entschuldigung, für das, was ich getan habe. Ich habe dich im Stich gelassen. Mir ist bewusst, dass ich die falsche Entscheidung getroffen habe, schon nach den ersten Wochen."

Meine Hände zitterten und ich kniff die Augen zusammen, um nicht loszuheulen. "Scheiße Leo, warum machst du das?" flüsterte ich.

"Es tut mir leid." kam bloß von ihm zurück. "Das tut es wirklich." Ich schüttelte den Kopf, auch wenn mir klar war, dass Leo das nicht sehen konnte.

"Du bist gegangen und hast dich nicht darum geschert, was mit mir passiert. Du hast mich so scheiße sehr verletzt und ich hab dir die ganze Zeit über immer noch wie ein dummer Köter hinterher geheult." meinte ich, atmete nach meinen Worten zitternd aus.

"Weißt du, was das für ein scheiß Gefühl ist, wenn du auf einer Polizeistation bist und dir durchlesen musst, dass die einzige Person, von der du geglaubt hast, dass sie dich nicht aufgeben wird, dich aufgibt?" fragte ich.

"Daniel, ich habe dich nie aufgegeben." widersprach Leo. "Doch, Leonard, das hast du. Du hast den einfachen Weg gewählt, deinen Kopf aus der Schlinge gezogen, sobald du konntest. Ich hab Verständnis dafür, dass es für dich schwer war, mit mir zusammen zu sein, aber nicht dafür, dass du uns einfach weggeworfen hast. Nicht nur einmal!"

Meine Stimme wurde immer lauter, während ich redete und meine Traurigkeit wurde mit jedem Wort mehr und mehr zu Frust.

"Das ist dein Problem. Sobald du etwas nicht beim ersten Versuch schaffst rennst du weg. Sobald wir beide irgendeine Krise hatten, da hast du lieber Schluss gemacht, anstatt mit mir zu reden."

Einen kurzen Augenblick blieb es still zwischen uns beiden.

"Ist es zu spät, um zu reden?" fragte Leo, durchbrach damit diese erdrückende Stille. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, dir zuzuhören Leo." gab ich seufzend zu. "Das ist okay für mich."

Es war dumm, obwohl mein Körper sich doch eigentlich mit Wut füllen sollte fühlte ich mich überraschend ruhig.

Kurz hörte man im Hintergrund irgendwen reden. "Du kannst dir auch Musik anmachen, dann stört dich mein Trampeln nicht mehr." meinte Leo. Dann war wohl Thomas reingekommen.

"Ich soll Grüße von der bösen Stiefmutter ausrichten. Meine Schritte waren zu laut für seine sensiblen Ohren." erklärte Leo dann an mich gerichtet. "Er weiß, dass du mich angerufen hast?" fragte ich.

"Ehrlich gesagt, ich hab ihn gefragt, ob er glaubt, es sei in Ordnung." gab Leo zu. "Viermal!" rief Thomas.

Leise schmunzelnd lehnte ich mich nach hinten.

Ah, Leo. Du bist gefährlich für mich. Es macht mir Angst, dass ich nach fünf Minuten Gespräch meine Wut der letzten Jahre vergesse.

Aber eins kann ich wohl nicht vergessen, meine Angst. Meine Angst, dass du ein zweites Mal gehst.

Vergessene Liebe | ManXManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt