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Leonard P.O.V

Bis Mittwoch hin hörte ich nichts mehr von Daniel. Um ehrlich zu sein hatte ich auch nicht erwartet, dass er sich melden würde und ich wusste nicht, ob ich es selbst sollte. Er hatte bei unserem letzten Treffen den Raum so stürmisch verlassen, ich hatte keine Ahnung, ob das sein Tschüss auf Ewig war.

Thomas hatte ich erklärt, warum er mich plötzlich vertreten musste. Zwar musste ich mir dafür eine gefühlt stundenlange Rede anhören, wie Recht er doch immer hat und dass eine solche Aktion meinerseits längst denkbar war, aber er zeigte gegen Ende dann auch tatsächlich Mal etwas Verständnis.

Mittwochnachmittag, als ich das Schulgebäude verließ wartete wohl eine Frau auf mich. Sie stand bei meinem Auto, wartete, bis ich bei ihr war, bevor sie anfing zu reden.

Natürlich erkannte ich sie. Das war auch nicht schwer, schließlich war ihr Sohn der Anwältin wie aus dem Gesicht geschnitten.

"Leonard Schilf, ich hatte mich gefragt, wann ich Sie wiedersehen werde." erklärte sie. "Ich nehme an, Sie sind nicht wegen einer Klage hier." erwiderte ich.

"Gehen wir ein Stück?" Frau Aston gab die Richtung und das Tempo vor, während ich stumm neben ihr her lief.

"Sie sind niemand, der sich hinter Tatsachen versteckt und genauso wenig bin ich das, deswegen erspare ich uns beiden einiges an Zeit und sage es frei heraus. Ich weiß von der Beziehung zwischen Ihnen und Daniel." erklärte sie.

Die Hände in den Hosentaschen vergraben sah ich auf den Gehweg vor mir. "Die Beziehung ist seit einiger Zeit schon beendet." meinte ich.

"Dass Sie ihn dennoch seit einiger Zeit wieder sehen hat welchen Grund?" Man merkte ihr an, dass sie Anwältin aus Leidenschaft war.

"Die Welt ist klein, Frau Aston." "Und ich muss Sie nicht daran erinnern, dass ich die Macht habe, sie zu vergrößern."

Ich blieb stehen und wartete, bis die Mutter von Luke es ebenfalls tun würde.

"Wieso sind Sie hier?" fragte ich dann direkt heraus. "Bis vor drei Tagen dachte ich, Sie seien damals nur ein sehr hilfreicher und besorgter Lehrer gewesen, dass Sie aber ein besorgter Partner waren, daran habe ich im Leben nicht gedacht."

Während sie sprach verlagerte sie ihre Tasche von der einen Hand auf die andere. Die Frau, die bis heute noch den Spitznamen 'die Madonna, unter den Anwälten' trug, stand nervös vor mir.

"Er hat mir nie erzählt, was passiert ist, zwischen Ihnen und Daniel. Es geht mich auch nichts an, mich betrifft das Glücklichsein und die Gesundheit von allen Fünf. Daniel ist nicht glücklich." meinte Frau Aston, zog ein kleines Notizbuch aus ihrer Tasche und hielt es mir hin.

"Das hier ist sein größter Heiligtum. Ich habe ihm dieses Buch geschenkt als er zu uns kam. Daniel redet nicht über seine Gefühle, aber er schreibt darüber. Stellen Sie mich als schlechte Mutter hin, jedoch, an diesem Buch erkennt man, dass er an Ihrer Seite glücklicher war denn je."

Ich sah auf das Notizbuch in meiner Hand. Die Seiten waren schon minimal vergilbt, der Einband hatte ein paar Risse, dennoch war es noch in gutem Zustand.

"Frau Aston, ich möchte mit Daniel reden, das möchte ich wirklich. Aber ich kann ihn nicht dazu zwingen." murmelte ich, meinen Blick immer noch auf das Buch gerichtet.

"Dessen bin ich mir im Klaren. Gott weiß, wie stur dieser Junge sein kann. Ich möchte Sie selbst ebenfalls zu Nichts zwingen. Was Sie mit Buch und der Situation machen ist Ihre Entscheidung. Wer weiß, vielleicht war ich auch nur hier, um mir anzusehen, wie der Mann ist, der meinem Sohn den Kopf verdreht hat." lächelte sie.

"Ich hoffe, ich habe keinen allzu schlechten Eindruck gemacht." murmelte ich, meinte diesen Spruch nur teilweise als Witz.

Frau Aston hielt mir ihre Hand hin. "Es hat mich gefreut, Sie kennen gelernt zu haben, Herr Schilf." Mit einem leichten Lächeln schüttelte ich ihr kurz die Hand. "Mich ebenso, Frau Aston."

Während sie zurück zum Schulgebäude lief, wo sie wahrscheinlich ihr Auto geparkt hatte lehnte ich mich an den Zaun hinter mir und zog mein Handy aus der Tasche.

Inzwischen kannte ich seine Nummer schon auswendig, so oft hatte ich schon stundenlang mein Handy angestarrt, auf genau diese Zahlen.

Die Mailbox ging ran. Ich wusste nicht, ob mich das erleichterte oder noch nervöser machte.

"Daniel, hier ist Leonard. Frau Aston hat mir etwas gegeben, was dir gehört und ich bin mir ziemlich sicher, dass du es wieder haben willst. Ruf mich bitte zurück oder schreib mir, sobald du kannst, dann bringe ich es dir, wohin du möchtest."

Ich drehte das Buch in meinen Händen, als ich mein Handy wieder eingesteckt hatte. Natürlich war der Drang groß, es zu öffnen und die Seiten zu durchstöbern.

Doch, als ich damals dachte, an Daniels Handy ohne seine Erlaubnis zu gehen wäre der größtmögliche Eingriff in seine Privatsphäre lag ich falsch. In meinen Händen hielt ich bildlich gesprochen Daniels Herz.

Vergessene Liebe | ManXManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt